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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Erwiederung der japanischen Regierung.
wurde zwar mit allen Lebensbedürfnissen versehen, aber auf das
strengste beaufsichtigt. Der holländische Handelsvorsteher Doeff,
welcher die japanischen Beamten bei ihren ersten Besuchen an Bord
begleitet hatte, durfte seitdem nur schriftlich mit ihm verkehren;
alle seine Briefe und Sendungen gingen durch die Hände der japani-
schen Dolmetscher und wurden genau controllirt. -- Endlich kam die
Antwort aus Yeddo; Resanoff wurde in der Sänfte des holländischen
Handelsvorstehers zur Audienz bei dem Statthalter geführt. In den
Strassen, welche der Zug passirte, waren alle Häuser geschlossen
und verhängt, die Seitenstrassen abgesperrt, keine Menschenseele
zu sehen. In dieser ersten Zusammenkunft hatte der Gesandte nur
einige Fragen in Betreff des überbrachten Schreibens zu beant-
worten; in der zweiten, Tages darauf, erhielt er eine schriftliche
Entgegnung in holländischer Sprache, die mit weitläufiger Ausein-
andersetzung der Gründe jeden Verkehr ablehnte159). Die kaiser-
lichen Geschenke mussten wieder eingeschifft werden160), auch wiesen

gesteigerte Verstimmung des Statthalters, denn Anfangs war die Rede davon, einen
Tempel für ihn einzurichten oder ihn nach dem Wunsche des Factoreivorstehers auf
Desima unterzubringen. S. Doeff Herinneringen uit Japan. Amsterdam 1833.
159) In dieser Entgegnung ist gesagt, dass in früheren Jahren Japan viel mit
anderen Nationen verkehrt, die Regierung aber nach den gemachten Erfahrungen
den Verkehr streng verboten habe. Nur die Bewohner von Liu-kiu, Korea und
China, und von Europäern die Holländer würden noch zugelassen, und auch diese
jetzt nicht mehr des Gewinnes halber, sondern weil man es ihnen in alter Zeit aus
besonderen Gründen zugestanden habe. Dies sei mit den Russen nicht der Fall.
Ihre wiederholten Versuche, den Verkehr anzuknüpfen, zeigten wohl, wie sehr ihnen
darum zu thun sei. So gern nun auch Japan mit seinen Nachbarn Freundschaft
halten wolle, so sei doch der gewünschte Handelsverkehr nicht zulässig, weil die
Sitten und Gewohnheiten beider Völker zu verschieden seien, weil die Japaner die
Erzeugnisse fremder Länder nicht brauchten, weil durch die Ausfuhr der japanischen
Producte Mangel im Lande entstehen würde, weil der Handel eine Menge Fremde
geringen Standes nach Japan bringen würde, welche nur aus Gewinnsucht kämen.
Diese würden die japanischen Gesetze übertreten, Unordnung und Unfrieden in das
Land bringen und die Verwaltung erschweren. Der Verkehr sei mit den alten Landes-
gesetzen unvereinbar, und diese könnten nicht geändert werden. -- Das Document
wurde den Russen in wörtlicher holländischer Uebersetzung mitgetheilt. Doeff, dessen
Hülfe der Statthalter in Anspruch nahm, durfte kein sinnerklärendes Wort, keine Inter-
punctation hinzufügen, um die Satzverbindung deutlich zu machen. Die Uebersetzung
ging in Abschrift nach Yeddo und musste wörtlich sein, wenn es die Dolmetscher nicht
den Kopf kosten sollte -- da es ein kaiserliches Decret war. S. Doeff Herinneringen.
160) Nur der Ober-Aufpasser nahm einige Kleinigkeiten für sich an, um Resanoff
zur Entgegennahme der Geschenke zu bewegen, welche die Commissare aus Yeddo

Erwiederung der japanischen Regierung.
wurde zwar mit allen Lebensbedürfnissen versehen, aber auf das
strengste beaufsichtigt. Der holländische Handelsvorsteher Doeff,
welcher die japanischen Beamten bei ihren ersten Besuchen an Bord
begleitet hatte, durfte seitdem nur schriftlich mit ihm verkehren;
alle seine Briefe und Sendungen gingen durch die Hände der japani-
schen Dolmetscher und wurden genau controllirt. — Endlich kam die
Antwort aus Yeddo; Resanoff wurde in der Sänfte des holländischen
Handelsvorstehers zur Audienz bei dem Statthalter geführt. In den
Strassen, welche der Zug passirte, waren alle Häuser geschlossen
und verhängt, die Seitenstrassen abgesperrt, keine Menschenseele
zu sehen. In dieser ersten Zusammenkunft hatte der Gesandte nur
einige Fragen in Betreff des überbrachten Schreibens zu beant-
worten; in der zweiten, Tages darauf, erhielt er eine schriftliche
Entgegnung in holländischer Sprache, die mit weitläufiger Ausein-
andersetzung der Gründe jeden Verkehr ablehnte159). Die kaiser-
lichen Geschenke mussten wieder eingeschifft werden160), auch wiesen

