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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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II. Mann über Bord. Windstille.
so schnell dieses Manöver auch ging, so schwamm der Matrose, der
eine der ausgeworfenen Rettungsbojen erfasst hatte, doch schon
mehrere Kabellängen hinter uns. Das Boot erreichte ihn glücklich
vor einem Angriff der Haifische, von denen diese Meere wimmeln,
und er kam mit einem angenehmen Bade, wir diesmal mit dem
Schreck davon. Gewöhnlich geht es nicht so glücklich, denn nur
wenige Matrosen können schwimmen, und die Haifische folgen gern
im Kielwasser der Schiffe. -- Um vier Uhr passirten wir den
Leuchtthurm von Pedra blanca, den die Engländer am östlichen
Eingange der Strasse von Singapore erbaut haben, und liefen in die
chinesische See ein.

Am dreizehnten waren die Anamba-Inseln in Sicht. Der13. August.
Südwestwind wurde immer schwächer und starb am folgenden Tage
ganz weg. Den vierzehnten war es todtenstill, und blieb so mit
geringer Unterbrechung durch leichte Brisen bis zum 18. September.
Die Sonne schoss glühende Strahlen; man beobachtete auf Deck
im Schatten bis 40°C., und an den kühlsten Stellen in der
Batterie 30°C.; der geschmolzene Theer thaute in dicken schwarzen
Tropfen von der Takelage, und die Existenz auf dem Schiffe war
keine paradiesische. Am besten ging es noch den Passagieren.
Legationssecretär Pieschel hatte einen Theil der Capitänscajüte inne,
und die anderen bewohnten zu zweien luftige Kammern in der
Batterie, welche für sie aufgeschlagen waren. Diese hatten als
Fenster jede eine breite Stückpforte, welche Tag und Nacht offen
blieb, und doch liess sich kein merklicher Luftzug herstellen. Die
Kammern der Officiere und Beamten aber liegen ein Stockwerk tiefer,
im Zwischendeck, und haben als Fenster nur ein sogenanntes Ochsen-
auge, ein rundes Loch von etwa fünf Zoll Durchmesser, das bei dem
geringsten Seegange hermetisch verschlossen werden muss. Hier
und in den ebenfalls im Zwischendeck liegenden Messräumen der
Officiere und Cadetten wurde der Aufenthalt zu Zeiten ganz un-
leidlich, besonders beim Mittagessen. Diese Unbequemlichkeit ist
eine nothwendige, denn der Kampfbereitschaft des Schiffes, welche
ein Freibleiben des Batteriedeckes für die Geschützmanöver for-
dert, muss jede andere Rücksicht weichen. Der Seemann ist von
Jugend auf an alle Entbehrungen des Kriegsschiffslebens gewöhnt,
aber der Reisende empfindet sie schwer; so wurden besonders den
neu hinzugekommenen Passagieren die spärlichen Wasserrationen --
ein und ein halbes Quart täglich zum Waschen und Trinken -- bei

II. Mann über Bord. Windstille.
so schnell dieses Manöver auch ging, so schwamm der Matrose, der
eine der ausgeworfenen Rettungsbojen erfasst hatte, doch schon
mehrere Kabellängen hinter uns. Das Boot erreichte ihn glücklich
vor einem Angriff der Haifische, von denen diese Meere wimmeln,
und er kam mit einem angenehmen Bade, wir diesmal mit dem
Schreck davon. Gewöhnlich geht es nicht so glücklich, denn nur
wenige Matrosen können schwimmen, und die Haifische folgen gern
im Kielwasser der Schiffe. — Um vier Uhr passirten wir den
Leuchtthurm von Pedra blanca, den die Engländer am östlichen
Eingange der Strasse von Singapore erbaut haben, und liefen in die
chinesische See ein.

