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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Brennmaterial.
deshalb dieses Ofensystem, welches mit zweiräumigen Lufterhitzern
(Rekuperatoren) versehen ist, in England Simon-Carves. Obgleich
der Teer dieser Öefen reich an Naphtalin und Anthracen war und
dem Gasteer glich, so sprach man sich auf der Versammlung des
Iron and Steel Institute 1885 doch zu Gunsten der Jameson- gegen-
über der Simon-Carvesöfen aus, weil letztere zu kompliziert und zu
teuer seien. Versuche von Lowthian Bell ergaben, dass die Koks
der Carvesöfen 10 Prozent geringeren Wert im Hochofen haben als
die Koks aus Bienenkorböfen. Dennoch fanden diese mehr und mehr
Verbreitung.

Am Ende der Bodenzüge der Carvesöfen befand sich eine
kleine Rostfeuerung. Die Kammern hatten sehr vollkommenen Luft-
abschluss. Die flüchtigen Verkokungsprodukte wurden in der Mitte
durch ein Rohr abgesogen, durchstrichen einen Wasserkasten, in dem
sich Teer und Ammoniakwasser absetzte, dann ein Röhrensystem mit
Wasserkühlung und Scrubbers, mit Koks gefüllte Gefässe, in denen
Wasser, dem Gasstrome entgegen, rieselte. Dann erst gelangte das
Gas in die Verbrennungsräume. Die Öfen von Terre-noire waren
6 m lang, 1,45 m hoch und 0,60 bis 0,75 m breit. Bei Crook in Durham
erzielte man 77 Prozent Koks, 2,8 Prozent Teer und 16,6 Prozent
Gaswasser.

Die von Hüssener verbesserten Öfen zu Gelsenkirchen in West-
falen konnten durch eine Ausdrückmaschine entleert werden. Er
leitete heisse Luft in den Verbrennungsraum, da ohne solche die
Öfen nicht heiss genug gingen. Die Öfen der Kohlendestillations-
gesellschaft, die 1882 in Betrieb kamen, waren 9 m lang, 1,8 m hoch
und 0,575 m breit. Der Teer enthielt 1,08 Prozent Benzol (bei 80 bis
140° siedend), 0,39 Prozent Naphtalin, 1,37 Prozent Phenol, 0,97 Pro-
zent Anthracen.

Bei dem wachsenden Bedarf an Teer, besonders seitens der
Teerfarbenfabrikation, suchte man auch die bestehenden Koksöfen-
konstruktionen mit Kondensation zu verbinden.

H. Semet baute 1882 zu Bellevue in Belgien seine ersten sechs
Versuchsöfen nach dem System Semet-Solvay. 1883 baute die
Solvay-Gesellschaft 25 solcher Öfen auf der Grube Havre.

Gustav Hoffmann zu Neulässig bei Gottesberg erfand 1882
einen Regenerativkoksofen mit Kondensation (D. R. P. Nr. 18795), der
zuerst 1883 zu Gottesberg in Schlesien in Ausführung kam. Dr. C. Otto
verband sich mit Hoffmann, wendete dessen Princip auf seine Kon-

Brennmaterial.
deshalb dieses Ofensystem, welches mit zweiräumigen Lufterhitzern
(Rekuperatoren) versehen ist, in England Simon-Carvés. Obgleich
der Teer dieser Öefen reich an Naphtalin und Anthracen war und
dem Gasteer glich, so sprach man sich auf der Versammlung des
Iron and Steel Institute 1885 doch zu Gunsten der Jameson- gegen-
über der Simon-Carvésöfen aus, weil letztere zu kompliziert und zu
teuer seien. Versuche von Lowthian Bell ergaben, daſs die Koks
der Carvésöfen 10 Prozent geringeren Wert im Hochofen haben als
die Koks aus Bienenkorböfen. Dennoch fanden diese mehr und mehr
Verbreitung.

Am Ende der Bodenzüge der Carvésöfen befand sich eine
kleine Rostfeuerung. Die Kammern hatten sehr vollkommenen Luft-
abschluſs. Die flüchtigen Verkokungsprodukte wurden in der Mitte
durch ein Rohr abgesogen, durchstrichen einen Wasserkasten, in dem
sich Teer und Ammoniakwasser absetzte, dann ein Röhrensystem mit
Wasserkühlung und Scrubbers, mit Koks gefüllte Gefäſse, in denen
Wasser, dem Gasstrome entgegen, rieselte. Dann erst gelangte das
Gas in die Verbrennungsräume. Die Öfen von Terre-noire waren
6 m lang, 1,45 m hoch und 0,60 bis 0,75 m breit. Bei Crook in Durham
erzielte man 77 Prozent Koks, 2,8 Prozent Teer und 16,6 Prozent
Gaswasser.

