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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Die Verfolgung aufgegeben. II.
die mit aller Macht zu rudern anfingen, langsamer auf als man
erwartete. Die Sonne senkte sich schon als wir in Schussweite
kamen, und der Wind wurde immer schwächer. Der Capitän liess
aus dem grossen Pivotgeschütz am Buge Granaten werfen; einige
crepirten dicht über und hinter den Dschunken, welche unter
mächtigem Rudern in einen engen Canal zwischen zwei Felsinseln
liefen. In dieses unbekannte und gefährliche Fahrwasser durfte
ihnen die Fregatte nicht folgen, zumal bei einbrechender Nacht, --
so wurde denn gegen Sonnenuntergang abgeschlagen und Cours
gesteuert. -- Wir kamen erst spät Abends zum Mittagsessen, denn
sobald der Generalmarsch ertönt, müssen alle Feuer gelöscht
werden.

So war denn der Tag ohne blutige Erfolge vergangen -- die
Aufregung wich einer nüchternen Abspannung. Wir schwatzten
bis tief in die Nacht, -- Jeder hatte seine Ansichten, Wünsche,
Vermuthungen, namentlich über die räthselhafte Begegnung am
Morgen. Es wäre dem Commandanten ein leichtes gewesen die
grosse Dschunke zum Streichen der Segel zu zwingen, aber was
konnte bei einer Untersuchung ohne Dolmetscher herauskommen? Sie
anzugreifen, lag keine Veranlassung vor. Die Nachmittags gejagten
vier Dschunken aber waren gleichsam auf der That ertappt --
der "Oriental", so hiess die englische Brig, verlor sie seit ihrem
Angriff nicht aus den Augen -- und hätten bei gutem Gewissen
wohl nach dem ersten Schusse die Segel gestrichen. Wir übten
hier also nur pflichtmässige Seepolizei. Die Spannung war gross,
aber bei Manchem gewiss nicht ohne Beimischung von peinlichem
Gefühl, denn so nützlich und wünschenswerth es scheint, solch
ruchloses Gesindel aus der Welt zu schaffen, so ist es doch kein
angenehmes Amt, wehrlose Verbrecher zur Strafe zu ziehen.
Einen Kampf durfte man es nicht nennen, denn gegen unsere Acht-
undsechszigpfünder konnten sich die Räuber nicht wehren, und ein
Bootsangriff, der bei Verfolgung der grösseren Dschunken in Aus-
sicht genommen wurde, musste der einbrechenden Nacht wegen
unterbleiben. -- Es war ein herrlicher Nachmittag, wie man ihn
nur an den Grenzen der Tropen erlebt, das Firmament glänzend in
mildem Blau, die See leicht gekräuselt. Das majestätische Schiff
legte sich unter einer Last von Segeln in die Brise und glitt ohne
Schwankung über die purpurblaue Fläche. Man hörte deutlich das
sausende Pfeifen und Brummen jeder Kugel, und wo sie einschlug

Die Verfolgung aufgegeben. II.
die mit aller Macht zu rudern anfingen, langsamer auf als man
erwartete. Die Sonne senkte sich schon als wir in Schussweite
kamen, und der Wind wurde immer schwächer. Der Capitän liess
aus dem grossen Pivotgeschütz am Buge Granaten werfen; einige
crepirten dicht über und hinter den Dschunken, welche unter
mächtigem Rudern in einen engen Canal zwischen zwei Felsinseln
liefen. In dieses unbekannte und gefährliche Fahrwasser durfte
ihnen die Fregatte nicht folgen, zumal bei einbrechender Nacht, —
so wurde denn gegen Sonnenuntergang abgeschlagen und Cours
gesteuert. — Wir kamen erst spät Abends zum Mittagsessen, denn
sobald der Generalmarsch ertönt, müssen alle Feuer gelöscht
werden.

