[Beer, Johann]: Jucundi Jucundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. [s. l.], 1680.Kurzweiliger nennen/ welcher mir so frölich undvergnüglich war/ als eben derselbe Tag meines Verlöbnüßes. Mein Herr Schwager berichtete uns aller- ley neue Zeitungen/ und keiner war zu gegen/ welcher ihm zu seinem in- stehenden Glücke nicht unzählich mal gratulirt hatte. Jndem wir noch beysammen saßen/ und die Abend- Mahlzeit verzehrten/ kam ein zerriße- ne und zerlumpte Bettlerin vor das Schloß-Thor/ und bittet um ein Almosen. Die Magd/ welche mirs angedeutet/ sagte: Die Bettlerin hät- te schon eine gute Zeit vor dem Schlos- se gesäßen und immer zu sich selbst ge- redet und gesprochen: Ach ich armes Mensch hatte vor diesen auch so einen Hof/ ja wol einen bäßern als diesen! ach ach ich armes Mensch! Diese Wort kamen mir sehr verdächtig vor/ und weil ich (ohne Ruhm zu melden) mit armen Leuten gerne geredet/ und mich ihrer Noht befraget/ gienge ich hinunter und griffe um einen Groschen/ welchen ich ihr schencken wolte. Als ich vor das Thor gelanget/ sehe ich vor mir
Kurzweiliger nennen/ welcher mir ſo froͤlich undvergnuͤglich war/ als eben derſelbe Tag meines Verloͤbnuͤßes. Mein Herꝛ Schwager berichtete uns aller- ley neue Zeitungen/ und keiner war zu gegen/ welcher ihm zu ſeinem in- ſtehenden Gluͤcke nicht unzaͤhlich mal gratulirt hatte. Jndem wir noch beyſammen ſaßen/ und die Abend- Mahlzeit verzehrten/ kam ein zerriße- ne und zerlumpte Bettlerin vor das Schloß-Thor/ und bittet um ein Almoſen. Die Magd/ welche mirs angedeutet/ ſagte: Die Bettlerin haͤt- te ſchon eine gute Zeit vor dem Schloſ- ſe geſaͤßen und immer zu ſich ſelbſt ge- redet und geſprochen: Ach ich armes Menſch hatte vor dieſen auch ſo einen Hof/ ja wol einen baͤßern als dieſen! ach ach ich armes Menſch! Dieſe Wort kamen mir ſehr verdaͤchtig vor/ und weil ich (ohne Ruhm zu melden) mit armen Leuten gerne geredet/ und mich ihrer Noht befraget/ gienge ich hinunter und griffe um einen Groſchen/ welchen ich ihr ſchencken wolte. Als ich vor das Thor gelanget/ ſehe ich vor mir
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Kurzweiliger
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vergnuͤglich war/ als eben derſelbe
Tag meines Verloͤbnuͤßes. Mein
Herꝛ Schwager berichtete uns aller-
ley neue Zeitungen/ und keiner war
zu gegen/ welcher ihm zu ſeinem in-
ſtehenden Gluͤcke nicht unzaͤhlich mal
gratulirt hatte. Jndem wir noch
beyſammen ſaßen/ und die Abend-
Mahlzeit verzehrten/ kam ein zerriße-
ne und zerlumpte Bettlerin vor das
Schloß-Thor/ und bittet um ein
Almoſen. Die Magd/ welche mirs
angedeutet/ ſagte: Die Bettlerin haͤt-
te ſchon eine gute Zeit vor dem Schloſ-
ſe geſaͤßen und immer zu ſich ſelbſt ge-
redet und geſprochen: Ach ich armes
Menſch hatte vor dieſen auch ſo einen
Hof/ ja wol einen baͤßern als dieſen!
ach ach ich armes Menſch! Dieſe
Wort kamen mir ſehr verdaͤchtig vor/
und weil ich (ohne Ruhm zu melden)
mit armen Leuten gerne geredet/ und
mich ihrer Noht befraget/ gienge ich
hinunter und griffe um einen Groſchen/
welchen ich ihr ſchencken wolte. Als
ich vor das Thor gelanget/ ſehe ich
vor mir
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