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Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860.

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"Deine Rechte sind mein Lied in dem Hause meiner
Wallfahrt
!"*)

Dem geistigen Leben ist mächtig vorgearbeitet durch ein
gesundes leibliches Leben. Aber leibliche Gesundheit ist noch
nicht geistiges Leben. Geist muß an Geist entzündet werden.
Das sittliche Leben muß gelernt, errungen und erkämpft werden
an sittlichen Gütern, am höchsten sittlichen Gute. An das, was
"wahrhaftig, ehrbar, gerecht, keusch, lieblich ist, was wohl lautet,
etwa eine Tugend, etwa ein Lob ist", müssen wir eigens denken;
das müssen wir thun, darin uns eigens üben. Gesundes Leben
ist noch nicht Vaterlandsliebe. Vaterlandsliebe müssen wir
lernen. Wir müssen das schöne Vaterland, seine Berge, seine
Thäler, seine Seen, seinen Rhein anschauen, seine großen Thaten
hören, seine schönen Feste feiern, mit den Brüdern zusammen
kommen, seine Sitten, seine Bräuche halten. "Deine Rechte
sind mein Lied in dem Hause meiner Wallfahrt!" Das müssen
wir unserm Hause als Eck- und Schlußstein einsetzen. Wir sind
nur Wallfahrer, kehren nur auf kurze Stunden ein. Deine
Rechte, deine Sonne, deine Luft, deine schönen Weiten, aber
auch deine Liebe, deine Treue, "Liebe, Freude, Frieden, Geduld,
Freundlichkeit, Gütigkeit, Glauben, Sanftmuth, Keuschheit"
sind mein Lied in dem Hause meiner Wallfahrt! Mein Lied!
nicht bloß mein trockenes Bekenntniß, mein ernsthaftes düsteres
Leben; nein, meine Freude, meine Wonne, meine Seligkeit!

So wohnen wir gesund, so ist uns wohl, so geht
es uns gut.
"Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und
der Gerechtigkeit Nutzen wird ewige Stille und Sicherheit sein,
daß mein Volk in Häusern des Friedens wohnen wird, in sichern
Wohnungen und in stolzer Ruhe." "Wohl dem, der den Herrn
fürchtet, und auf seinen Wegen gehet. Du wirst dich nähren
deiner Hände Arbeit; wohl dir, du hast es gut. Dein Weib
wird sein wie ein fruchtbarer Weinstock um dein Haus herum,
deine Kinder wie die Oelzweige um deinen Tisch her. Siehe,
also wird gesegnet der Mann, der den Herrn fürchtet."



*) Ps. 119, 54.

Deine Rechte ſind mein Lied in dem Hauſe meiner
Wallfahrt
!“*)

Dem geiſtigen Leben iſt mächtig vorgearbeitet durch ein
geſundes leibliches Leben. Aber leibliche Geſundheit iſt noch
nicht geiſtiges Leben. Geiſt muß an Geiſt entzündet werden.
Das ſittliche Leben muß gelernt, errungen und erkämpft werden
an ſittlichen Gütern, am höchſten ſittlichen Gute. An das, was
„wahrhaftig, ehrbar, gerecht, keuſch, lieblich iſt, was wohl lautet,
etwa eine Tugend, etwa ein Lob iſt“, müſſen wir eigens denken;
das müſſen wir thun, darin uns eigens üben. Geſundes Leben
iſt noch nicht Vaterlandsliebe. Vaterlandsliebe müſſen wir
lernen. Wir müſſen das ſchöne Vaterland, ſeine Berge, ſeine
Thäler, ſeine Seen, ſeinen Rhein anſchauen, ſeine großen Thaten
hören, ſeine ſchönen Feſte feiern, mit den Brüdern zuſammen
kommen, ſeine Sitten, ſeine Bräuche halten. „Deine Rechte
ſind mein Lied in dem Hauſe meiner Wallfahrt!“ Das müſſen
wir unſerm Hauſe als Eck- und Schlußſtein einſetzen. Wir ſind
nur Wallfahrer, kehren nur auf kurze Stunden ein. Deine
Rechte, deine Sonne, deine Luft, deine ſchönen Weiten, aber
auch deine Liebe, deine Treue, „Liebe, Freude, Frieden, Geduld,
Freundlichkeit, Gütigkeit, Glauben, Sanftmuth, Keuſchheit“
ſind mein Lied in dem Hauſe meiner Wallfahrt! Mein Lied!
nicht bloß mein trockenes Bekenntniß, mein ernſthaftes düſteres
Leben; nein, meine Freude, meine Wonne, meine Seligkeit!