So war denn der Tag ohne blutige Erfolge vergangen — die
Aufregung wich einer nüchternen Abspannung. Wir schwatzten
bis tief in die Nacht, — Jeder hatte seine Ansichten, Wünsche,
Vermuthungen, namentlich über die räthselhafte Begegnung am
Morgen. Es wäre dem Commandanten ein leichtes gewesen die
grosse Dschunke zum Streichen der Segel zu zwingen, aber was
konnte bei einer Untersuchung ohne Dolmetscher herauskommen? Sie
anzugreifen, lag keine Veranlassung vor. Die Nachmittags gejagten
vier Dschunken aber waren gleichsam auf der That ertappt —
der »Oriental«, so hiess die englische Brig, verlor sie seit ihrem
Angriff nicht aus den Augen — und hätten bei gutem Gewissen
wohl nach dem ersten Schusse die Segel gestrichen. Wir übten
hier also nur pflichtmässige Seepolizei. Die Spannung war gross,
aber bei Manchem gewiss nicht ohne Beimischung von peinlichem
Gefühl, denn so nützlich und wünschenswerth es scheint, solch
ruchloses Gesindel aus der Welt zu schaffen, so ist es doch kein
angenehmes Amt, wehrlose Verbrecher zur Strafe zu ziehen.
Einen Kampf durfte man es nicht nennen, denn gegen unsere Acht-
undsechszigpfünder konnten sich die Räuber nicht wehren, und ein
Bootsangriff, der bei Verfolgung der grösseren Dschunken in Aus-
sicht genommen wurde, musste der einbrechenden Nacht wegen
unterbleiben. — Es war ein herrlicher Nachmittag, wie man ihn
nur an den Grenzen der Tropen erlebt, das Firmament glänzend in
mildem Blau, die See leicht gekräuselt. Das majestätische Schiff
legte sich unter einer Last von Segeln in die Brise und glitt ohne
Schwankung über die purpurblaue Fläche. Man hörte deutlich das
sausende Pfeifen und Brummen jeder Kugel, und wo sie einschlug

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[238/0268] Die Verfolgung aufgegeben. II. die mit aller Macht zu rudern anfingen, langsamer auf als man erwartete. Die Sonne senkte sich schon als wir in Schussweite kamen, und der Wind wurde immer schwächer. Der Capitän liess aus dem grossen Pivotgeschütz am Buge Granaten werfen; einige crepirten dicht über und hinter den Dschunken, welche unter mächtigem Rudern in einen engen Canal zwischen zwei Felsinseln liefen. In dieses unbekannte und gefährliche Fahrwasser durfte ihnen die Fregatte nicht folgen, zumal bei einbrechender Nacht, — so wurde denn gegen Sonnenuntergang abgeschlagen und Cours gesteuert. — Wir kamen erst spät Abends zum Mittagsessen, denn sobald der Generalmarsch ertönt, müssen alle Feuer gelöscht werden. So war denn der Tag ohne blutige Erfolge vergangen — die Aufregung wich einer nüchternen Abspannung. Wir schwatzten bis tief in die Nacht, — Jeder hatte seine Ansichten, Wünsche, Vermuthungen, namentlich über die räthselhafte Begegnung am Morgen. Es wäre dem Commandanten ein leichtes gewesen die grosse Dschunke zum Streichen der Segel zu zwingen, aber was konnte bei einer Untersuchung ohne Dolmetscher herauskommen? Sie anzugreifen, lag keine Veranlassung vor. Die Nachmittags gejagten vier Dschunken aber waren gleichsam auf der That ertappt — der »Oriental«, so hiess die englische Brig, verlor sie seit ihrem Angriff nicht aus den Augen — und hätten bei gutem Gewissen wohl nach dem ersten Schusse die Segel gestrichen. Wir übten hier also nur pflichtmässige Seepolizei. Die Spannung war gross, aber bei Manchem gewiss nicht ohne Beimischung von peinlichem Gefühl, denn so nützlich und wünschenswerth es scheint, solch ruchloses Gesindel aus der Welt zu schaffen, so ist es doch kein angenehmes Amt, wehrlose Verbrecher zur Strafe zu ziehen. Einen Kampf durfte man es nicht nennen, denn gegen unsere Acht- undsechszigpfünder konnten sich die Räuber nicht wehren, und ein Bootsangriff, der bei Verfolgung der grösseren Dschunken in Aus- sicht genommen wurde, musste der einbrechenden Nacht wegen unterbleiben. — Es war ein herrlicher Nachmittag, wie man ihn nur an den Grenzen der Tropen erlebt, das Firmament glänzend in mildem Blau, die See leicht gekräuselt. Das majestätische Schiff legte sich unter einer Last von Segeln in die Brise und glitt ohne Schwankung über die purpurblaue Fläche. Man hörte deutlich das sausende Pfeifen und Brummen jeder Kugel, und wo sie einschlug

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/268>, abgerufen am 24.11.2024.