Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite

Der saure oder Bessemerprozess bis 1880.
diesem Gebiet einen staunenerregenden Aufschwung und Umfang.
Besonders waren es die englischen Hochofenwerke der Westküste und
die deutschen Werke im Rheingebiet, welche ungeheure Massen dieser
Erze bezogen und auf Bessemerroheisen verschmolzen. Krupp hatte
ausgedehnten Grubenbesitz in Nordspanien erworben. Ausser ihm
bezogen die Eisenhütten Hörde, Gute Hoffnungshütte, Dortmunder
Union, Phönix, Johannishütte bei Duisburg, Königin Marienhütte bei
Zwickau und Georg-Marienhütte bei Osnabrück im Jahre 1872 bereits
über 3 Millionen Centner spanische Erze. Nicht ganz ohne Erfolg
versuchte man sowohl in England als in Deutschland auch inländische
Erze auf Bessemerroheisen zu verschmelzen, was freilich nur vereinzelt
bei besonders phosphorfreien Erzen gelang. In Deutschland war es
die Georg-Marienhütte, welche seit 1874 Bessemerroheisen aus eigenen
Erzen erzeugte.

Das Spiegeleisen, welches ebenfalls für den Bessemerprozess un-
entbehrlich war, hatte man früher fast ausschliesslich aus dem Sieger-
land beziehen müssen. Mit Hülfe ausländischer Erze oder braunstein-
haltiger Zuschläge gelang es aber auch in England und in anderen
Ländern, Spiegeleisen im Hochofen herzustellen. So machte man 1873
zu Ebbw-Vale mit inländischen, bei John Brown & Co. in Sheffield
mit spanischen Erzen Spiegeleisen mit ca. 13 Prozent Mangangehalt.
Ebenso stellte man in Schweden und Russland Spiegeleisen für die
Flussstahlfabrikation dar. In Jauerburg und Sava in Krain erblies
man um dieselbe Zeit sogar Ferromangan mit 35 bis 40 Prozent
Mangan im Hochofen.

1875 erzeugte man bei Marseille im Hochofen ein Spiegeleisen
mit 24,4 Prozent Mangan. 1877 fingen in Deutschland die Eisenwerke
Phönix und Oberhausen an, Ferromangan im Hochofen darzustellen.
Das Spiegeleisen wurde noch meistens im Flammofen umgeschmolzen,
doch benutzte man auch bereits Kupolöfen dafür. Diese mussten das
Eisen rasch und möglichst unverändert schmelzen. Hierzu eignete sich
besonders Mackenzies Ofen, oder ein Ofen mit zusammengezogener
Formebene und darunterliegendem Sammelraum1).

Um das zeitraubende Vorwärmen der Konverter abzukürzen, erfand
Larson 1871 einen Gaswärmer für Hochofengase, durch den das
Vorwärmen mit den halben Kosten erfolgen sollte. Heissen Wind
beim Bessemern anzuwenden, hatte man 1873 zu Zeltweg in Steier-
mark wieder versucht. Dem Direktor Heyrowsky gelang es auch, im

1) Siehe Wedding, Handbuch III, S. 522.

Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
diesem Gebiet einen staunenerregenden Aufschwung und Umfang.
Besonders waren es die englischen Hochofenwerke der Westküste und
die deutschen Werke im Rheingebiet, welche ungeheure Massen dieser
Erze bezogen und auf Bessemerroheisen verschmolzen. Krupp hatte
ausgedehnten Grubenbesitz in Nordspanien erworben. Auſser ihm
bezogen die Eisenhütten Hörde, Gute Hoffnungshütte, Dortmunder
Union, Phönix, Johannishütte bei Duisburg, Königin Marienhütte bei
Zwickau und Georg-Marienhütte bei Osnabrück im Jahre 1872 bereits
über 3 Millionen Centner spanische Erze. Nicht ganz ohne Erfolg
versuchte man sowohl in England als in Deutschland auch inländische
Erze auf Bessemerroheisen zu verschmelzen, was freilich nur vereinzelt
bei besonders phosphorfreien Erzen gelang. In Deutschland war es
die Georg-Marienhütte, welche seit 1874 Bessemerroheisen aus eigenen
Erzen erzeugte.

