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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Vergeblicher Einspruch der Gesandten. IV.
sich von hier aus selbst die Wege gebahnt und in Kurzem durch
das ganze Land verbreitet. -- Vielleicht wurde die japanische
Regierung auch in diesem Puncte von wohlwollender Vorsicht ge-
leitet und fürchtete von so freiem Verkehr schlimme Folgen für
die Fremden, doch machte es diesen eben nicht den Eindruck. --
Die Frage war von weitreichender Bedeutung und die Gesandten
thaten ihr Möglichstes sie glücklich zu lösen; die westlichen Kauf-
leute aber hatten nur ihren nächsten Vortheil im Auge. Schon
lagen mehrere Schiffe aus Nangasaki und China in der Bucht,
welche der vertragsmässigen Eröffnung harrten. Die mit ihnen ein-
getroffenen Handelsagenten sprachen sich unverhohlen für Yokuhama
aus, wo Alles zu ihrer Aufnahme bereit war, und zauderten keinen
Augenblick sich dort niederzulassen als der vertragsmässige Termin
eintrat. Yokuhama hat allerdings vor Kanagava einen für den
Handel sehr wichtigen Vorzug, einen besseren Ankergrund, und die
Möglichkeit für grosse Schiffe sich dem Lande auf kurze Entfer-
nung zu nähern, während bei Kanagava das Wasser überall seicht
ist. Vor allen Dingen aber machten die ersten Ankömmlinge durch ihr
schnelles Zugreifen glänzende Geschäfte, deren Vortheil sie mit
anderen später Hinzukommenden theilen mussten, wenn sie den
Erfolg der diplomatischen Verhandlungen abgewartet hätten.

So scheiterten die Gesandten an dem Auftreten ihrer eigenen
Schutzbefohlenen, und konnten nur eine weitere Ausdehnung des
zur Ansiedelung bestimmten Terrains und die künftige Anweisung
der Grundstücke an sie selbst zur gleichmässigen Vertheilung an
die Kaufleute erreichen; -- denn die zuerst gekommenen hatten,
mit bedeutenden Geldmitteln versehen, alles von der Regierung zur
Verfügung gestellte Land an sich gebracht und verkauften es nun
an die später eintreffenden zu unmässigen Preisen. -- Den fremden
Consuln wies die Regierung Tempel in Kanagava an, doch hatten
die Gesandten grosse Mühe, ihr die Erlaubniss des freien Verkehrs
zu Lande auf der grossen Heerstrasse zwischen den Legationen in
Yeddo und den Consulaten in Kanagava abzudringen.

Weiteren Anlass zu Misshelligkeiten gab das Umwechseln
der fremden Münzsorten gegen japanische, wozu die Regierung
sich unbegreiflicher Weise für das erste Jahr nach Eröffnung der
Häfen durch die Verträge verpflichtet hatte. Diese Angelegenheit
wird nur durch nähere Beleuchtung der Verhältnisse verständlich
werden.


Vergeblicher Einspruch der Gesandten. IV.
sich von hier aus selbst die Wege gebahnt und in Kurzem durch
das ganze Land verbreitet. — Vielleicht wurde die japanische
Regierung auch in diesem Puncte von wohlwollender Vorsicht ge-
leitet und fürchtete von so freiem Verkehr schlimme Folgen für
die Fremden, doch machte es diesen eben nicht den Eindruck. —
Die Frage war von weitreichender Bedeutung und die Gesandten
thaten ihr Möglichstes sie glücklich zu lösen; die westlichen Kauf-
leute aber hatten nur ihren nächsten Vortheil im Auge. Schon
lagen mehrere Schiffe aus Naṅgasaki und China in der Bucht,
welche der vertragsmässigen Eröffnung harrten. Die mit ihnen ein-
getroffenen Handelsagenten sprachen sich unverhohlen für Yokuhama
aus, wo Alles zu ihrer Aufnahme bereit war, und zauderten keinen
Augenblick sich dort niederzulassen als der vertragsmässige Termin
eintrat. Yokuhama hat allerdings vor Kanagava einen für den
Handel sehr wichtigen Vorzug, einen besseren Ankergrund, und die
Möglichkeit für grosse Schiffe sich dem Lande auf kurze Entfer-
nung zu nähern, während bei Kanagava das Wasser überall seicht
ist. Vor allen Dingen aber machten die ersten Ankömmlinge durch ihr
schnelles Zugreifen glänzende Geschäfte, deren Vortheil sie mit
anderen später Hinzukommenden theilen mussten, wenn sie den
Erfolg der diplomatischen Verhandlungen abgewartet hätten.

