[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.Das Leben der Siogun's. Die Kuge und Gege. Adel und Volk. Minute dauert und als die höchste Gnade angesehen wird, derenein Unterthan theilhaft werden kann. Alle, die sie genossen haben, sind berechtigt das Wappen des Kaiserhauses auf ihren Kleidern zu tragen. -- In früheren Zeiten scheinen die Siogun's nicht so einsam gelebt und namentlich die Jagd, welche noch heute ihr Regal im weiten Umkreise von Yeddo ist, eifrig geübt zu haben. Jetzt verlassen sie selten und nur mit grossem Gefolge den Palast; Herolde verkünden dann in den Strassen die Näherung des kaiser- lichen Zuges, alle Häuser werden geschlossen, Niemand darf sich sehen lassen; lautlose Stille herrscht auch im Gefolge des Siogun. Schweigen gilt überhaupt in Japan als Zeichen der Ehrerbietung, jeder Zuruf, jedes laute Wort vor einem Höheren ist Beleidigung -- die japanischen Grossen verlangen eben nur Ehrfurcht, keine Zustimmung. Die Sitte, vor dem Siogun die Häuser zu schliessen, ist schon alt: Caron erzählt, dass, wer den kaiserlichen Zug sehen wollte, in seiner Hausthüre auf einer Matte niederknieen musste. -- Im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts und besonders unter Tsuna-yosi ver- sank der Hof von Yeddo in Verweichlichung und tiefe Sittenlosigkeit. Yosi-mune stellte die gute Zucht her und brachte die längst ver- gessenen ritterlichen Uebungen wieder zu Ansehn, man übte sich in der Jagd, im Bogenschiessen, Carousselreiten, Fechten und Schwimmen; der Siogun selbst gab das Beispiel und theilte die Prämien aus. Seine Zeit wird als die glänzendste und glücklichste des modernen Japan gerühmt. Der Mikado steht als Göttersprössling mit seinem gesammten Das Leben der Siogun’s. Die Kuge und Gege. Adel und Volk. Minute dauert und als die höchste Gnade angesehen wird, derenein Unterthan theilhaft werden kann. Alle, die sie genossen haben, sind berechtigt das Wappen des Kaiserhauses auf ihren Kleidern zu tragen. — In früheren Zeiten scheinen die Siogun’s nicht so einsam gelebt und namentlich die Jagd, welche noch heute ihr Regal im weiten Umkreise von Yeddo ist, eifrig geübt zu haben. Jetzt verlassen sie selten und nur mit grossem Gefolge den Palast; Herolde verkünden dann in den Strassen die Näherung des kaiser- lichen Zuges, alle Häuser werden geschlossen, Niemand darf sich sehen lassen; lautlose Stille herrscht auch im Gefolge des Siogun. Schweigen gilt überhaupt in Japan als Zeichen der Ehrerbietung, jeder Zuruf, jedes laute Wort vor einem Höheren ist Beleidigung — die japanischen Grossen verlangen eben nur Ehrfurcht, keine Zustimmung. Die Sitte, vor dem Siogun die Häuser zu schliessen, ist schon alt: Caron erzählt, dass, wer den kaiserlichen Zug sehen wollte, in seiner Hausthüre auf einer Matte niederknieen musste. — Im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts und besonders unter Tsuna-yosi ver- sank der Hof von Yeddo in Verweichlichung und tiefe Sittenlosigkeit. Yosi-mune stellte die gute Zucht her und brachte die längst ver- gessenen ritterlichen Uebungen wieder zu Ansehn, man übte sich in der Jagd, im Bogenschiessen, Carousselreiten, Fechten und Schwimmen; der Siogun selbst gab das Beispiel und theilte die Prämien aus. Seine Zeit wird als die glänzendste und glücklichste des modernen Japan gerühmt. Der Mikado steht als Göttersprössling mit seinem gesammten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0144" n="114"/><fw place="top" type="header">Das Leben der <hi rendition="#k">Siogun</hi>’s. Die <hi rendition="#k">Kuge</hi> und <hi rendition="#k">Gege</hi>. 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Das Leben der Siogun’s. Die Kuge und Gege. Adel und Volk.
Minute dauert und als die höchste Gnade angesehen wird, deren
ein Unterthan theilhaft werden kann. Alle, die sie genossen haben,
sind berechtigt das Wappen des Kaiserhauses auf ihren Kleidern
zu tragen. — In früheren Zeiten scheinen die Siogun’s nicht so einsam
gelebt und namentlich die Jagd, welche noch heute ihr Regal
im weiten Umkreise von Yeddo ist, eifrig geübt zu haben. Jetzt
verlassen sie selten und nur mit grossem Gefolge den Palast;
Herolde verkünden dann in den Strassen die Näherung des kaiser-
lichen Zuges, alle Häuser werden geschlossen, Niemand darf sich
sehen lassen; lautlose Stille herrscht auch im Gefolge des Siogun.
Schweigen gilt überhaupt in Japan als Zeichen der Ehrerbietung,
jeder Zuruf, jedes laute Wort vor einem Höheren ist Beleidigung — die
japanischen Grossen verlangen eben nur Ehrfurcht, keine Zustimmung.
Die Sitte, vor dem Siogun die Häuser zu schliessen, ist schon alt:
Caron erzählt, dass, wer den kaiserlichen Zug sehen wollte, in
seiner Hausthüre auf einer Matte niederknieen musste. — Im Laufe
des siebzehnten Jahrhunderts und besonders unter Tsuna-yosi ver-
sank der Hof von Yeddo in Verweichlichung und tiefe Sittenlosigkeit.
Yosi-mune stellte die gute Zucht her und brachte die längst ver-
gessenen ritterlichen Uebungen wieder zu Ansehn, man übte sich
in der Jagd, im Bogenschiessen, Carousselreiten, Fechten und
Schwimmen; der Siogun selbst gab das Beispiel und theilte die
Prämien aus. Seine Zeit wird als die glänzendste und glücklichste
des modernen Japan gerühmt.
Der Mikado steht als Göttersprössling mit seinem gesammten
Hofstaat über allen Sterblichen; die gemeinsame Benennung dieser
Bevorzugten ist Kuge, alle anderen Japaner heissen Gege. Die
Gege zerfallen in den Adel und das Volk, welche wieder durch
unübersteigliche Schranken von einander geschieden sind. Die
Adligen heissen Samraï, Krieger; sie führen ihren Ursprung etwas
mythologisch auf die Leibwache des Dsin-Mu zurück und vindi-
ciren damit ihren Antheil an der göttlichen Abstammung, auf welche
sie die Rechte ihrer Stellung gründen. Die Spitze dieses Adels
sind der Siogun und die Daïmio’s als Grundherren des ganzen
Landes; der Siogun ist nur der reichste und mächtigste Daïmio,
welcher im Namen des Mikado alle übrigen beherrscht. Von den
68 Landschaften, in welche das eigentliche Japan (mit Einschluss
von Iki und Tsus-sima) zerfällt, gehören ihm fünf, alle übrigen
dem Lehnsadel. Es soll über 600 grössere und kleinere Herrschaften
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