Das Spiegeleisen, welches ebenfalls für den Bessemerprozeſs un-
entbehrlich war, hatte man früher fast ausschlieſslich aus dem Sieger-
land beziehen müssen. Mit Hülfe ausländischer Erze oder braunstein-
haltiger Zuschläge gelang es aber auch in England und in anderen
Ländern, Spiegeleisen im Hochofen herzustellen. So machte man 1873
zu Ebbw-Vale mit inländischen, bei John Brown & Co. in Sheffield
mit spanischen Erzen Spiegeleisen mit ca. 13 Prozent Mangangehalt.
Ebenso stellte man in Schweden und Ruſsland Spiegeleisen für die
Fluſsstahlfabrikation dar. In Jauerburg und Sava in Krain erblies
man um dieselbe Zeit sogar Ferromangan mit 35 bis 40 Prozent
Mangan im Hochofen.

1875 erzeugte man bei Marseille im Hochofen ein Spiegeleisen
mit 24,4 Prozent Mangan. 1877 fingen in Deutschland die Eisenwerke
Phönix und Oberhausen an, Ferromangan im Hochofen darzustellen.
Das Spiegeleisen wurde noch meistens im Flammofen umgeschmolzen,
doch benutzte man auch bereits Kupolöfen dafür. Diese muſsten das
Eisen rasch und möglichst unverändert schmelzen. Hierzu eignete sich
besonders Mackenzies Ofen, oder ein Ofen mit zusammengezogener
Formebene und darunterliegendem Sammelraum1).

Um das zeitraubende Vorwärmen der Konverter abzukürzen, erfand
Larson 1871 einen Gaswärmer für Hochofengase, durch den das
Vorwärmen mit den halben Kosten erfolgen sollte. Heiſsen Wind
beim Bessemern anzuwenden, hatte man 1873 zu Zeltweg in Steier-
mark wieder versucht. Dem Direktor Heyrowsky gelang es auch, im

