Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

daß das Wasser sich nicht selten verdichtet; es schlägt sich auf
unserm Leibe als Schweiß nieder, an Oefen, Fenstern, überhaupt
kalten glatten und harten Gegenständen als Tropfen. Jn solchem
Dunst athmen wir nicht mehr leicht. Warum? Die Luft ist
von Wasser ganz gesättigt; sie nimmt jetzt in der Lunge kein
Wasser mehr aus dem Blute auf; diese Absonderung, die nöthig
ist, wird gehemmt, und uns ist unwohl, schlecht, zum Sterben
schlecht. Es wird einem ja oft schlecht in der Atmosphäre
draußen, wenn die Luft feucht und warm ist; während man in
einer kühlern trockenen Luft viel leichter athmet. Jn einem
engen, geschlossenen Raume steht's nun mit der feuchten Luft
noch viel schlimmer. Beim Athmen scheiden wir aber nicht
bloß Kohlensäure und Wasser aus, sondern auch noch organische,
thierische Stoffe, z. B. Schleim, Schüppchen, Häutchen und aller-
hand Abfälle, Schnapstrinker Schnapsgestank. Der Weingeist
verdunstet nämlich in der Lunge aus dem Blut. Wenn wir
die Luft in dem Zimmer nicht erneuern, so athmen wir natür-
lich alle diese Dinge, Kohlensäure, Wasser, Schüppchen, Schnaps-
gestank, und wenn Kranke, Abzehrende, Fiebrische im Zimmer
sind, Alles, was sie ausathmen, wieder ein; denn die Luft dringt
in den Körper, in die Lungen so ein, wie sie ist, gemischt, ver-
unreinigt; man kann da nicht auslesen und scheiden. Diese
Luft, was ich und andere und Kranke ausgeathmet haben, wie-
der athmen, das kann man nicht anders nennen, als im eignen
und Anderer Mist sich wieder wälzen; gewaltsam wieder in den
Körper, in's Jnnerste des Körpers, in's dünne flüssige Blut,
in die Nerven, in die Seele hinein zwingen, was die Natur,
die reine säuberliche Natur, die gern gesund und stark wäre,
als ihr feindlich ausgestoßen hat.

Wir müssen die Luft in unsern Zimmern stets
erneuern
. Die mit Kohlensäure, Wasser, thierischen Stoffen
erfüllte Luft muß weggeführt und sauerstoffreiche, trockene, reine
Luft hinzugebracht werden.

Diese Erneuerung geschieht unwillkürlich, aber mangelhaft
dadurch, daß wir beim Ein- und Ausgehen die Thüren öffnen,
etwa einmal einer Neuigkeit wegen ein Fenster aufthun. Diese
Erneuerung geschieht durch schlecht schließende Thüren und Fen-

daß das Waſſer ſich nicht ſelten verdichtet; es ſchlägt ſich auf
unſerm Leibe als Schweiß nieder, an Oefen, Fenſtern, überhaupt
kalten glatten und harten Gegenſtänden als Tropfen. Jn ſolchem
Dunſt athmen wir nicht mehr leicht. Warum? Die Luft iſt
von Waſſer ganz geſättigt; ſie nimmt jetzt in der Lunge kein
Waſſer mehr aus dem Blute auf; dieſe Abſonderung, die nöthig
iſt, wird gehemmt, und uns iſt unwohl, ſchlecht, zum Sterben
ſchlecht. Es wird einem ja oft ſchlecht in der Atmoſphäre
draußen, wenn die Luft feucht und warm iſt; während man in
einer kühlern trockenen Luft viel leichter athmet. Jn einem
engen, geſchloſſenen Raume ſteht's nun mit der feuchten Luft
noch viel ſchlimmer. Beim Athmen ſcheiden wir aber nicht
bloß Kohlenſäure und Waſſer aus, ſondern auch noch organiſche,
thieriſche Stoffe, z. B. Schleim, Schüppchen, Häutchen und aller-
hand Abfälle, Schnapstrinker Schnapsgeſtank. Der Weingeiſt
verdunſtet nämlich in der Lunge aus dem Blut. Wenn wir
die Luft in dem Zimmer nicht erneuern, ſo athmen wir natür-
lich alle dieſe Dinge, Kohlenſäure, Waſſer, Schüppchen, Schnaps-
geſtank, und wenn Kranke, Abzehrende, Fiebriſche im Zimmer
ſind, Alles, was ſie ausathmen, wieder ein; denn die Luft dringt
in den Körper, in die Lungen ſo ein, wie ſie iſt, gemiſcht, ver-
unreinigt; man kann da nicht ausleſen und ſcheiden. Dieſe
Luft, was ich und andere und Kranke ausgeathmet haben, wie-
der athmen, das kann man nicht anders nennen, als im eignen
und Anderer Miſt ſich wieder wälzen; gewaltſam wieder in den
Körper, in's Jnnerſte des Körpers, in's dünne flüſſige Blut,
in die Nerven, in die Seele hinein zwingen, was die Natur,
die reine ſäuberliche Natur, die gern geſund und ſtark wäre,
als ihr feindlich ausgeſtoßen hat.

