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Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860.

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An dieser gewöhnlichen unwillkürlichen und willkürlichen
Lufterneuerung durch Ritzen und Spalten, Fenster- und Thür-
öffnen genügt es aber meistens noch nicht. Wir müssen noch
zu einer künstlichen, regelmäßigen Lufterneuerung schreiten, eine
passende Ventilation in unsern Zimmern und Häusern anbringen.
Das Haus muß regelmäßig athmen; nicht nur putschweise
oder verdrückt etwa durch eine Thür- oder Fensterritze. Regel-
mäßig, in stätem Lauf muß frische Luft einströmen und die alte
verbrauchte abdefilieren. Eine solche Ventilation erfinden, die
überall anzubringen ist, nicht viel kostet, keine schädliche Zug-
luft erzeugt, nicht mehr Wärme entzieht, als sie gerade muß,
das wäre für die Menschen ein sehr verdienstliches Werk, ein
Capitalwerk. Wir beschränken uns hier, in der bestimmten Er-
wartung, daß das einst komme und ganz allgemein eingeführt
werde und sich in jedem Hause als von selber verstehe, auf das
Folgende. Jn jedem Zimmer, Keller, Küche, aber besonders
Wohn- und Schlafzimmer, sollten wenigstens zwei einander
gegenüberliegende Oeffnungen für die Luft sich befinden, auf
der Fensterseite und auf der ihr, wie es sein soll, gegenüber
liegenden Thürseite. Ob nun diese Oeffnungen in der Thüre
und im Fenster oder neben denselben angebracht werden, das
wird von den Umständen abhangen. Am gewöhnlichsten und
einfachsten werden diese Oeffnungen in der Thüre und im Fen-
ster sein, unten an der Thüre und oben in einer Ecke eines
Fensters. Diese Oeffnungen müssen mit einem feinen Draht-
gitter überzogen sein, damit keine schädliche Zugluft entsteht und
nicht zu viel Wärme entzogen wird. Sie sollten nicht bloße
Löcher sein, sondern Röhren, Canäle. Denn die Luft strömt
durch eine Röhre besser als nur durch ein Loch. Man denke
an die langen rothen Kamine bei vielen Fabriklokalen, die ganz
unvernünftig hoch in den Himmel hinaufragen. Es entsteht
eine Luftströmung in einem solchen Kamin, während der Rauch
nur aus einem kurzen Rumpf von Kamin nicht heraus will.
Wenn also unsere Oeffnung für die Zimmerluft, welche Oeff-
nung eine Klappe haben muß, damit sie gegebenen Falls ge-
schlossen werden kann, durch die dicke Wand oben unter der
Diele neben den Fenstern hindurchgeht oder gar schräg durch

An dieſer gewöhnlichen unwillkürlichen und willkürlichen
Lufterneuerung durch Ritzen und Spalten, Fenſter- und Thür-
öffnen genügt es aber meiſtens noch nicht. Wir müſſen noch
zu einer künſtlichen, regelmäßigen Lufterneuerung ſchreiten, eine
paſſende Ventilation in unſern Zimmern und Häuſern anbringen.
Das Haus muß regelmäßig athmen; nicht nur putſchweiſe
oder verdrückt etwa durch eine Thür- oder Fenſterritze. Regel-
mäßig, in ſtätem Lauf muß friſche Luft einſtrömen und die alte
verbrauchte abdefilieren. Eine ſolche Ventilation erfinden, die
überall anzubringen iſt, nicht viel koſtet, keine ſchädliche Zug-
luft erzeugt, nicht mehr Wärme entzieht, als ſie gerade muß,
das wäre für die Menſchen ein ſehr verdienſtliches Werk, ein
Capitalwerk. Wir beſchränken uns hier, in der beſtimmten Er-
wartung, daß das einſt komme und ganz allgemein eingeführt
werde und ſich in jedem Hauſe als von ſelber verſtehe, auf das
Folgende. Jn jedem Zimmer, Keller, Küche, aber beſonders
Wohn- und Schlafzimmer, ſollten wenigſtens zwei einander
gegenüberliegende Oeffnungen für die Luft ſich befinden, auf
der Fenſterſeite und auf der ihr, wie es ſein ſoll, gegenüber
liegenden Thürſeite. Ob nun dieſe Oeffnungen in der Thüre
und im Fenſter oder neben denſelben angebracht werden, das
wird von den Umſtänden abhangen. Am gewöhnlichſten und
einfachſten werden dieſe Oeffnungen in der Thüre und im Fen-
ſter ſein, unten an der Thüre und oben in einer Ecke eines
Fenſters. Dieſe Oeffnungen müſſen mit einem feinen Draht-
gitter überzogen ſein, damit keine ſchädliche Zugluft entſteht und
nicht zu viel Wärme entzogen wird. Sie ſollten nicht bloße
Löcher ſein, ſondern Röhren, Canäle. Denn die Luft ſtrömt
durch eine Röhre beſſer als nur durch ein Loch. Man denke
an die langen rothen Kamine bei vielen Fabriklokalen, die ganz
unvernünftig hoch in den Himmel hinaufragen. Es entſteht
eine Luftſtrömung in einem ſolchen Kamin, während der Rauch
nur aus einem kurzen Rumpf von Kamin nicht heraus will.
Wenn alſo unſere Oeffnung für die Zimmerluft, welche Oeff-
nung eine Klappe haben muß, damit ſie gegebenen Falls ge-
ſchloſſen werden kann, durch die dicke Wand oben unter der
Diele neben den Fenſtern hindurchgeht oder gar ſchräg durch