So scheiterten die Gesandten an dem Auftreten ihrer eigenen
Schutzbefohlenen, und konnten nur eine weitere Ausdehnung des
zur Ansiedelung bestimmten Terrains und die künftige Anweisung
der Grundstücke an sie selbst zur gleichmässigen Vertheilung an
die Kaufleute erreichen; — denn die zuerst gekommenen hatten,
mit bedeutenden Geldmitteln versehen, alles von der Regierung zur
Verfügung gestellte Land an sich gebracht und verkauften es nun
an die später eintreffenden zu unmässigen Preisen. — Den fremden
Consuln wies die Regierung Tempel in Kanagava an, doch hatten
die Gesandten grosse Mühe, ihr die Erlaubniss des freien Verkehrs
zu Lande auf der grossen Heerstrasse zwischen den Legationen in
Yeddo und den Consulaten in Kanagava abzudringen.

Weiteren Anlass zu Misshelligkeiten gab das Umwechseln
der fremden Münzsorten gegen japanische, wozu die Regierung
sich unbegreiflicher Weise für das erste Jahr nach Eröffnung der
Häfen durch die Verträge verpflichtet hatte. Diese Angelegenheit
wird nur durch nähere Beleuchtung der Verhältnisse verständlich
werden.


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[276/0306] Vergeblicher Einspruch der Gesandten. IV. sich von hier aus selbst die Wege gebahnt und in Kurzem durch das ganze Land verbreitet. — Vielleicht wurde die japanische Regierung auch in diesem Puncte von wohlwollender Vorsicht ge- leitet und fürchtete von so freiem Verkehr schlimme Folgen für die Fremden, doch machte es diesen eben nicht den Eindruck. — Die Frage war von weitreichender Bedeutung und die Gesandten thaten ihr Möglichstes sie glücklich zu lösen; die westlichen Kauf- leute aber hatten nur ihren nächsten Vortheil im Auge. Schon lagen mehrere Schiffe aus Naṅgasaki und China in der Bucht, welche der vertragsmässigen Eröffnung harrten. Die mit ihnen ein- getroffenen Handelsagenten sprachen sich unverhohlen für Yokuhama aus, wo Alles zu ihrer Aufnahme bereit war, und zauderten keinen Augenblick sich dort niederzulassen als der vertragsmässige Termin eintrat. Yokuhama hat allerdings vor Kanagava einen für den Handel sehr wichtigen Vorzug, einen besseren Ankergrund, und die Möglichkeit für grosse Schiffe sich dem Lande auf kurze Entfer- nung zu nähern, während bei Kanagava das Wasser überall seicht ist. Vor allen Dingen aber machten die ersten Ankömmlinge durch ihr schnelles Zugreifen glänzende Geschäfte, deren Vortheil sie mit anderen später Hinzukommenden theilen mussten, wenn sie den Erfolg der diplomatischen Verhandlungen abgewartet hätten. So scheiterten die Gesandten an dem Auftreten ihrer eigenen Schutzbefohlenen, und konnten nur eine weitere Ausdehnung des zur Ansiedelung bestimmten Terrains und die künftige Anweisung der Grundstücke an sie selbst zur gleichmässigen Vertheilung an die Kaufleute erreichen; — denn die zuerst gekommenen hatten, mit bedeutenden Geldmitteln versehen, alles von der Regierung zur Verfügung gestellte Land an sich gebracht und verkauften es nun an die später eintreffenden zu unmässigen Preisen. — Den fremden Consuln wies die Regierung Tempel in Kanagava an, doch hatten die Gesandten grosse Mühe, ihr die Erlaubniss des freien Verkehrs zu Lande auf der grossen Heerstrasse zwischen den Legationen in Yeddo und den Consulaten in Kanagava abzudringen. Weiteren Anlass zu Misshelligkeiten gab das Umwechseln der fremden Münzsorten gegen japanische, wozu die Regierung sich unbegreiflicher Weise für das erste Jahr nach Eröffnung der Häfen durch die Verträge verpflichtet hatte. Diese Angelegenheit wird nur durch nähere Beleuchtung der Verhältnisse verständlich werden.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/306>, abgerufen am 25.11.2024.