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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870.
wendete zu Terre-Noire das Chromeisenerz aber nicht nur als Zwischen-
schicht zwischen dem basischen Herd und dem sauren Gewölbe an,
sondern stellte den ganzen Herd aus diesem Material her, weil man
sich von diesem neutralen Herdboden, der sich als haltbar erwies, den
allerbesten Erfolg versprach. Auch wurde dieses Verfahren alsbald
in den Stahlhütten zu Basseges und Tamaris angewendet. In grossem
Massstabe führten es dann Valton und de Boissieu auf den
Alexandrowski-Stahlwerken bei St. Petersburg ein. Die Chromeisen-
erze von Griechenland, Kleinasien und Schweden bewährten sich am
besten. Man konnte auf dem Chromeisenerzherde alle Varietäten von
Flusseisen machen, so z. B. zu Tamaris ein weiches Material. Auch
war das erzeugte Metall gleichmässig und fest. Dieses Verfahren
kam dann in Frankreich auch zu Commercy, Blagny und Morvillars
zur Anwendung. Es erwies sich als vorteilhaft, dem Chromerz etwas
gebrannten Kalk und Teer beizumischen. Indessen war das Verfahren
kostspielig durch den Verbrauch von Chromeisenerz.

Zu Creuzot setzte man 1880 die Versuche mit dem basischen
Herdmaterial fort und gelangte mit Magnesiaböden zu guten Er-
gebnissen. In England hatte Gillot auf dem Farnley-Stahlwerk bei
Leeds 1882 zuerst Erfolg mit nach dem Thomasverfahren hergestellten
basischen Herdböden 1), dagegen fielen Versuche mit basischem Futter
auf den Blochairn-Werken in Schottland ungünstig aus.

In Hörde und auf den rheinischen Stahlwerken bei Ruhrort leitete
man 1880 in das auf basischem Herd geschmolzene Roheisen Gebläse-
wind ein, um die Gare zu beschleunigen (D. R. P. Nr. 11389 und
11390).

Die Entphosphorung ging bei dem basischen Verfahren leicht von
statten. Man war dadurch imstande, phosphorhaltige, geringwertigere
Eisensorten zu verarbeiten, wodurch das Verfahren verbilligt wurde.
Ausserdem erzielte man bei dem basischen Verfahren mit Leichtigkeit
ein kohlenarmes, weiches Flusseisen, welches geeignet war, das Frisch-
und Puddeleisen zu ersetzen. Infolgedessen breitete sich der basische
Martinprozess rasch aus und nahm die Erzeugung und Verwendung
des Flammofenflussstahls seit 1880 fortwährend und rasch zu, wie aus
nachfolgender Zusammenstellung für Gross-Britannien, Deutschland,
Österreich-Ungarn, Schweden und die Vereinigten Staaten von Amerika
sich ergiebt.


1) Siehe Engin. and Mining Journ. 38, Nr. 16; Berg- und Hüttenmänn. Ztg.
1885, S. 131.

Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
wendete zu Terre-Noire das Chromeisenerz aber nicht nur als Zwischen-
schicht zwischen dem basischen Herd und dem sauren Gewölbe an,
sondern stellte den ganzen Herd aus diesem Material her, weil man
sich von diesem neutralen Herdboden, der sich als haltbar erwies, den
allerbesten Erfolg versprach. Auch wurde dieses Verfahren alsbald
in den Stahlhütten zu Bassèges und Tamaris angewendet. In groſsem
Maſsstabe führten es dann Valton und de Boissieu auf den
Alexandrowski-Stahlwerken bei St. Petersburg ein. Die Chromeisen-
erze von Griechenland, Kleinasien und Schweden bewährten sich am
besten. Man konnte auf dem Chromeisenerzherde alle Varietäten von
Fluſseisen machen, so z. B. zu Tamaris ein weiches Material. Auch
war das erzeugte Metall gleichmäſsig und fest. Dieses Verfahren
kam dann in Frankreich auch zu Commercy, Blagny und Morvillars
zur Anwendung. Es erwies sich als vorteilhaft, dem Chromerz etwas
gebrannten Kalk und Teer beizumischen. Indessen war das Verfahren
kostspielig durch den Verbrauch von Chromeisenerz.

