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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Eisengiesserei seit 1870.

Die Anforderungen an die chemische Zusammensetzung des Giesserei-
roheisens haben aber auch auf die Erzeugung desselben im Hochofen
weittragenden Einfluss geübt. Durch die Bemühungen, graues Hämatit-
roheisen für das Bessemern zu erblasen, wurde man dazu geführt,
auch ein gutes, grobkörniges Giessereieisen, welches dem schottischen
an Güte gleichkam, auf dem Kontinent zu erzeugen. Infolgedessen
wurde die Alleinherrschaft des schottischen Giessereieisens für Quali-
tätsguss gebrochen. Für Deutschland waren die von Wachler 1877
ausgeführten Qualitätsuntersuchungen von rheinisch-westfälischen und
ausländischen Roheisensorten, auf welche wir in der Geschichte des
Eisens in Deutschland zurückkommen werden, von massgebender
Bedeutung. Seit dieser Zeit hat im südlichen und westlichen Deutsch-
land rheinisch-westfälisches und nassauisches Giessereiroheisen das
schottische fast gänzlich verdrängt.

Für das Bessemerroheisen war erwiesenermassen ein gewisser
Siliciumgehalt notwendig. Dadurch wurde auch die Aufmerksamkeit
auf den Einfluss des Siliciumgehaltes auf das Giessereiroh-
eisen
hingelenkt. Es erregte Sensation, als der englische Metallurg
Th. Turner, der sich seit lange mit dieser Frage beschäftigt hatte,
1886 in einer Versammlung des Eisen- und Stahlinstituts in London
die Behauptung aufstellte, dass Silicium in gewissen Grenzen das
Gusseisen verbessere, indem es seine Festigkeit erhöhe, flüssigere und
glättere Güsse liefere 1). Er stellte folgende Sätze auf: 1. Ein Zusatz
von Silicium zu siliciumfreiem Eisen bewirkt eine Verbesserung der
mechanischen Eigenschaften desselben. 2. Die Maximalwerte des
Siliciumgehaltes sind für die Festigkeit oder den Widerstand gegen
Zerbrechen 0,8 Prozent, für den Elasticitätsmodul 1 Prozent, für
relative Dichtigkeit 1 (1,7) Prozent, für Zugfestigkeit 1,8 Prozent,
für Qualität zur Bearbeitung bis 2,5 Prozent. 3. Wird die gewöhn-
liche Festigkeit verlangt, so soll der Siliciumgehalt nicht viel von
1,4 Prozent abweichen; wird Weichheit und Dünnflüssigkeit verlangt,
2,5 Prozent; ein Gehalt von 3 Prozent ist schon schädlich. Wood
in Middlesborough hat Turners Tiegelversuche 1885 im grossen
wiederholt und kam zu denselben Resultaten. Er fand auch, dass,
wenn man weisses Roheisen mit Eisensilicid schmolz, ein Teil des
Kohlenstoffs als Graphit ausgeschieden werde und graues Roheisen
entstehe. Diese Entdeckungen waren indes an sich nicht neu, indem
die zu Grunde liegenden Thatsachen wenigstens in Deutschland längst

1) Sitzungsberichte der Chemical Society vom 18. Juni und 5. November 1885;
Stahl und Eisen 1885, S. 418.
Die Eisengieſserei seit 1870.

Die Anforderungen an die chemische Zusammensetzung des Gieſserei-
roheisens haben aber auch auf die Erzeugung desselben im Hochofen
weittragenden Einfluſs geübt. Durch die Bemühungen, graues Hämatit-
roheisen für das Bessemern zu erblasen, wurde man dazu geführt,
auch ein gutes, grobkörniges Gieſsereieisen, welches dem schottischen
an Güte gleichkam, auf dem Kontinent zu erzeugen. Infolgedessen
wurde die Alleinherrschaft des schottischen Gieſsereieisens für Quali-
tätsguſs gebrochen. Für Deutschland waren die von Wachler 1877
ausgeführten Qualitätsuntersuchungen von rheinisch-westfälischen und
ausländischen Roheisensorten, auf welche wir in der Geschichte des
Eisens in Deutschland zurückkommen werden, von maſsgebender
Bedeutung. Seit dieser Zeit hat im südlichen und westlichen Deutsch-
land rheinisch-westfälisches und nassauisches Gieſsereiroheisen das
schottische fast gänzlich verdrängt.

