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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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I. Der Opiumverbrauch.
unsere Bitte ihre Production: Musik und Gesang waren sehr trüb-
selig, mager und eintönig, und der Tanz bestand in einem ab-
wechselnden Vorschieben und Beugen des rechten und linken Knies,
wobei die Tänzerinnen langsam vorschritten und bald den rechten,
bald den linken Arm emporhoben, wie ein Schulknabe der ein
Gedicht declamirt. Sie machten alle Bewegungen gleichzeitig und
tanzten dicht neben einander, das Gesicht nach dem Grunde des
Gemaches gewendet, wo einige Stufen zu einem kleineren Raum
hinanführten: dort stand, matt beleuchtet, ein Tisch mit künstlichen
Blumen, Muscheln und allerlei Niedlichkeiten. Den Reisenden wurde
der Eintritt in dieses Gemach nicht gestattet, und zwar, wie ein
französisch radebrechender Inder erklärte, "parce-que c'est mon
dieu"
. Offenbar war der Tanz eine gottesdienstliche Handlung, --
dass er aber erhebend gewesen wäre lässt sich nicht behaupten,
und reizend war er gewiss nicht. Welchem Stamme die Tänzerinnen
angehörten konnten die Reisenden nicht herausbringen, wohl aber,
dass sie sich mit dem Tanzen Geld verdienten. Den Malabarinnen,
welche sich durch weiche üppige Formen, durch geschmeidige
Glieder und feurige Augen auszeichnen, glichen sie durchaus nicht;
sie hätten weit eher für Malaiinnen gelten können. Die ganze Scene
war über die Maassen trübselig und langweilig, und von der eben
verlassenen im chinesischen Theater grundverschieden. Für den
Europäer ist es gleich räthselhaft, wie man an den grellen fratzen-
haften Uebertreibungen der Chinesen oder an diesen abgemessenen
eckigen Tänzen, an der mystisch trüben, traumhaften Stimmung
solcher Auftritte Behagen und Erholung finden kann. Was würden
freilich Chinesen und Inder wohl zu unseren Ballfesten sagen?

Wir wollten an demselben Abend noch eine Opiumbude be-
suchen, fanden sie aber alle geschlossen. Der Verbrauch des
Opium ist grade in Singapore, wo es wenig Frauen giebt, ungemein
stark und bringt der Regierung grosse Summen ein. Das Verkaufs-
recht war früher an drei Chinesen verpachtet gewesen, welche
20,000 Dollar monatlich dafür zahlten, aber nach Ablauf ihrer
Pachtzeit an eine Gesellschaft von hundert Personen gekommen,
welche 30,000 Dollar gaben 3). Die neuen Pächter machten an-
fangs schlechte Geschäfte, und merkten bald, dass die früheren
Händler, welche das Privilegium verloren hatten, im Stillen mit dem
Opiumverkaufe fortfuhren. Die Polizei versuchte die heimlichen

3) Diese Angaben klingen unglaublich, rühren aber von competenter Seite her.
I. 14

I. Der Opiumverbrauch.
unsere Bitte ihre Production: Musik und Gesang waren sehr trüb-
selig, mager und eintönig, und der Tanz bestand in einem ab-
wechselnden Vorschieben und Beugen des rechten und linken Knies,
wobei die Tänzerinnen langsam vorschritten und bald den rechten,
bald den linken Arm emporhoben, wie ein Schulknabe der ein
Gedicht declamirt. Sie machten alle Bewegungen gleichzeitig und
tanzten dicht neben einander, das Gesicht nach dem Grunde des
Gemaches gewendet, wo einige Stufen zu einem kleineren Raum
hinanführten: dort stand, matt beleuchtet, ein Tisch mit künstlichen
Blumen, Muscheln und allerlei Niedlichkeiten. Den Reisenden wurde
der Eintritt in dieses Gemach nicht gestattet, und zwar, wie ein
französisch radebrechender Inder erklärte, »parce-que c’est mon
dieu«
. Offenbar war der Tanz eine gottesdienstliche Handlung, —
dass er aber erhebend gewesen wäre lässt sich nicht behaupten,
und reizend war er gewiss nicht. Welchem Stamme die Tänzerinnen
angehörten konnten die Reisenden nicht herausbringen, wohl aber,
dass sie sich mit dem Tanzen Geld verdienten. Den Malabarinnen,
welche sich durch weiche üppige Formen, durch geschmeidige
Glieder und feurige Augen auszeichnen, glichen sie durchaus nicht;
sie hätten weit eher für Malaiinnen gelten können. Die ganze Scene
war über die Maassen trübselig und langweilig, und von der eben
verlassenen im chinesischen Theater grundverschieden. Für den
Europäer ist es gleich räthselhaft, wie man an den grellen fratzen-
haften Uebertreibungen der Chinesen oder an diesen abgemessenen
eckigen Tänzen, an der mystisch trüben, traumhaften Stimmung
solcher Auftritte Behagen und Erholung finden kann. Was würden
freilich Chinesen und Inder wohl zu unseren Ballfesten sagen?