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[52/0052] An dieſer gewöhnlichen unwillkürlichen und willkürlichen Lufterneuerung durch Ritzen und Spalten, Fenſter- und Thür- öffnen genügt es aber meiſtens noch nicht. Wir müſſen noch zu einer künſtlichen, regelmäßigen Lufterneuerung ſchreiten, eine paſſende Ventilation in unſern Zimmern und Häuſern anbringen. Das Haus muß regelmäßig athmen; nicht nur putſchweiſe oder verdrückt etwa durch eine Thür- oder Fenſterritze. Regel- mäßig, in ſtätem Lauf muß friſche Luft einſtrömen und die alte verbrauchte abdefilieren. Eine ſolche Ventilation erfinden, die überall anzubringen iſt, nicht viel koſtet, keine ſchädliche Zug- luft erzeugt, nicht mehr Wärme entzieht, als ſie gerade muß, das wäre für die Menſchen ein ſehr verdienſtliches Werk, ein Capitalwerk. Wir beſchränken uns hier, in der beſtimmten Er- wartung, daß das einſt komme und ganz allgemein eingeführt werde und ſich in jedem Hauſe als von ſelber verſtehe, auf das Folgende. Jn jedem Zimmer, Keller, Küche, aber beſonders Wohn- und Schlafzimmer, ſollten wenigſtens zwei einander gegenüberliegende Oeffnungen für die Luft ſich befinden, auf der Fenſterſeite und auf der ihr, wie es ſein ſoll, gegenüber liegenden Thürſeite. Ob nun dieſe Oeffnungen in der Thüre und im Fenſter oder neben denſelben angebracht werden, das wird von den Umſtänden abhangen. Am gewöhnlichſten und einfachſten werden dieſe Oeffnungen in der Thüre und im Fen- ſter ſein, unten an der Thüre und oben in einer Ecke eines Fenſters. Dieſe Oeffnungen müſſen mit einem feinen Draht- gitter überzogen ſein, damit keine ſchädliche Zugluft entſteht und nicht zu viel Wärme entzogen wird. Sie ſollten nicht bloße Löcher ſein, ſondern Röhren, Canäle. Denn die Luft ſtrömt durch eine Röhre beſſer als nur durch ein Loch. Man denke an die langen rothen Kamine bei vielen Fabriklokalen, die ganz unvernünftig hoch in den Himmel hinaufragen. Es entſteht eine Luftſtrömung in einem ſolchen Kamin, während der Rauch nur aus einem kurzen Rumpf von Kamin nicht heraus will. Wenn alſo unſere Oeffnung für die Zimmerluft, welche Oeff- nung eine Klappe haben muß, damit ſie gegebenen Falls ge- ſchloſſen werden kann, durch die dicke Wand oben unter der Diele neben den Fenſtern hindurchgeht oder gar ſchräg durch

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Zitationshilfe: Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becker_arbeiter_1860/52>, abgerufen am 23.11.2024.