Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Mar. Predig.
ben, und sich ein Bißchen drauf freuen; und der drit- "
te wirds nicht gläuben. Vielleicht werden sie denken,
sie haben uns vertilgt; sie werden denken, wie sie
hundert Jahr von den Böhmischen Brüdern gedacht
haben, es sind keine mehr. In dem point de vüe
müssen wirs ansehen: wenns darnach auf einmal nicht
wahr seyn wird, wenn sie sich darnach auf einmal wer-
den in ihrer Hoffnung betrogen finden, da sie gedacht
hatten, es wären keine Christen mehr; ja hernach kan
man leicht denken, was daraus entstehen wird. Es
wird das daraus entstehen, daß sie uns werden in
Ernst vertilgen wollen; und das wird nicht angehen,
da werden sie zu kurz langen.

Nun, liebe Geschwister! wir sehen aus dem gan-
zen Umstande und aus dem ganzen Zusammenhange,
daß das Sachen seyn, die, wann sie aufs allerschön-
ste geschehen, (wie sie denn geschehen werden) so ha-
ben sie gar nicht die geringste active connexion mit
unserer gegenwärtigen Führung, am allerwenigsten
aber mit der Bekehrung der Seelen. Hier ist Ge-
duld und Glaube der Heiligen.
Es kan mit
allen Herrlichkeiten bey uns nichts bewiesen wer-
den, man kan damit nicht, wie man zu sagen pflegt,
einen Hund aus dem Ofen hervorlokken, geschweige
eine Seele bekehren: denn zu dergleichen Sachen,
zu dergleichen Wahrheiten gehört ein Glaube, der
noch zweymal so stark ist, als der Glaube ans Blut
JEsu und an die Wunden-Herrlichkeit. Und es
wäre eine grosse Thorheit, wenn wir von dem Glau-
ben wolten anfangen: die Leute gläubten noch kei-
nen Heiland, der für sie gestorben wäre; und wir
gläubten, wir könten sie bekehren mit der Hoffnung
von seinem Reich. Das waren gute principia zur
Juden Zeit; das seyn gute principia für Republica-
ner, die unter einer Monarchie stehen, und wären
ihrer gern los, und jagten den Monarchen gern zum
Lande hinaus, und setzten sich an seine Stelle, und
gäben ihrer drey und zwanzigen oder dreyssigen in
die Hand, was einer hat, und liessen lieber funßig,
oder gar den Herrn Omnis, wie man zu sagen pflegt, "

" tyranni-

Mar. Predig.
ben, und ſich ein Bißchen drauf freuen; und der drit- ”
te wirds nicht glaͤuben. Vielleicht werden ſie denken,
ſie haben uns vertilgt; ſie werden denken, wie ſie
hundert Jahr von den Boͤhmiſchen Bruͤdern gedacht
haben, es ſind keine mehr. In dem point de vuͤe
muͤſſen wirs anſehen: wenns darnach auf einmal nicht
wahr ſeyn wird, wenn ſie ſich darnach auf einmal wer-
den in ihrer Hoffnung betrogen finden, da ſie gedacht
hatten, es waͤren keine Chriſten mehr; ja hernach kan
man leicht denken, was daraus entſtehen wird. Es
wird das daraus entſtehen, daß ſie uns werden in
Ernſt vertilgen wollen; und das wird nicht angehen,
da werden ſie zu kurz langen.