So wohnen wir geſund, ſo iſt uns wohl, ſo geht
es uns gut.
„Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede ſein, und
der Gerechtigkeit Nutzen wird ewige Stille und Sicherheit ſein,
daß mein Volk in Häuſern des Friedens wohnen wird, in ſichern
Wohnungen und in ſtolzer Ruhe.“ „Wohl dem, der den Herrn
fürchtet, und auf ſeinen Wegen gehet. Du wirſt dich nähren
deiner Hände Arbeit; wohl dir, du haſt es gut. Dein Weib
wird ſein wie ein fruchtbarer Weinſtock um dein Haus herum,
deine Kinder wie die Oelzweige um deinen Tiſch her. Siehe,
alſo wird geſegnet der Mann, der den Herrn fürchtet.“



*) Pſ. 119, 54.
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[64/0064] „Deine Rechte ſind mein Lied in dem Hauſe meiner Wallfahrt!“ *) Dem geiſtigen Leben iſt mächtig vorgearbeitet durch ein geſundes leibliches Leben. Aber leibliche Geſundheit iſt noch nicht geiſtiges Leben. Geiſt muß an Geiſt entzündet werden. Das ſittliche Leben muß gelernt, errungen und erkämpft werden an ſittlichen Gütern, am höchſten ſittlichen Gute. An das, was „wahrhaftig, ehrbar, gerecht, keuſch, lieblich iſt, was wohl lautet, etwa eine Tugend, etwa ein Lob iſt“, müſſen wir eigens denken; das müſſen wir thun, darin uns eigens üben. Geſundes Leben iſt noch nicht Vaterlandsliebe. Vaterlandsliebe müſſen wir lernen. Wir müſſen das ſchöne Vaterland, ſeine Berge, ſeine Thäler, ſeine Seen, ſeinen Rhein anſchauen, ſeine großen Thaten hören, ſeine ſchönen Feſte feiern, mit den Brüdern zuſammen kommen, ſeine Sitten, ſeine Bräuche halten. „Deine Rechte ſind mein Lied in dem Hauſe meiner Wallfahrt!“ Das müſſen wir unſerm Hauſe als Eck- und Schlußſtein einſetzen. Wir ſind nur Wallfahrer, kehren nur auf kurze Stunden ein. Deine Rechte, deine Sonne, deine Luft, deine ſchönen Weiten, aber auch deine Liebe, deine Treue, „Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glauben, Sanftmuth, Keuſchheit“ ſind mein Lied in dem Hauſe meiner Wallfahrt! Mein Lied! nicht bloß mein trockenes Bekenntniß, mein ernſthaftes düſteres Leben; nein, meine Freude, meine Wonne, meine Seligkeit! So wohnen wir geſund, ſo iſt uns wohl, ſo geht es uns gut. „Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede ſein, und der Gerechtigkeit Nutzen wird ewige Stille und Sicherheit ſein, daß mein Volk in Häuſern des Friedens wohnen wird, in ſichern Wohnungen und in ſtolzer Ruhe.“ „Wohl dem, der den Herrn fürchtet, und auf ſeinen Wegen gehet. Du wirſt dich nähren deiner Hände Arbeit; wohl dir, du haſt es gut. Dein Weib wird ſein wie ein fruchtbarer Weinſtock um dein Haus herum, deine Kinder wie die Oelzweige um deinen Tiſch her. Siehe, alſo wird geſegnet der Mann, der den Herrn fürchtet.“ *) Pſ. 119, 54.

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Zitationshilfe: Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becker_arbeiter_1860/64>, abgerufen am 23.11.2024.