Wir müſſen die Luft in unſern Zimmern ſtets
erneuern
. Die mit Kohlenſäure, Waſſer, thieriſchen Stoffen
erfüllte Luft muß weggeführt und ſauerſtoffreiche, trockene, reine
Luft hinzugebracht werden.

Dieſe Erneuerung geſchieht unwillkürlich, aber mangelhaft
dadurch, daß wir beim Ein- und Ausgehen die Thüren öffnen,
etwa einmal einer Neuigkeit wegen ein Fenſter aufthun. Dieſe
Erneuerung geſchieht durch ſchlecht ſchließende Thüren und Fen-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0050" n="50"/>
daß das Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich nicht &#x017F;elten verdichtet; es &#x017F;chlägt &#x017F;ich auf<lb/>
un&#x017F;erm Leibe als Schweiß nieder, an Oefen, Fen&#x017F;tern, überhaupt<lb/>
kalten glatten und harten Gegen&#x017F;tänden als Tropfen. Jn &#x017F;olchem<lb/>
Dun&#x017F;t athmen wir nicht mehr leicht. Warum? Die Luft i&#x017F;t<lb/>
von Wa&#x017F;&#x017F;er ganz ge&#x017F;ättigt; &#x017F;ie nimmt jetzt in der Lunge kein<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er mehr aus dem Blute auf; die&#x017F;e Ab&#x017F;onderung, die nöthig<lb/>
i&#x017F;t, wird gehemmt, und uns i&#x017F;t unwohl, &#x017F;chlecht, zum Sterben<lb/>
&#x017F;chlecht. Es wird einem ja oft &#x017F;chlecht in der Atmo&#x017F;phäre<lb/>
draußen, wenn die Luft feucht und warm i&#x017F;t; während man in<lb/>
einer kühlern trockenen Luft viel leichter athmet. Jn einem<lb/>
engen, ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Raume &#x017F;teht's nun mit der feuchten Luft<lb/>
noch viel &#x017F;chlimmer. Beim Athmen &#x017F;cheiden wir aber nicht<lb/>
bloß Kohlen&#x017F;äure und Wa&#x017F;&#x017F;er aus, &#x017F;ondern auch noch organi&#x017F;che,<lb/>
thieri&#x017F;che Stoffe, z. B. Schleim, Schüppchen, Häutchen und aller-<lb/>
hand Abfälle, Schnapstrinker Schnapsge&#x017F;tank. Der Weingei&#x017F;t<lb/>
verdun&#x017F;tet nämlich in der Lunge aus dem Blut. Wenn wir<lb/>
die Luft in dem Zimmer nicht erneuern, &#x017F;o athmen wir natür-<lb/>
lich alle die&#x017F;e Dinge, Kohlen&#x017F;äure, Wa&#x017F;&#x017F;er, Schüppchen, Schnaps-<lb/>
ge&#x017F;tank, und wenn Kranke, Abzehrende, Fiebri&#x017F;che im Zimmer<lb/>
&#x017F;ind, Alles, was &#x017F;ie ausathmen, wieder ein; denn die Luft dringt<lb/>
in den Körper, in die Lungen &#x017F;o ein, wie &#x017F;ie i&#x017F;t, gemi&#x017F;cht, ver-<lb/>
unreinigt; man kann da nicht ausle&#x017F;en und &#x017F;cheiden. Die&#x017F;e<lb/>
Luft, was ich und andere und Kranke ausgeathmet haben, wie-<lb/>
der athmen, das kann man nicht anders nennen, als im eignen<lb/>
und Anderer Mi&#x017F;t &#x017F;ich wieder wälzen; gewalt&#x017F;am wieder in den<lb/>
Körper, in's Jnner&#x017F;te des Körpers, in's dünne flü&#x017F;&#x017F;ige Blut,<lb/>
in die Nerven, in die Seele hinein zwingen, was die Natur,<lb/>
die reine &#x017F;äuberliche Natur, die gern ge&#x017F;und und &#x017F;tark wäre,<lb/>
als ihr feindlich ausge&#x017F;toßen hat.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Wir mü&#x017F;&#x017F;en die Luft in un&#x017F;ern Zimmern &#x017F;tets<lb/>