Wir wollten an demselben Abend noch eine Opiumbude be-
suchen, fanden sie aber alle geschlossen. Der Verbrauch des
Opium ist grade in Singapore, wo es wenig Frauen giebt, ungemein
stark und bringt der Regierung grosse Summen ein. Das Verkaufs-
recht war früher an drei Chinesen verpachtet gewesen, welche
20,000 Dollar monatlich dafür zahlten, aber nach Ablauf ihrer
Pachtzeit an eine Gesellschaft von hundert Personen gekommen,
welche 30,000 Dollar gaben 3). Die neuen Pächter machten an-
fangs schlechte Geschäfte, und merkten bald, dass die früheren
Händler, welche das Privilegium verloren hatten, im Stillen mit dem
Opiumverkaufe fortfuhren. Die Polizei versuchte die heimlichen

3) Diese Angaben klingen unglaublich, rühren aber von competenter Seite her.
I. 14
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[209/0239] I. Der Opiumverbrauch. unsere Bitte ihre Production: Musik und Gesang waren sehr trüb- selig, mager und eintönig, und der Tanz bestand in einem ab- wechselnden Vorschieben und Beugen des rechten und linken Knies, wobei die Tänzerinnen langsam vorschritten und bald den rechten, bald den linken Arm emporhoben, wie ein Schulknabe der ein Gedicht declamirt. Sie machten alle Bewegungen gleichzeitig und tanzten dicht neben einander, das Gesicht nach dem Grunde des Gemaches gewendet, wo einige Stufen zu einem kleineren Raum hinanführten: dort stand, matt beleuchtet, ein Tisch mit künstlichen Blumen, Muscheln und allerlei Niedlichkeiten. Den Reisenden wurde der Eintritt in dieses Gemach nicht gestattet, und zwar, wie ein französisch radebrechender Inder erklärte, »parce-que c’est mon dieu«. Offenbar war der Tanz eine gottesdienstliche Handlung, — dass er aber erhebend gewesen wäre lässt sich nicht behaupten, und reizend war er gewiss nicht. Welchem Stamme die Tänzerinnen angehörten konnten die Reisenden nicht herausbringen, wohl aber, dass sie sich mit dem Tanzen Geld verdienten. Den Malabarinnen, welche sich durch weiche üppige Formen, durch geschmeidige Glieder und feurige Augen auszeichnen, glichen sie durchaus nicht; sie hätten weit eher für Malaiinnen gelten können. Die ganze Scene war über die Maassen trübselig und langweilig, und von der eben verlassenen im chinesischen Theater grundverschieden. Für den Europäer ist es gleich räthselhaft, wie man an den grellen fratzen- haften Uebertreibungen der Chinesen oder an diesen abgemessenen eckigen Tänzen, an der mystisch trüben, traumhaften Stimmung solcher Auftritte Behagen und Erholung finden kann. Was würden freilich Chinesen und Inder wohl zu unseren Ballfesten sagen? Wir wollten an demselben Abend noch eine Opiumbude be- suchen, fanden sie aber alle geschlossen. Der Verbrauch des Opium ist grade in Singapore, wo es wenig Frauen giebt, ungemein stark und bringt der Regierung grosse Summen ein. Das Verkaufs- recht war früher an drei Chinesen verpachtet gewesen, welche 20,000 Dollar monatlich dafür zahlten, aber nach Ablauf ihrer Pachtzeit an eine Gesellschaft von hundert Personen gekommen, welche 30,000 Dollar gaben 3). Die neuen Pächter machten an- fangs schlechte Geschäfte, und merkten bald, dass die früheren Händler, welche das Privilegium verloren hatten, im Stillen mit dem Opiumverkaufe fortfuhren. Die Polizei versuchte die heimlichen 3) Diese Angaben klingen unglaublich, rühren aber von competenter Seite her. I. 14

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/239>, abgerufen am 06.05.2024.