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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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II. Thiere an Bord. Die Ziege der Thetis. Sonntag.
meist munter und guter Dinge sind. Im Dienst und bei den Ex-
ercitien geht es streng her, aber bei den Arbeiten darf -- mit
Maassen -- geschwatzt werden, manch derber Spass erregt die
allgemeine Heiterkeit, und gutmüthiger Schabernak ist an der Tages-
ordnung. Etwas handfest und klobig sind ihre Scherze und Ver-
gnügungen: so pflegten auf der Thetis die Schiffsjungen Paar oder
Unpaar um Ohrfeigen zu spielen. Wer verlor, musste die Backe
hinhalten; jeder schlug immer derber zu als der andere und zuletzt
standen sie auf mit verschwollenen rothen Gesichtern und schwim-
menden Augen. -- Mit den an Bord befindlichen Thieren balgen
und necken sich die Matrosen unermüdlich herum, und sorgen oft
mit Aufopferung für sie; fast alle Thiere werden zahm auf langen
Seereisen. Auf der Thetis war -- neben vielen in Anyer und Singa-
pore
gekauften Affen und Papageien -- eine Ziege der allgemeine
Liebling, welche ursprünglich ihrer Milch wegen einst in West-Indien
an Bord genommen war und nun schon seit lange das Gnadenbrod
erhielt, ein munteres neckisches Thier, das in der Batterie frei
umherlief und mit Jedem anband. Sie frass dem Zimmermann die
Hobelspähne fort und hatte sich ihrer natürlichen Nahrung ganz
entwöhnt. Als später die Thetis vor Yeddo lag, schickte Capitän
Jachmann sie zur Erholung an das Land; -- sie verschmähte aber
alles Gras und grüne Futter, riss uns dagegen die papiernen
Scheiben in grossen Fetzen von den Fenstern, und wurde krank,
als man sie auf dem Rasen anband; an Bord erholte sie sich bald
wieder.

Sonntag Nachmittags von zwei bis vier pflegten die Matrosen
der Thetis auf Deck und im Zwischendeck zu tanzen, wozu einige
mit Fiedeln und Pfeifen aufspielten; der Tanz wird mit wahrer
Leidenschaft betrieben, manche sind sehr geschickt und der Jubel
so gross, wie auf der ausgelassensten Kirchweih. Musik ist das
beste Mittel, um auf langen Reisen die gute Stimmung zu erhalten;
die vaterländischen Klänge erregen und besänftigen zugleich das
Heimweh des Wanderers, indem sie seinem Bedürfniss Ausdruck
verleihen. Es giebt nichts was auf weiten Seefahrten die Lebens-
geister so erfrischte, nichts was den Geist so kräftig aus der
Lethargie aufrüttelte, in welche ihn das ewige Einerlei des Lebens
und der Gesellschaft versinken lässt. Abspannung und Langeweile
sind die grössten Feinde des Seemannes; die Commandeure sehen
es daher am liebsten, wenn die Matrosen sich selbst beschäftigen,

II. Thiere an Bord. Die Ziege der Thetis. Sonntag.
meist munter und guter Dinge sind. Im Dienst und bei den Ex-
ercitien geht es streng her, aber bei den Arbeiten darf — mit
Maassen — geschwatzt werden, manch derber Spass erregt die
allgemeine Heiterkeit, und gutmüthiger Schabernak ist an der Tages-
ordnung. Etwas handfest und klobig sind ihre Scherze und Ver-
gnügungen: so pflegten auf der Thetis die Schiffsjungen Paar oder
Unpaar um Ohrfeigen zu spielen. Wer verlor, musste die Backe
hinhalten; jeder schlug immer derber zu als der andere und zuletzt
standen sie auf mit verschwollenen rothen Gesichtern und schwim-
menden Augen. — Mit den an Bord befindlichen Thieren balgen
und necken sich die Matrosen unermüdlich herum, und sorgen oft
mit Aufopferung für sie; fast alle Thiere werden zahm auf langen
Seereisen. Auf der Thetis war — neben vielen in Anyer und Singa-
pore
gekauften Affen und Papageien — eine Ziege der allgemeine
Liebling, welche ursprünglich ihrer Milch wegen einst in West-Indien
an Bord genommen war und nun schon seit lange das Gnadenbrod
erhielt, ein munteres neckisches Thier, das in der Batterie frei
umherlief und mit Jedem anband. Sie frass dem Zimmermann die
Hobelspähne fort und hatte sich ihrer natürlichen Nahrung ganz
entwöhnt. Als später die Thetis vor Yeddo lag, schickte Capitän
Jachmann sie zur Erholung an das Land; — sie verschmähte aber
alles Gras und grüne Futter, riss uns dagegen die papiernen
Scheiben in grossen Fetzen von den Fenstern, und wurde krank,
als man sie auf dem Rasen anband; an Bord erholte sie sich bald
wieder.

