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Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860.

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Bäumen und Gesträuchern gewachsen, so wäre das noch etwas
Appetitliches. Aber so unschuldig ist der Staub nicht immer.
Es ist manchmal trockener Speichel, Auswurf von Gesunden
und Kranken, was man aus der Nase schneuzt und auf den
Boden wirft; denn viele halten das für reinlicher als wenn
man's in die Tasche steckt; Abfälle von den Schuhen, wenn
man aus dem Roßstall, Kuhstall kommt; was man aus nahen
Fabriken an den Füßen und Kleidern mitträgt; wenn Kinder
auf den Boden pissen. Wenn das alles auf dem Boden zusammen-
pappt, bei trockner heißer Witterung aufgerieben, gut durch-
einander gemengt und aufgewühlt wird, so giebt das keinen
besonders appetitlichen Staub. Man sollte fleißig kehren, und
nicht bloß unlieblich, trocken mit einem Besen durch die Stube
stürmen, daß man am Ende den Koth am Boden nur nach
oben, an Wände und Dielen treibt, und der ganze Profit nur
in einer veränderten Lage des Staubes beruht, sondern mit
schwach angefeuchtetem Sägemehl die Stube kehren, mit feuchten
Lappen sie abreiben. So bringt man etwas positiv weg. Der
Staub geht mit dem feuchten Sägemehl auf den Composthaufen,
aus den Lappen wird er in's fließende Wasser ausgespühlt.

Die Luft in den Zimmern und Häusern wird aber auch
verderbt auf dem chemischen, nassen und feuchten Wege, durch
die Ausdünstung der Unreinlichkeit. Koth und dergleichen Dinge
verhalten sich eben nicht passiv; das regt sich alles; das ver-
ändert sich, dünstet aus, verwandelt sich in Gase, in luftförmige
Stoffe, besonders im Sommer oder im Winter bei künstlicher
Wärme und wenn noch etwas Feuchtes hinzutritt. Wenn so
in einer unlieblichen Bauern- oder Proletarierstube der Boden
jahrelang nie gewaschen wird, die Wände nie geweißt, das
Getäfel nie gereinigt, Stühle und Bänke, Thüren und Schlösser
die jahrealten Fettflecken vom Anpacken behalten; wenn schmu-
tzige Kleider herumliegen, Kindszeug, nasse Ueberstrümpfe um
den Ofen herum hangen, wahrlich da muß man sich nicht wun-
dern, wenn es trotz der schönen Luft von draußen doch immer
stinkt. Der harzige, schwarze Ueberzug, dieser Filz, dieses Pech
auf dem Boden muß gründlich weggewaschen werden; die Mauern
müssen nicht übertüncht werden, daß man die Tünche auf den

Bäumen und Geſträuchern gewachſen, ſo wäre das noch etwas
Appetitliches. Aber ſo unſchuldig iſt der Staub nicht immer.
Es iſt manchmal trockener Speichel, Auswurf von Geſunden
und Kranken, was man aus der Naſe ſchneuzt und auf den
Boden wirft; denn viele halten das für reinlicher als wenn
man's in die Taſche ſteckt; Abfälle von den Schuhen, wenn
man aus dem Roßſtall, Kuhſtall kommt; was man aus nahen
Fabriken an den Füßen und Kleidern mitträgt; wenn Kinder
auf den Boden piſſen. Wenn das alles auf dem Boden zuſammen-
pappt, bei trockner heißer Witterung aufgerieben, gut durch-
einander gemengt und aufgewühlt wird, ſo giebt das keinen
beſonders appetitlichen Staub. Man ſollte fleißig kehren, und
nicht bloß unlieblich, trocken mit einem Beſen durch die Stube
ſtürmen, daß man am Ende den Koth am Boden nur nach
oben, an Wände und Dielen treibt, und der ganze Profit nur
in einer veränderten Lage des Staubes beruht, ſondern mit
ſchwach angefeuchtetem Sägemehl die Stube kehren, mit feuchten
Lappen ſie abreiben. So bringt man etwas poſitiv weg. Der
Staub geht mit dem feuchten Sägemehl auf den Compoſthaufen,
aus den Lappen wird er in's fließende Waſſer ausgeſpühlt.