erneuern</hi>. Die mit Kohlen&#x017F;äure, Wa&#x017F;&#x017F;er, thieri&#x017F;chen Stoffen<lb/>
erfüllte Luft muß weggeführt und &#x017F;auer&#x017F;toffreiche, trockene, reine<lb/>
Luft hinzugebracht werden.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Erneuerung ge&#x017F;chieht unwillkürlich, aber mangelhaft<lb/>
dadurch, daß wir beim Ein- und Ausgehen die Thüren öffnen,<lb/>
etwa einmal einer Neuigkeit wegen ein Fen&#x017F;ter aufthun. Die&#x017F;e<lb/>
Erneuerung ge&#x017F;chieht durch &#x017F;chlecht &#x017F;chließende Thüren und Fen-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0050] daß das Waſſer ſich nicht ſelten verdichtet; es ſchlägt ſich auf unſerm Leibe als Schweiß nieder, an Oefen, Fenſtern, überhaupt kalten glatten und harten Gegenſtänden als Tropfen. Jn ſolchem Dunſt athmen wir nicht mehr leicht. Warum? Die Luft iſt von Waſſer ganz geſättigt; ſie nimmt jetzt in der Lunge kein Waſſer mehr aus dem Blute auf; dieſe Abſonderung, die nöthig iſt, wird gehemmt, und uns iſt unwohl, ſchlecht, zum Sterben ſchlecht. Es wird einem ja oft ſchlecht in der Atmoſphäre draußen, wenn die Luft feucht und warm iſt; während man in einer kühlern trockenen Luft viel leichter athmet. Jn einem engen, geſchloſſenen Raume ſteht's nun mit der feuchten Luft noch viel ſchlimmer. Beim Athmen ſcheiden wir aber nicht bloß Kohlenſäure und Waſſer aus, ſondern auch noch organiſche, thieriſche Stoffe, z. B. Schleim, Schüppchen, Häutchen und aller- hand Abfälle, Schnapstrinker Schnapsgeſtank. Der Weingeiſt verdunſtet nämlich in der Lunge aus dem Blut. Wenn wir die Luft in dem Zimmer nicht erneuern, ſo athmen wir natür- lich alle dieſe Dinge, Kohlenſäure, Waſſer, Schüppchen, Schnaps- geſtank, und wenn Kranke, Abzehrende, Fiebriſche im Zimmer ſind, Alles, was ſie ausathmen, wieder ein; denn die Luft dringt in den Körper, in die Lungen ſo ein, wie ſie iſt, gemiſcht, ver- unreinigt; man kann da nicht ausleſen und ſcheiden. Dieſe Luft, was ich und andere und Kranke ausgeathmet haben, wie- der athmen, das kann man nicht anders nennen, als im eignen und Anderer Miſt ſich wieder wälzen; gewaltſam wieder in den Körper, in's Jnnerſte des Körpers, in's dünne flüſſige Blut, in die Nerven, in die Seele hinein zwingen, was die Natur, die reine ſäuberliche Natur, die gern geſund und ſtark wäre, als ihr feindlich ausgeſtoßen hat. Wir müſſen die Luft in unſern Zimmern ſtets erneuern. Die mit Kohlenſäure, Waſſer, thieriſchen Stoffen erfüllte Luft muß weggeführt und ſauerſtoffreiche, trockene, reine Luft hinzugebracht werden. Dieſe Erneuerung geſchieht unwillkürlich, aber mangelhaft dadurch, daß wir beim Ein- und Ausgehen die Thüren öffnen, etwa einmal einer Neuigkeit wegen ein Fenſter aufthun. Dieſe Erneuerung geſchieht durch ſchlecht ſchließende Thüren und Fen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/becker_arbeiter_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/becker_arbeiter_1860/50
Zitationshilfe: Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becker_arbeiter_1860/50>, abgerufen am 23.04.2024.