Sonntag Nachmittags von zwei bis vier pflegten die Matrosen
der Thetis auf Deck und im Zwischendeck zu tanzen, wozu einige
mit Fiedeln und Pfeifen aufspielten; der Tanz wird mit wahrer
Leidenschaft betrieben, manche sind sehr geschickt und der Jubel
so gross, wie auf der ausgelassensten Kirchweih. Musik ist das
beste Mittel, um auf langen Reisen die gute Stimmung zu erhalten;
die vaterländischen Klänge erregen und besänftigen zugleich das
Heimweh des Wanderers, indem sie seinem Bedürfniss Ausdruck
verleihen. Es giebt nichts was auf weiten Seefahrten die Lebens-
geister so erfrischte, nichts was den Geist so kräftig aus der
Lethargie aufrüttelte, in welche ihn das ewige Einerlei des Lebens
und der Gesellschaft versinken lässt. Abspannung und Langeweile
sind die grössten Feinde des Seemannes; die Commandeure sehen
es daher am liebsten, wenn die Matrosen sich selbst beschäftigen,

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[229/0259] II. Thiere an Bord. Die Ziege der Thetis. Sonntag. meist munter und guter Dinge sind. Im Dienst und bei den Ex- ercitien geht es streng her, aber bei den Arbeiten darf — mit Maassen — geschwatzt werden, manch derber Spass erregt die allgemeine Heiterkeit, und gutmüthiger Schabernak ist an der Tages- ordnung. Etwas handfest und klobig sind ihre Scherze und Ver- gnügungen: so pflegten auf der Thetis die Schiffsjungen Paar oder Unpaar um Ohrfeigen zu spielen. Wer verlor, musste die Backe hinhalten; jeder schlug immer derber zu als der andere und zuletzt standen sie auf mit verschwollenen rothen Gesichtern und schwim- menden Augen. — Mit den an Bord befindlichen Thieren balgen und necken sich die Matrosen unermüdlich herum, und sorgen oft mit Aufopferung für sie; fast alle Thiere werden zahm auf langen Seereisen. Auf der Thetis war — neben vielen in Anyer und Singa- pore gekauften Affen und Papageien — eine Ziege der allgemeine Liebling, welche ursprünglich ihrer Milch wegen einst in West-Indien an Bord genommen war und nun schon seit lange das Gnadenbrod erhielt, ein munteres neckisches Thier, das in der Batterie frei umherlief und mit Jedem anband. Sie frass dem Zimmermann die Hobelspähne fort und hatte sich ihrer natürlichen Nahrung ganz entwöhnt. Als später die Thetis vor Yeddo lag, schickte Capitän Jachmann sie zur Erholung an das Land; — sie verschmähte aber alles Gras und grüne Futter, riss uns dagegen die papiernen Scheiben in grossen Fetzen von den Fenstern, und wurde krank, als man sie auf dem Rasen anband; an Bord erholte sie sich bald wieder. Sonntag Nachmittags von zwei bis vier pflegten die Matrosen der Thetis auf Deck und im Zwischendeck zu tanzen, wozu einige mit Fiedeln und Pfeifen aufspielten; der Tanz wird mit wahrer Leidenschaft betrieben, manche sind sehr geschickt und der Jubel so gross, wie auf der ausgelassensten Kirchweih. Musik ist das beste Mittel, um auf langen Reisen die gute Stimmung zu erhalten; die vaterländischen Klänge erregen und besänftigen zugleich das Heimweh des Wanderers, indem sie seinem Bedürfniss Ausdruck verleihen. Es giebt nichts was auf weiten Seefahrten die Lebens- geister so erfrischte, nichts was den Geist so kräftig aus der Lethargie aufrüttelte, in welche ihn das ewige Einerlei des Lebens und der Gesellschaft versinken lässt. Abspannung und Langeweile sind die grössten Feinde des Seemannes; die Commandeure sehen es daher am liebsten, wenn die Matrosen sich selbst beschäftigen,

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/259>, abgerufen am 28.11.2024.