Nun, liebe Geſchwiſter! wir ſehen aus dem gan-
zen Umſtande und aus dem ganzen Zuſammenhange,
daß das Sachen ſeyn, die, wann ſie aufs allerſchoͤn-
ſte geſchehen, (wie ſie denn geſchehen werden) ſo ha-
ben ſie gar nicht die geringſte active connexion mit
unſerer gegenwaͤrtigen Fuͤhrung, am allerwenigſten
aber mit der Bekehrung der Seelen. Hier iſt Ge-
duld und Glaube der Heiligen.
Es kan mit
allen Herrlichkeiten bey uns nichts bewieſen wer-
den, man kan damit nicht, wie man zu ſagen pflegt,
einen Hund aus dem Ofen hervorlokken, geſchweige
eine Seele bekehren: denn zu dergleichen Sachen,
zu dergleichen Wahrheiten gehoͤrt ein Glaube, der
noch zweymal ſo ſtark iſt, als der Glaube ans Blut
JEſu und an die Wunden-Herrlichkeit. Und es
waͤre eine groſſe Thorheit, wenn wir von dem Glau-
ben wolten anfangen: die Leute glaͤubten noch kei-
nen Heiland, der fuͤr ſie geſtorben waͤre; und wir
glaͤubten, wir koͤnten ſie bekehren mit der Hoffnung
von ſeinem Reich. Das waren gute principia zur
Juden Zeit; das ſeyn gute principia fuͤr Republica-
ner, die unter einer Monarchie ſtehen, und waͤren
ihrer gern los, und jagten den Monarchen gern zum
Lande hinaus, und ſetzten ſich an ſeine Stelle, und
gaͤben ihrer drey und zwanzigen oder dreyſſigen in
die Hand, was einer hat, und lieſſen lieber funſzig,
oder gar den Herrn Omnis, wie man zu ſagen pflegt, ”