Für das Bessemerroheisen war erwiesenermaſsen ein gewisser
Siliciumgehalt notwendig. Dadurch wurde auch die Aufmerksamkeit
auf den Einfluſs des Siliciumgehaltes auf das Gieſsereiroh-
eisen
hingelenkt. Es erregte Sensation, als der englische Metallurg
Th. Turner, der sich seit lange mit dieser Frage beschäftigt hatte,
1886 in einer Versammlung des Eisen- und Stahlinstituts in London
die Behauptung aufstellte, daſs Silicium in gewissen Grenzen das
Guſseisen verbessere, indem es seine Festigkeit erhöhe, flüssigere und
glättere Güsse liefere 1). Er stellte folgende Sätze auf: 1. Ein Zusatz
von Silicium zu siliciumfreiem Eisen bewirkt eine Verbesserung der
mechanischen Eigenschaften desselben. 2. Die Maximalwerte des
Siliciumgehaltes sind für die Festigkeit oder den Widerstand gegen
Zerbrechen 0,8 Prozent, für den Elasticitätsmodul 1 Prozent, für
relative Dichtigkeit 1 (1,7) Prozent, für Zugfestigkeit 1,8 Prozent,
für Qualität zur Bearbeitung bis 2,5 Prozent. 3. Wird die gewöhn-
liche Festigkeit verlangt, so soll der Siliciumgehalt nicht viel von
1,4 Prozent abweichen; wird Weichheit und Dünnflüssigkeit verlangt,
2,5 Prozent; ein Gehalt von 3 Prozent ist schon schädlich. Wood
in Middlesborough hat Turners Tiegelversuche 1885 im groſsen
wiederholt und kam zu denselben Resultaten. Er fand auch, daſs,
wenn man weiſses Roheisen mit Eisensilicid schmolz, ein Teil des
Kohlenstoffs als Graphit ausgeschieden werde und graues Roheisen
entstehe. Diese Entdeckungen waren indes an sich nicht neu, indem
die zu Grunde liegenden Thatsachen wenigstens in Deutschland längst

1) Sitzungsberichte der Chemical Society vom 18. Juni und 5. November 1885;
Stahl und Eisen 1885, S. 418.
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[527/0543] Die Eisengieſserei seit 1870. Die Anforderungen an die chemische Zusammensetzung des Gieſserei- roheisens haben aber auch auf die Erzeugung desselben im Hochofen weittragenden Einfluſs geübt. Durch die Bemühungen, graues Hämatit- roheisen für das Bessemern zu erblasen, wurde man dazu geführt, auch ein gutes, grobkörniges Gieſsereieisen, welches dem schottischen an Güte gleichkam, auf dem Kontinent zu erzeugen. Infolgedessen wurde die Alleinherrschaft des schottischen Gieſsereieisens für Quali- tätsguſs gebrochen. Für Deutschland waren die von Wachler 1877 ausgeführten Qualitätsuntersuchungen von rheinisch-westfälischen und ausländischen Roheisensorten, auf welche wir in der Geschichte des Eisens in Deutschland zurückkommen werden, von maſsgebender Bedeutung. Seit dieser Zeit hat im südlichen und westlichen Deutsch- land rheinisch-westfälisches und nassauisches Gieſsereiroheisen das schottische fast gänzlich verdrängt. Für das Bessemerroheisen war erwiesenermaſsen ein gewisser Siliciumgehalt notwendig. Dadurch wurde auch die Aufmerksamkeit auf den Einfluſs des Siliciumgehaltes auf das Gieſsereiroh- eisen hingelenkt. Es erregte Sensation, als der englische Metallurg Th. Turner, der sich seit lange mit dieser Frage beschäftigt hatte, 1886 in einer Versammlung des Eisen- und Stahlinstituts in London die Behauptung aufstellte, daſs Silicium in gewissen Grenzen das Guſseisen verbessere, indem es seine Festigkeit erhöhe, flüssigere und glättere Güsse liefere 1). Er stellte folgende Sätze auf: 1. Ein Zusatz von Silicium zu siliciumfreiem Eisen bewirkt eine Verbesserung der mechanischen Eigenschaften desselben. 2. Die Maximalwerte des Siliciumgehaltes sind für die Festigkeit oder den Widerstand gegen Zerbrechen 0,8 Prozent, für den Elasticitätsmodul 1 Prozent, für relative Dichtigkeit 1 (1,7) Prozent, für Zugfestigkeit 1,8 Prozent, für Qualität zur Bearbeitung bis 2,5 Prozent. 3. Wird die gewöhn- liche Festigkeit verlangt, so soll der Siliciumgehalt nicht viel von 1,4 Prozent abweichen; wird Weichheit und Dünnflüssigkeit verlangt, 2,5 Prozent; ein Gehalt von 3 Prozent ist schon schädlich. Wood in Middlesborough hat Turners Tiegelversuche 1885 im groſsen wiederholt und kam zu denselben Resultaten. Er fand auch, daſs, wenn man weiſses Roheisen mit Eisensilicid schmolz, ein Teil des Kohlenstoffs als Graphit ausgeschieden werde und graues Roheisen entstehe. Diese Entdeckungen waren indes an sich nicht neu, indem die zu Grunde liegenden Thatsachen wenigstens in Deutschland längst 1) Sitzungsberichte der Chemical Society vom 18. Juni und 5. November 1885; Stahl und Eisen 1885, S. 418.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/543>, abgerufen am 22.11.2024.