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Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751.

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Marienbornische Predig.
sich wohl, es war gut Geld unter den Leuten, nach"
der damaligen Art, es waren der Leute weniger,
und die Nationen mehr in ihre eigene Generationes
eingeschränkt; es wusste einer mehr von seines Groß-
vaters und Aeltervaters Hause, und von seinem
Gute, von Erb-Stükken zu reden, als nun.

Das wurde alles durch die grossen und allge-
meinen Kriege in confusion gebracht; arme Leute
wurden reich, reiche Leute wurden arm; geringe
Leute wurden vornehm, und vornehme Leute kamen
herunter. Daher entstunds, daß ganz gemeine, ge-
ringe Bauers- und Handwerks-Leute in kurzem
einen grossen Adel an sich brachten; und hingegen
vornehme, adeliche Familien reducirt wurden, Pfar-
rer, Kaufleute, und dergleichen, zu werden: welches,
in damaligen Zeiten, sehr erniedriget hieß.

Und daher kömts, daß man manchmal noch
reden hört: Meine Vorfahren sind das und das ge-
wesen, wir sind aber herunter gekommen.

Diese Confusion, Vermengung und Verwikke-
lung der äusserlichen Sachen, diese Veränderung,
sowol der persönlichen Obrigkeiten, als der alten
Art, Weise und Regierungs-Form; da man etwa
einen Bischoff gehabt hatte, und hernach einen welt-
lichen Fürsten* krigte, hat verursacht, daß die Eu-
ropäische, und besonders die Protestantische Welt,
in eine neue Form gegossen worden.

Da waren nun etliche rechtschaffene Leute, gute
Herzen, sonderlich unter den Lehrern, darauf be-
dacht, wie sie da was guts für den lieben GOtt her-
aus bringen wolten. Sie dachten: HErr! wenn
Trübsal da ist, so sucht man dich; und wenn
du sie züchtigest, so ruffen sie ängstiglich.

Die Leute, die in dergleichen Umständen stun-
den, sonderlich die Alten, die hörtens gerne, wenn
man sagte: Es wird besser werden; wenn man ihnen
sagte: O der liebe GOtt wird bald kommen! Und
ich weiß mich von meiner Kindheit an zu erinnern,"

" von
* Davon die Differenz nicht in der Natur des Hof-
Lebens, sondern in der forma regiminis zu suchen.
Q 4

Marienborniſche Predig.
ſich wohl, es war gut Geld unter den Leuten, nach”
der damaligen Art, es waren der Leute weniger,
und die Nationen mehr in ihre eigene Generationes
eingeſchraͤnkt; es wuſſte einer mehr von ſeines Groß-
vaters und Aeltervaters Hauſe, und von ſeinem
Gute, von Erb-Stuͤkken zu reden, als nun.

Das wurde alles durch die groſſen und allge-
meinen Kriege in confuſion gebracht; arme Leute
wurden reich, reiche Leute wurden arm; geringe
Leute wurden vornehm, und vornehme Leute kamen
herunter. Daher entſtunds, daß ganz gemeine, ge-
ringe Bauers- und Handwerks-Leute in kurzem
einen groſſen Adel an ſich brachten; und hingegen
vornehme, adeliche Familien reducirt wurden, Pfar-
rer, Kaufleute, und dergleichen, zu werden: welches,
in damaligen Zeiten, ſehr erniedriget hieß.

Und daher koͤmts, daß man manchmal noch
reden hoͤrt: Meine Vorfahren ſind das und das ge-
weſen, wir ſind aber herunter gekommen.

Dieſe Confuſion, Vermengung und Verwikke-
lung der aͤuſſerlichen Sachen, dieſe Veraͤnderung,
ſowol der perſoͤnlichen Obrigkeiten, als der alten
Art, Weiſe und Regierungs-Form; da man etwa
einen Biſchoff gehabt hatte, und hernach einen welt-
lichen Fuͤrſten* krigte, hat verurſacht, daß die Eu-
ropaͤiſche, und beſonders die Proteſtantiſche Welt,
in eine neue Form gegoſſen worden.

Da waren nun etliche rechtſchaffene Leute, gute
Herzen, ſonderlich unter den Lehrern, darauf be-
dacht, wie ſie da was guts fuͤr den lieben GOtt her-
aus bringen wolten. Sie dachten: HErr! wenn
Truͤbſal da iſt, ſo ſucht man dich; und wenn
du ſie zuͤchtigeſt, ſo ruffen ſie aͤngſtiglich.

Die Leute, die in dergleichen Umſtaͤnden ſtun-
den, ſonderlich die Alten, die hoͤrtens gerne, wenn
man ſagte: Es wird beſſer werden; wenn man ihnen
ſagte: O der liebe GOtt wird bald kommen! Und
ich weiß mich von meiner Kindheit an zu erinnern,”

” von
* Davon die Differenz nicht in der Natur des Hof-
Lebens, ſondern in der forma regiminis zu ſuchen.
Q 4
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[247/0267] Marienborniſche Predig. ſich wohl, es war gut Geld unter den Leuten, nach” der damaligen Art, es waren der Leute weniger, und die Nationen mehr in ihre eigene Generationes eingeſchraͤnkt; es wuſſte einer mehr von ſeines Groß- vaters und Aeltervaters Hauſe, und von ſeinem Gute, von Erb-Stuͤkken zu reden, als nun. Das wurde alles durch die groſſen und allge- meinen Kriege in confuſion gebracht; arme Leute wurden reich, reiche Leute wurden arm; geringe Leute wurden vornehm, und vornehme Leute kamen herunter. Daher entſtunds, daß ganz gemeine, ge- ringe Bauers- und Handwerks-Leute in kurzem einen groſſen Adel an ſich brachten; und hingegen vornehme, adeliche Familien reducirt wurden, Pfar- rer, Kaufleute, und dergleichen, zu werden: welches, in damaligen Zeiten, ſehr erniedriget hieß. Und daher koͤmts, daß man manchmal noch reden hoͤrt: Meine Vorfahren ſind das und das ge- weſen, wir ſind aber herunter gekommen. Dieſe Confuſion, Vermengung und Verwikke- lung der aͤuſſerlichen Sachen, dieſe Veraͤnderung, ſowol der perſoͤnlichen Obrigkeiten, als der alten Art, Weiſe und Regierungs-Form; da man etwa einen Biſchoff gehabt hatte, und hernach einen welt- lichen Fuͤrſten * krigte, hat verurſacht, daß die Eu- ropaͤiſche, und beſonders die Proteſtantiſche Welt, in eine neue Form gegoſſen worden. Da waren nun etliche rechtſchaffene Leute, gute Herzen, ſonderlich unter den Lehrern, darauf be- dacht, wie ſie da was guts fuͤr den lieben GOtt her- aus bringen wolten. Sie dachten: HErr! wenn Truͤbſal da iſt, ſo ſucht man dich; und wenn du ſie zuͤchtigeſt, ſo ruffen ſie aͤngſtiglich. Die Leute, die in dergleichen Umſtaͤnden ſtun- den, ſonderlich die Alten, die hoͤrtens gerne, wenn man ſagte: Es wird beſſer werden; wenn man ihnen ſagte: O der liebe GOtt wird bald kommen! Und ich weiß mich von meiner Kindheit an zu erinnern,” ” von * Davon die Differenz nicht in der Natur des Hof- Lebens, ſondern in der forma regiminis zu ſuchen. Q 4

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Zitationshilfe: Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/267>, abgerufen am 24.11.2024.