gesteigerte Verstimmung des Statthalters, denn Anfangs war die Rede davon, einen
Tempel für ihn einzurichten oder ihn nach dem Wunsche des Factoreivorstehers auf
Desima unterzubringen. S. Doeff Herinneringen uit Japan. Amsterdam 1833.
159) In dieser Entgegnung ist gesagt, dass in früheren Jahren Japan viel mit
anderen Nationen verkehrt, die Regierung aber nach den gemachten Erfahrungen
den Verkehr streng verboten habe. Nur die Bewohner von Liu-kiu, Korea und
China, und von Europäern die Holländer würden noch zugelassen, und auch diese
jetzt nicht mehr des Gewinnes halber, sondern weil man es ihnen in alter Zeit aus
besonderen Gründen zugestanden habe. Dies sei mit den Russen nicht der Fall.
Ihre wiederholten Versuche, den Verkehr anzuknüpfen, zeigten wohl, wie sehr ihnen
darum zu thun sei. So gern nun auch Japan mit seinen Nachbarn Freundschaft
halten wolle, so sei doch der gewünschte Handelsverkehr nicht zulässig, weil die
Sitten und Gewohnheiten beider Völker zu verschieden seien, weil die Japaner die
Erzeugnisse fremder Länder nicht brauchten, weil durch die Ausfuhr der japanischen
Producte Mangel im Lande entstehen würde, weil der Handel eine Menge Fremde
geringen Standes nach Japan bringen würde, welche nur aus Gewinnsucht kämen.
Diese würden die japanischen Gesetze übertreten, Unordnung und Unfrieden in das
Land bringen und die Verwaltung erschweren. Der Verkehr sei mit den alten Landes-
gesetzen unvereinbar, und diese könnten nicht geändert werden. — Das Document
wurde den Russen in wörtlicher holländischer Uebersetzung mitgetheilt. Doeff, dessen
Hülfe der Statthalter in Anspruch nahm, durfte kein sinnerklärendes Wort, keine Inter-
punctation hinzufügen, um die Satzverbindung deutlich zu machen. Die Uebersetzung
ging in Abschrift nach Yeddo und musste wörtlich sein, wenn es die Dolmetscher nicht
den Kopf kosten sollte — da es ein kaiserliches Decret war. S. Doeff Herinneringen.
160) Nur der Ober-Aufpasser nahm einige Kleinigkeiten für sich an, um Resanoff
zur Entgegennahme der Geschenke zu bewegen, welche die Commissare aus Yeddo
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[158/0188] Erwiederung der japanischen Regierung. wurde zwar mit allen Lebensbedürfnissen versehen, aber auf das strengste beaufsichtigt. Der holländische Handelsvorsteher Doeff, welcher die japanischen Beamten bei ihren ersten Besuchen an Bord begleitet hatte, durfte seitdem nur schriftlich mit ihm verkehren; alle seine Briefe und Sendungen gingen durch die Hände der japani- schen Dolmetscher und wurden genau controllirt. — Endlich kam die Antwort aus Yeddo; Resanoff wurde in der Sänfte des holländischen Handelsvorstehers zur Audienz bei dem Statthalter geführt. In den Strassen, welche der Zug passirte, waren alle Häuser geschlossen und verhängt, die Seitenstrassen abgesperrt, keine Menschenseele zu sehen. In dieser ersten Zusammenkunft hatte der Gesandte nur einige Fragen in Betreff des überbrachten Schreibens zu beant- worten; in der zweiten, Tages darauf, erhielt er eine schriftliche Entgegnung in holländischer Sprache, die mit weitläufiger Ausein- andersetzung der Gründe jeden Verkehr ablehnte 159). Die kaiser- lichen Geschenke mussten wieder eingeschifft werden 160), auch wiesen 158) 159) In dieser Entgegnung ist gesagt, dass in früheren Jahren Japan viel mit anderen Nationen verkehrt, die Regierung aber nach den gemachten Erfahrungen den Verkehr streng verboten habe. Nur die Bewohner von Liu-kiu, Korea und China, und von Europäern die Holländer würden noch zugelassen, und auch diese jetzt nicht mehr des Gewinnes halber, sondern weil man es ihnen in alter Zeit aus besonderen Gründen zugestanden habe. Dies sei mit den Russen nicht der Fall. Ihre wiederholten Versuche, den Verkehr anzuknüpfen, zeigten wohl, wie sehr ihnen darum zu thun sei. So gern nun auch Japan mit seinen Nachbarn Freundschaft halten wolle, so sei doch der gewünschte Handelsverkehr nicht zulässig, weil die Sitten und Gewohnheiten beider Völker zu verschieden seien, weil die Japaner die Erzeugnisse fremder Länder nicht brauchten, weil durch die Ausfuhr der japanischen Producte Mangel im Lande entstehen würde, weil der Handel eine Menge Fremde geringen Standes nach Japan bringen würde, welche nur aus Gewinnsucht kämen. Diese würden die japanischen Gesetze übertreten, Unordnung und Unfrieden in das Land bringen und die Verwaltung erschweren. Der Verkehr sei mit den alten Landes- gesetzen unvereinbar, und diese könnten nicht geändert werden. — Das Document wurde den Russen in wörtlicher holländischer Uebersetzung mitgetheilt. Doeff, dessen Hülfe der Statthalter in Anspruch nahm, durfte kein sinnerklärendes Wort, keine Inter- punctation hinzufügen, um die Satzverbindung deutlich zu machen. Die Uebersetzung ging in Abschrift nach Yeddo und musste wörtlich sein, wenn es die Dolmetscher nicht den Kopf kosten sollte — da es ein kaiserliches Decret war. S. Doeff Herinneringen. 160) Nur der Ober-Aufpasser nahm einige Kleinigkeiten für sich an, um Resanoff zur Entgegennahme der Geschenke zu bewegen, welche die Commissare aus Yeddo 158) gesteigerte Verstimmung des Statthalters, denn Anfangs war die Rede davon, einen Tempel für ihn einzurichten oder ihn nach dem Wunsche des Factoreivorstehers auf Desima unterzubringen. S. Doeff Herinneringen uit Japan. Amsterdam 1833.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/188>, abgerufen am 03.05.2024.