Am dreizehnten waren die Anamba-Inseln in Sicht. Der13. August.
Südwestwind wurde immer schwächer und starb am folgenden Tage
ganz weg. Den vierzehnten war es todtenstill, und blieb so mit
geringer Unterbrechung durch leichte Brisen bis zum 18. September.
Die Sonne schoss glühende Strahlen; man beobachtete auf Deck
im Schatten bis 40°C., und an den kühlsten Stellen in der
Batterie 30°C.; der geschmolzene Theer thaute in dicken schwarzen
Tropfen von der Takelage, und die Existenz auf dem Schiffe war
keine paradiesische. Am besten ging es noch den Passagieren.
Legationssecretär Pieschel hatte einen Theil der Capitänscajüte inne,
und die anderen bewohnten zu zweien luftige Kammern in der
Batterie, welche für sie aufgeschlagen waren. Diese hatten als
Fenster jede eine breite Stückpforte, welche Tag und Nacht offen
blieb, und doch liess sich kein merklicher Luftzug herstellen. Die
Kammern der Officiere und Beamten aber liegen ein Stockwerk tiefer,
im Zwischendeck, und haben als Fenster nur ein sogenanntes Ochsen-
auge, ein rundes Loch von etwa fünf Zoll Durchmesser, das bei dem
geringsten Seegange hermetisch verschlossen werden muss. Hier
und in den ebenfalls im Zwischendeck liegenden Messräumen der
Officiere und Cadetten wurde der Aufenthalt zu Zeiten ganz un-
leidlich, besonders beim Mittagessen. Diese Unbequemlichkeit ist
eine nothwendige, denn der Kampfbereitschaft des Schiffes, welche
ein Freibleiben des Batteriedeckes für die Geschützmanöver for-
dert, muss jede andere Rücksicht weichen. Der Seemann ist von
Jugend auf an alle Entbehrungen des Kriegsschiffslebens gewöhnt,
aber der Reisende empfindet sie schwer; so wurden besonders den
neu hinzugekommenen Passagieren die spärlichen Wasserrationen —
ein und ein halbes Quart täglich zum Waschen und Trinken — bei

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[219/0249] II. Mann über Bord. Windstille. so schnell dieses Manöver auch ging, so schwamm der Matrose, der eine der ausgeworfenen Rettungsbojen erfasst hatte, doch schon mehrere Kabellängen hinter uns. Das Boot erreichte ihn glücklich vor einem Angriff der Haifische, von denen diese Meere wimmeln, und er kam mit einem angenehmen Bade, wir diesmal mit dem Schreck davon. Gewöhnlich geht es nicht so glücklich, denn nur wenige Matrosen können schwimmen, und die Haifische folgen gern im Kielwasser der Schiffe. — Um vier Uhr passirten wir den Leuchtthurm von Pedra blanca, den die Engländer am östlichen Eingange der Strasse von Singapore erbaut haben, und liefen in die chinesische See ein. Am dreizehnten waren die Anamba-Inseln in Sicht. Der Südwestwind wurde immer schwächer und starb am folgenden Tage ganz weg. Den vierzehnten war es todtenstill, und blieb so mit geringer Unterbrechung durch leichte Brisen bis zum 18. September. Die Sonne schoss glühende Strahlen; man beobachtete auf Deck im Schatten bis 40°C., und an den kühlsten Stellen in der Batterie 30°C.; der geschmolzene Theer thaute in dicken schwarzen Tropfen von der Takelage, und die Existenz auf dem Schiffe war keine paradiesische. Am besten ging es noch den Passagieren. Legationssecretär Pieschel hatte einen Theil der Capitänscajüte inne, und die anderen bewohnten zu zweien luftige Kammern in der Batterie, welche für sie aufgeschlagen waren. Diese hatten als Fenster jede eine breite Stückpforte, welche Tag und Nacht offen blieb, und doch liess sich kein merklicher Luftzug herstellen. Die Kammern der Officiere und Beamten aber liegen ein Stockwerk tiefer, im Zwischendeck, und haben als Fenster nur ein sogenanntes Ochsen- auge, ein rundes Loch von etwa fünf Zoll Durchmesser, das bei dem geringsten Seegange hermetisch verschlossen werden muss. Hier und in den ebenfalls im Zwischendeck liegenden Messräumen der Officiere und Cadetten wurde der Aufenthalt zu Zeiten ganz un- leidlich, besonders beim Mittagessen. Diese Unbequemlichkeit ist eine nothwendige, denn der Kampfbereitschaft des Schiffes, welche ein Freibleiben des Batteriedeckes für die Geschützmanöver for- dert, muss jede andere Rücksicht weichen. Der Seemann ist von Jugend auf an alle Entbehrungen des Kriegsschiffslebens gewöhnt, aber der Reisende empfindet sie schwer; so wurden besonders den neu hinzugekommenen Passagieren die spärlichen Wasserrationen — ein und ein halbes Quart täglich zum Waschen und Trinken — bei 13. August.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/249>, abgerufen am 24.11.2024.