Die von Hüssener verbesserten Öfen zu Gelsenkirchen in West-
falen konnten durch eine Ausdrückmaschine entleert werden. Er
leitete heiſse Luft in den Verbrennungsraum, da ohne solche die
Öfen nicht heiſs genug gingen. Die Öfen der Kohlendestillations-
gesellschaft, die 1882 in Betrieb kamen, waren 9 m lang, 1,8 m hoch
und 0,575 m breit. Der Teer enthielt 1,08 Prozent Benzol (bei 80 bis
140° siedend), 0,39 Prozent Naphtalin, 1,37 Prozent Phenol, 0,97 Pro-
zent Anthracen.

Bei dem wachsenden Bedarf an Teer, besonders seitens der
Teerfarbenfabrikation, suchte man auch die bestehenden Koksöfen-
konstruktionen mit Kondensation zu verbinden.

H. Semet baute 1882 zu Bellevue in Belgien seine ersten sechs
Versuchsöfen nach dem System Semet-Solvay. 1883 baute die
Solvay-Gesellschaft 25 solcher Öfen auf der Grube Havré.

Gustav Hoffmann zu Neulässig bei Gottesberg erfand 1882
einen Regenerativkoksofen mit Kondensation (D. R. P. Nr. 18795), der
zuerst 1883 zu Gottesberg in Schlesien in Ausführung kam. Dr. C. Otto
verband sich mit Hoffmann, wendete dessen Princip auf seine Kon-

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[411/0427] Brennmaterial. deshalb dieses Ofensystem, welches mit zweiräumigen Lufterhitzern (Rekuperatoren) versehen ist, in England Simon-Carvés. Obgleich der Teer dieser Öefen reich an Naphtalin und Anthracen war und dem Gasteer glich, so sprach man sich auf der Versammlung des Iron and Steel Institute 1885 doch zu Gunsten der Jameson- gegen- über der Simon-Carvésöfen aus, weil letztere zu kompliziert und zu teuer seien. Versuche von Lowthian Bell ergaben, daſs die Koks der Carvésöfen 10 Prozent geringeren Wert im Hochofen haben als die Koks aus Bienenkorböfen. Dennoch fanden diese mehr und mehr Verbreitung. Am Ende der Bodenzüge der Carvésöfen befand sich eine kleine Rostfeuerung. Die Kammern hatten sehr vollkommenen Luft- abschluſs. Die flüchtigen Verkokungsprodukte wurden in der Mitte durch ein Rohr abgesogen, durchstrichen einen Wasserkasten, in dem sich Teer und Ammoniakwasser absetzte, dann ein Röhrensystem mit Wasserkühlung und Scrubbers, mit Koks gefüllte Gefäſse, in denen Wasser, dem Gasstrome entgegen, rieselte. Dann erst gelangte das Gas in die Verbrennungsräume. Die Öfen von Terre-noire waren 6 m lang, 1,45 m hoch und 0,60 bis 0,75 m breit. Bei Crook in Durham erzielte man 77 Prozent Koks, 2,8 Prozent Teer und 16,6 Prozent Gaswasser. Die von Hüssener verbesserten Öfen zu Gelsenkirchen in West- falen konnten durch eine Ausdrückmaschine entleert werden. Er leitete heiſse Luft in den Verbrennungsraum, da ohne solche die Öfen nicht heiſs genug gingen. Die Öfen der Kohlendestillations- gesellschaft, die 1882 in Betrieb kamen, waren 9 m lang, 1,8 m hoch und 0,575 m breit. Der Teer enthielt 1,08 Prozent Benzol (bei 80 bis 140° siedend), 0,39 Prozent Naphtalin, 1,37 Prozent Phenol, 0,97 Pro- zent Anthracen. Bei dem wachsenden Bedarf an Teer, besonders seitens der Teerfarbenfabrikation, suchte man auch die bestehenden Koksöfen- konstruktionen mit Kondensation zu verbinden. H. Semet baute 1882 zu Bellevue in Belgien seine ersten sechs Versuchsöfen nach dem System Semet-Solvay. 1883 baute die Solvay-Gesellschaft 25 solcher Öfen auf der Grube Havré. Gustav Hoffmann zu Neulässig bei Gottesberg erfand 1882 einen Regenerativkoksofen mit Kondensation (D. R. P. Nr. 18795), der zuerst 1883 zu Gottesberg in Schlesien in Ausführung kam. Dr. C. Otto verband sich mit Hoffmann, wendete dessen Princip auf seine Kon-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/427>, abgerufen am 03.05.2024.