Die Luft in den Zimmern und Häuſern wird aber auch
verderbt auf dem chemiſchen, naſſen und feuchten Wege, durch
die Ausdünſtung der Unreinlichkeit. Koth und dergleichen Dinge
verhalten ſich eben nicht paſſiv; das regt ſich alles; das ver-
ändert ſich, dünſtet aus, verwandelt ſich in Gaſe, in luftförmige
Stoffe, beſonders im Sommer oder im Winter bei künſtlicher
Wärme und wenn noch etwas Feuchtes hinzutritt. Wenn ſo
in einer unlieblichen Bauern- oder Proletarierſtube der Boden
jahrelang nie gewaſchen wird, die Wände nie geweißt, das
Getäfel nie gereinigt, Stühle und Bänke, Thüren und Schlöſſer
die jahrealten Fettflecken vom Anpacken behalten; wenn ſchmu-
tzige Kleider herumliegen, Kindszeug, naſſe Ueberſtrümpfe um
den Ofen herum hangen, wahrlich da muß man ſich nicht wun-
dern, wenn es trotz der ſchönen Luft von draußen doch immer
ſtinkt. Der harzige, ſchwarze Ueberzug, dieſer Filz, dieſes Pech
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[61/0061] Bäumen und Geſträuchern gewachſen, ſo wäre das noch etwas Appetitliches. Aber ſo unſchuldig iſt der Staub nicht immer. Es iſt manchmal trockener Speichel, Auswurf von Geſunden und Kranken, was man aus der Naſe ſchneuzt und auf den Boden wirft; denn viele halten das für reinlicher als wenn man's in die Taſche ſteckt; Abfälle von den Schuhen, wenn man aus dem Roßſtall, Kuhſtall kommt; was man aus nahen Fabriken an den Füßen und Kleidern mitträgt; wenn Kinder auf den Boden piſſen. Wenn das alles auf dem Boden zuſammen- pappt, bei trockner heißer Witterung aufgerieben, gut durch- einander gemengt und aufgewühlt wird, ſo giebt das keinen beſonders appetitlichen Staub. Man ſollte fleißig kehren, und nicht bloß unlieblich, trocken mit einem Beſen durch die Stube ſtürmen, daß man am Ende den Koth am Boden nur nach oben, an Wände und Dielen treibt, und der ganze Profit nur in einer veränderten Lage des Staubes beruht, ſondern mit ſchwach angefeuchtetem Sägemehl die Stube kehren, mit feuchten Lappen ſie abreiben. So bringt man etwas poſitiv weg. Der Staub geht mit dem feuchten Sägemehl auf den Compoſthaufen, aus den Lappen wird er in's fließende Waſſer ausgeſpühlt. Die Luft in den Zimmern und Häuſern wird aber auch verderbt auf dem chemiſchen, naſſen und feuchten Wege, durch die Ausdünſtung der Unreinlichkeit. Koth und dergleichen Dinge verhalten ſich eben nicht paſſiv; das regt ſich alles; das ver- ändert ſich, dünſtet aus, verwandelt ſich in Gaſe, in luftförmige Stoffe, beſonders im Sommer oder im Winter bei künſtlicher Wärme und wenn noch etwas Feuchtes hinzutritt. Wenn ſo in einer unlieblichen Bauern- oder Proletarierſtube der Boden jahrelang nie gewaſchen wird, die Wände nie geweißt, das Getäfel nie gereinigt, Stühle und Bänke, Thüren und Schlöſſer die jahrealten Fettflecken vom Anpacken behalten; wenn ſchmu- tzige Kleider herumliegen, Kindszeug, naſſe Ueberſtrümpfe um den Ofen herum hangen, wahrlich da muß man ſich nicht wun- dern, wenn es trotz der ſchönen Luft von draußen doch immer ſtinkt. Der harzige, ſchwarze Ueberzug, dieſer Filz, dieſes Pech auf dem Boden muß gründlich weggewaſchen werden; die Mauern müſſen nicht übertüncht werden, daß man die Tünche auf den

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Zitationshilfe: Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becker_arbeiter_1860/61>, abgerufen am 23.11.2024.