Zu Creuzot setzte man 1880 die Versuche mit dem basischen
Herdmaterial fort und gelangte mit Magnesiaböden zu guten Er-
gebnissen. In England hatte Gillot auf dem Farnley-Stahlwerk bei
Leeds 1882 zuerst Erfolg mit nach dem Thomasverfahren hergestellten
basischen Herdböden 1), dagegen fielen Versuche mit basischem Futter
auf den Blochairn-Werken in Schottland ungünstig aus.

In Hörde und auf den rheinischen Stahlwerken bei Ruhrort leitete
man 1880 in das auf basischem Herd geschmolzene Roheisen Gebläse-
wind ein, um die Gare zu beschleunigen (D. R. P. Nr. 11389 und
11390).

Die Entphosphorung ging bei dem basischen Verfahren leicht von
statten. Man war dadurch imstande, phosphorhaltige, geringwertigere
Eisensorten zu verarbeiten, wodurch das Verfahren verbilligt wurde.
Auſserdem erzielte man bei dem basischen Verfahren mit Leichtigkeit
ein kohlenarmes, weiches Fluſseisen, welches geeignet war, das Frisch-
und Puddeleisen zu ersetzen. Infolgedessen breitete sich der basische
Martinprozeſs rasch aus und nahm die Erzeugung und Verwendung
des Flammofenfluſsstahls seit 1880 fortwährend und rasch zu, wie aus
nachfolgender Zusammenstellung für Groſs-Britannien, Deutschland,
Österreich-Ungarn, Schweden und die Vereinigten Staaten von Amerika
sich ergiebt.


1) Siehe Engin. and Mining Journ. 38, Nr. 16; Berg- und Hüttenmänn. Ztg.
1885, S. 131.
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[701/0717] Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870. wendete zu Terre-Noire das Chromeisenerz aber nicht nur als Zwischen- schicht zwischen dem basischen Herd und dem sauren Gewölbe an, sondern stellte den ganzen Herd aus diesem Material her, weil man sich von diesem neutralen Herdboden, der sich als haltbar erwies, den allerbesten Erfolg versprach. Auch wurde dieses Verfahren alsbald in den Stahlhütten zu Bassèges und Tamaris angewendet. In groſsem Maſsstabe führten es dann Valton und de Boissieu auf den Alexandrowski-Stahlwerken bei St. Petersburg ein. Die Chromeisen- erze von Griechenland, Kleinasien und Schweden bewährten sich am besten. Man konnte auf dem Chromeisenerzherde alle Varietäten von Fluſseisen machen, so z. B. zu Tamaris ein weiches Material. Auch war das erzeugte Metall gleichmäſsig und fest. Dieses Verfahren kam dann in Frankreich auch zu Commercy, Blagny und Morvillars zur Anwendung. Es erwies sich als vorteilhaft, dem Chromerz etwas gebrannten Kalk und Teer beizumischen. Indessen war das Verfahren kostspielig durch den Verbrauch von Chromeisenerz. Zu Creuzot setzte man 1880 die Versuche mit dem basischen Herdmaterial fort und gelangte mit Magnesiaböden zu guten Er- gebnissen. In England hatte Gillot auf dem Farnley-Stahlwerk bei Leeds 1882 zuerst Erfolg mit nach dem Thomasverfahren hergestellten basischen Herdböden 1), dagegen fielen Versuche mit basischem Futter auf den Blochairn-Werken in Schottland ungünstig aus. In Hörde und auf den rheinischen Stahlwerken bei Ruhrort leitete man 1880 in das auf basischem Herd geschmolzene Roheisen Gebläse- wind ein, um die Gare zu beschleunigen (D. R. P. Nr. 11389 und 11390). Die Entphosphorung ging bei dem basischen Verfahren leicht von statten. Man war dadurch imstande, phosphorhaltige, geringwertigere Eisensorten zu verarbeiten, wodurch das Verfahren verbilligt wurde. Auſserdem erzielte man bei dem basischen Verfahren mit Leichtigkeit ein kohlenarmes, weiches Fluſseisen, welches geeignet war, das Frisch- und Puddeleisen zu ersetzen. Infolgedessen breitete sich der basische Martinprozeſs rasch aus und nahm die Erzeugung und Verwendung des Flammofenfluſsstahls seit 1880 fortwährend und rasch zu, wie aus nachfolgender Zusammenstellung für Groſs-Britannien, Deutschland, Österreich-Ungarn, Schweden und die Vereinigten Staaten von Amerika sich ergiebt. 1) Siehe Engin. and Mining Journ. 38, Nr. 16; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1885, S. 131.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 701. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/717>, abgerufen am 24.11.2024.