1) Siehe Wedding, Handbuch III, S. 522.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0639" n="623"/><fw place="top" type="header">Der saure oder Bessemerproze&#x017F;s bis 1880.</fw><lb/>
diesem Gebiet einen staunenerregenden Aufschwung und Umfang.<lb/>
Besonders waren es die englischen Hochofenwerke der Westküste und<lb/>
die deutschen Werke im Rheingebiet, welche ungeheure Massen dieser<lb/>
Erze bezogen und auf Bessemerroheisen verschmolzen. <hi rendition="#g">Krupp</hi> hatte<lb/>
ausgedehnten Grubenbesitz in Nordspanien erworben. Au&#x017F;ser ihm<lb/>
bezogen die Eisenhütten Hörde, Gute Hoffnungshütte, Dortmunder<lb/>
Union, Phönix, Johannishütte bei Duisburg, Königin Marienhütte bei<lb/>
Zwickau und Georg-Marienhütte bei Osnabrück im Jahre 1872 bereits<lb/>
über 3 Millionen Centner spanische Erze. Nicht ganz ohne Erfolg<lb/>
versuchte man sowohl in England als in Deutschland auch inländische<lb/>
Erze auf Bessemerroheisen zu verschmelzen, was freilich nur vereinzelt<lb/>
bei besonders phosphorfreien Erzen gelang. In Deutschland war es<lb/>
die Georg-Marienhütte, welche seit 1874 Bessemerroheisen aus eigenen<lb/>
Erzen erzeugte.</p><lb/>
            <p>Das Spiegeleisen, welches ebenfalls für den Bessemerproze&#x017F;s un-<lb/>
entbehrlich war, hatte man früher fast ausschlie&#x017F;slich aus dem Sieger-<lb/>
land beziehen müssen. Mit Hülfe ausländischer Erze oder braunstein-<lb/>
haltiger Zuschläge gelang es aber auch in England und in anderen<lb/>
Ländern, Spiegeleisen im Hochofen herzustellen. So machte man 1873<lb/>
zu Ebbw-Vale mit inländischen, bei <hi rendition="#g">John Brown &amp; Co.</hi> in Sheffield<lb/>
mit spanischen Erzen Spiegeleisen mit ca. 13 Prozent Mangangehalt.<lb/>
Ebenso stellte man in Schweden und Ru&#x017F;sland Spiegeleisen für die<lb/>
Flu&#x017F;sstahlfabrikation dar. In Jauerburg und Sava in Krain erblies<lb/>
man um dieselbe Zeit sogar Ferromangan mit 35 bis 40 Prozent<lb/>
Mangan im Hochofen.</p><lb/>
            <p>1875 erzeugte man bei Marseille im Hochofen ein Spiegeleisen<lb/>
mit 24,4 Prozent Mangan. 1877 fingen in Deutschland die Eisenwerke<lb/>
Phönix und Oberhausen an, Ferromangan im Hochofen darzustellen.<lb/>
Das Spiegeleisen wurde noch meistens im Flammofen umgeschmolzen,<lb/>
doch benutzte man auch bereits Kupolöfen dafür. Diese mu&#x017F;sten das<lb/>
Eisen rasch und möglichst unverändert schmelzen. Hierzu eignete sich<lb/>
besonders <hi rendition="#g">Mackenzies</hi> Ofen, oder ein Ofen mit zusammengezogener<lb/>
Formebene und darunterliegendem Sammelraum<note place="foot" n="1)">Siehe <hi rendition="#g">Wedding</hi>, Handbuch III, S. 522.</note>.</p><lb/>
            <p>Um das zeitraubende Vorwärmen der Konverter abzukürzen, erfand<lb/><hi rendition="#g">Larson</hi> 1871 einen Gaswärmer für Hochofengase, durch den das<lb/>
Vorwärmen mit den halben Kosten erfolgen sollte. Hei&#x017F;sen Wind<lb/>
beim Bessemern anzuwenden, hatte man 1873 zu Zeltweg in Steier-<lb/>
mark wieder versucht. Dem Direktor <hi rendition="#g">Heyrowsky</hi> gelang es auch, im<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[623/0639] Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880. diesem Gebiet einen staunenerregenden Aufschwung und Umfang. Besonders waren es die englischen Hochofenwerke der Westküste und die deutschen Werke im Rheingebiet, welche ungeheure Massen dieser Erze bezogen und auf Bessemerroheisen verschmolzen. Krupp hatte ausgedehnten Grubenbesitz in Nordspanien erworben. Auſser ihm bezogen die Eisenhütten Hörde, Gute Hoffnungshütte, Dortmunder Union, Phönix, Johannishütte bei Duisburg, Königin Marienhütte bei Zwickau und Georg-Marienhütte bei Osnabrück im Jahre 1872 bereits über 3 Millionen Centner spanische Erze. Nicht ganz ohne Erfolg versuchte man sowohl in England als in Deutschland auch inländische Erze auf Bessemerroheisen zu verschmelzen, was freilich nur vereinzelt bei besonders phosphorfreien Erzen gelang. In Deutschland war es die Georg-Marienhütte, welche seit 1874 Bessemerroheisen aus eigenen Erzen erzeugte. Das Spiegeleisen, welches ebenfalls für den Bessemerprozeſs un- entbehrlich war, hatte man früher fast ausschlieſslich aus dem Sieger- land beziehen müssen. Mit Hülfe ausländischer Erze oder braunstein- haltiger Zuschläge gelang es aber auch in England und in anderen Ländern, Spiegeleisen im Hochofen herzustellen. So machte man 1873 zu Ebbw-Vale mit inländischen, bei John Brown & Co. in Sheffield mit spanischen Erzen Spiegeleisen mit ca. 13 Prozent Mangangehalt. Ebenso stellte man in Schweden und Ruſsland Spiegeleisen für die Fluſsstahlfabrikation dar. In Jauerburg und Sava in Krain erblies man um dieselbe Zeit sogar Ferromangan mit 35 bis 40 Prozent Mangan im Hochofen. 1875 erzeugte man bei Marseille im Hochofen ein Spiegeleisen mit 24,4 Prozent Mangan. 1877 fingen in Deutschland die Eisenwerke Phönix und Oberhausen an, Ferromangan im Hochofen darzustellen. Das Spiegeleisen wurde noch meistens im Flammofen umgeschmolzen, doch benutzte man auch bereits Kupolöfen dafür. Diese muſsten das Eisen rasch und möglichst unverändert schmelzen. Hierzu eignete sich besonders Mackenzies Ofen, oder ein Ofen mit zusammengezogener Formebene und darunterliegendem Sammelraum 1). Um das zeitraubende Vorwärmen der Konverter abzukürzen, erfand Larson 1871 einen Gaswärmer für Hochofengase, durch den das Vorwärmen mit den halben Kosten erfolgen sollte. Heiſsen Wind beim Bessemern anzuwenden, hatte man 1873 zu Zeltweg in Steier- mark wieder versucht. Dem Direktor Heyrowsky gelang es auch, im 1) Siehe Wedding, Handbuch III, S. 522.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/639
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/639>, abgerufen am 21.05.2024.