” tyranni-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0273" n="253"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Mar. Predig.</hi></fw><lb/>
ben, und &#x017F;ich ein Bißchen drauf freuen; und der drit- &#x201D;<lb/>
te wirds nicht gla&#x0364;uben. Vielleicht werden &#x017F;ie denken,<lb/>
&#x017F;ie haben uns vertilgt; &#x017F;ie werden denken, wie &#x017F;ie<lb/>
hundert Jahr von den Bo&#x0364;hmi&#x017F;chen Bru&#x0364;dern gedacht<lb/>
haben, es &#x017F;ind keine mehr. In dem <hi rendition="#aq">point de vu&#x0364;e</hi><lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wirs an&#x017F;ehen: wenns darnach auf einmal nicht<lb/>
wahr &#x017F;eyn wird, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich darnach auf einmal wer-<lb/>
den in ihrer Hoffnung betrogen finden, da &#x017F;ie gedacht<lb/>
hatten, es wa&#x0364;ren keine Chri&#x017F;ten mehr; ja hernach kan<lb/>
man leicht denken, was daraus ent&#x017F;tehen wird. Es<lb/>
wird das daraus ent&#x017F;tehen, daß &#x017F;ie uns werden in<lb/>
Ern&#x017F;t vertilgen wollen; und das wird nicht angehen,<lb/>
da werden &#x017F;ie zu kurz langen.</p><lb/>
                <p>Nun, liebe Ge&#x017F;chwi&#x017F;ter! wir &#x017F;ehen aus dem gan-<lb/>
zen Um&#x017F;tande und aus dem ganzen Zu&#x017F;ammenhange,<lb/>
daß das Sachen &#x017F;eyn, die, wann &#x017F;ie aufs aller&#x017F;cho&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;te ge&#x017F;chehen, (wie &#x017F;ie denn ge&#x017F;chehen werden) &#x017F;o ha-<lb/>
ben &#x017F;ie gar nicht die gering&#x017F;te <hi rendition="#aq">active connexion</hi> mit<lb/>
un&#x017F;erer gegenwa&#x0364;rtigen Fu&#x0364;hrung, am allerwenig&#x017F;ten<lb/>
aber mit der Bekehrung der Seelen. <hi rendition="#fr">Hier i&#x017F;t Ge-<lb/>
duld und Glaube der Heiligen.</hi> Es kan mit<lb/>
allen Herrlichkeiten bey uns nichts bewie&#x017F;en wer-<lb/>
den, man kan damit nicht, wie man zu &#x017F;agen pflegt,<lb/>
einen Hund aus dem Ofen hervorlokken, ge&#x017F;chweige<lb/>
eine Seele bekehren: denn zu dergleichen Sachen,<lb/>
zu dergleichen Wahrheiten geho&#x0364;rt ein Glaube, der<lb/>
noch zweymal &#x017F;o &#x017F;tark i&#x017F;t, als der Glaube ans Blut<lb/>
JE&#x017F;u und an die Wunden-Herrlichkeit. Und es<lb/>
wa&#x0364;re eine gro&#x017F;&#x017F;e Thorheit, wenn wir von <hi rendition="#fr">dem</hi> Glau-<lb/>
ben wolten anfangen: die Leute gla&#x0364;ubten noch kei-<lb/>
nen Heiland, der fu&#x0364;r &#x017F;ie ge&#x017F;torben wa&#x0364;re; und wir<lb/>
gla&#x0364;ubten, wir ko&#x0364;nten &#x017F;ie bekehren mit der Hoffnung<lb/>
von &#x017F;einem Reich. Das waren gute <hi rendition="#aq">principia</hi> zur<lb/>
Juden Zeit; das &#x017F;eyn gute <hi rendition="#aq">principia</hi> fu&#x0364;r <hi rendition="#aq">Republica-</hi><lb/>
ner, die unter einer <hi rendition="#aq">Monarchie</hi> &#x017F;tehen, und wa&#x0364;ren<lb/>
ihrer gern los, und jagten den <hi rendition="#aq">Monarch</hi>en gern zum<lb/>
Lande hinaus, und &#x017F;etzten &#x017F;ich an &#x017F;eine Stelle, und<lb/>
ga&#x0364;ben ihrer drey und zwanzigen oder drey&#x017F;&#x017F;igen in<lb/>
die Hand, was einer hat, und lie&#x017F;&#x017F;en lieber fun&#x017F;zig,<lb/>
oder gar den Herrn <hi rendition="#aq">Omnis,</hi> wie man zu &#x017F;agen pflegt, &#x201D;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201D; tyranni-</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0273] Mar. Predig. ben, und ſich ein Bißchen drauf freuen; und der drit- ” te wirds nicht glaͤuben. Vielleicht werden ſie denken, ſie haben uns vertilgt; ſie werden denken, wie ſie hundert Jahr von den Boͤhmiſchen Bruͤdern gedacht haben, es ſind keine mehr. In dem point de vuͤe muͤſſen wirs anſehen: wenns darnach auf einmal nicht wahr ſeyn wird, wenn ſie ſich darnach auf einmal wer- den in ihrer Hoffnung betrogen finden, da ſie gedacht hatten, es waͤren keine Chriſten mehr; ja hernach kan man leicht denken, was daraus entſtehen wird. Es wird das daraus entſtehen, daß ſie uns werden in Ernſt vertilgen wollen; und das wird nicht angehen, da werden ſie zu kurz langen. Nun, liebe Geſchwiſter! wir ſehen aus dem gan- zen Umſtande und aus dem ganzen Zuſammenhange, daß das Sachen ſeyn, die, wann ſie aufs allerſchoͤn- ſte geſchehen, (wie ſie denn geſchehen werden) ſo ha- ben ſie gar nicht die geringſte active connexion mit unſerer gegenwaͤrtigen Fuͤhrung, am allerwenigſten aber mit der Bekehrung der Seelen. Hier iſt Ge- duld und Glaube der Heiligen. Es kan mit allen Herrlichkeiten bey uns nichts bewieſen wer- den, man kan damit nicht, wie man zu ſagen pflegt, einen Hund aus dem Ofen hervorlokken, geſchweige eine Seele bekehren: denn zu dergleichen Sachen, zu dergleichen Wahrheiten gehoͤrt ein Glaube, der noch zweymal ſo ſtark iſt, als der Glaube ans Blut JEſu und an die Wunden-Herrlichkeit. Und es waͤre eine groſſe Thorheit, wenn wir von dem Glau- ben wolten anfangen: die Leute glaͤubten noch kei- nen Heiland, der fuͤr ſie geſtorben waͤre; und wir glaͤubten, wir koͤnten ſie bekehren mit der Hoffnung von ſeinem Reich. Das waren gute principia zur Juden Zeit; das ſeyn gute principia fuͤr Republica- ner, die unter einer Monarchie ſtehen, und waͤren ihrer gern los, und jagten den Monarchen gern zum Lande hinaus, und ſetzten ſich an ſeine Stelle, und gaͤben ihrer drey und zwanzigen oder dreyſſigen in die Hand, was einer hat, und lieſſen lieber funſzig, oder gar den Herrn Omnis, wie man zu ſagen pflegt, ” ” tyranni-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/273
Zitationshilfe: Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/273>, abgerufen am 27.04.2024.