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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Chemie.

Nach Ledeburs Versuchen ist anzunehmen, dass kein Handels-
eisen mehr als 10 Vol.- oder 0,01 Gew.-Prozent Wasserstoff in seiner
Masse zurückhält. Ob der Wasserstoff zum Teil an Stickstoff ge-
bunden als Ammoniak vorhanden ist, scheint glaubhaft, ist jedoch nicht
erwiesen.

Einen nachteiligen Einfluss übt das absorbierte Wasserstoffgas
auf das Eisen nicht aus, höchstens kann es unter Umständen Blasen-
bildung erwirken.

Der Wasserstoff verbindet sich unter gewissen Bedingungen, be-
sonders wenn er in grösserer Menge im status nascendi mit Eisen in
Berührung kommt, zu einer festeren Form, welche Ledebur als Legie-
rung bezeichnet 1). Dann macht er das Eisen kaltbrüchig. Diese Er-
scheinung tritt besonders bei der Beizung von Eisendraht mit Säuren
auf, weshalb Ledebur, der genauere Untersuchungen darüber angestellt
hat, sie als "Beizbrüchigkeit" bezeichnet.

Neuerdings hat E. Heyn in Charlottenburg nachgewiesen, dass
das Eisen zwischen den kritischen Punkten A2 und A3 etwa zwischen
730 und 1000° C. eine grössere Absorptionsfähigkeit für Wasserstoff
hat als über oder unter diesen Temperaturgrenzen 2).

Über den Stickstoffgehalt des Eisens hat A. H. Allen 3) neuere
Untersuchungen veröffentlicht, welche bestätigen, dass der Stickstoff-
gehalt im Eisen nur gering sein und die Eigenschaften des Eisens kaum
beeinflussen kann. Während Allen in Spiegeleisen nur 0,041 Prozent
auffand, betrug der höchste in einem Gussstahl mit 1,30 Prozent
Kohlenstoff aufgefundene Stickstoffgehalt 0,0172 Prozent. Ebenso fand
Tholander4) in verschiedenen Flusseisensorten 0,006 bis 0,022 Prozent
Stickstoff.

Weit wichtiger ist das Verhalten des Eisens und der Eisenoxyd-
verbindungen zu Kohlenoxydgas. Fassen wir zunächst, an das
Vorhergehende anknüpfend, die Löslichkeit des Kohlenoxydgases im
Eisen ins Auge, so ist diese in kaltem Eisen gering. Fr. Müller
fand in den durch Anbohren von kaltem Eisen aufgefangenen Gasen
nur sehr geringe Mengen Kohlenoxydgas, wie aus der Tabelle, S. 352,
zu ersehen ist. Dagegen wies er einen beträchtlich höheren Kohlen-
oxydgehalt in den aus dem flüssigen Metall austretenden Gasen nach.
Dies erklärt sich zum Teil schon aus der im flüssigen Metall vor sich

1) Siehe Handbuch der Eisenhüttenkunde 1894, S. 310.
2) Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 837.
3) Iron XVI, p. 132.
4) Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 115.
Beck, Geschichte des Eisens. 23
Chemie.

Nach Ledeburs Versuchen ist anzunehmen, daſs kein Handels-
eisen mehr als 10 Vol.- oder 0,01 Gew.-Prozent Wasserstoff in seiner
Masse zurückhält. Ob der Wasserstoff zum Teil an Stickstoff ge-
bunden als Ammoniak vorhanden ist, scheint glaubhaft, ist jedoch nicht
erwiesen.

Einen nachteiligen Einfluſs übt das absorbierte Wasserstoffgas
auf das Eisen nicht aus, höchstens kann es unter Umständen Blasen-
bildung erwirken.

Der Wasserstoff verbindet sich unter gewissen Bedingungen, be-
sonders wenn er in gröſserer Menge im status nascendi mit Eisen in
Berührung kommt, zu einer festeren Form, welche Ledebur als Legie-
rung bezeichnet 1). Dann macht er das Eisen kaltbrüchig. Diese Er-
scheinung tritt besonders bei der Beizung von Eisendraht mit Säuren
auf, weshalb Ledebur, der genauere Untersuchungen darüber angestellt
hat, sie als „Beizbrüchigkeit“ bezeichnet.

Neuerdings hat E. Heyn in Charlottenburg nachgewiesen, daſs
das Eisen zwischen den kritischen Punkten A2 und A3 etwa zwischen
730 und 1000° C. eine gröſsere Absorptionsfähigkeit für Wasserstoff
hat als über oder unter diesen Temperaturgrenzen 2).

Über den Stickstoffgehalt des Eisens hat A. H. Allen 3) neuere
Untersuchungen veröffentlicht, welche bestätigen, daſs der Stickstoff-
gehalt im Eisen nur gering sein und die Eigenschaften des Eisens kaum
beeinflussen kann. Während Allen in Spiegeleisen nur 0,041 Prozent
auffand, betrug der höchste in einem Guſsstahl mit 1,30 Prozent
Kohlenstoff aufgefundene Stickstoffgehalt 0,0172 Prozent. Ebenso fand
Tholander4) in verschiedenen Fluſseisensorten 0,006 bis 0,022 Prozent
Stickstoff.

Weit wichtiger ist das Verhalten des Eisens und der Eisenoxyd-
verbindungen zu Kohlenoxydgas. Fassen wir zunächst, an das
Vorhergehende anknüpfend, die Löslichkeit des Kohlenoxydgases im
Eisen ins Auge, so ist diese in kaltem Eisen gering. Fr. Müller
fand in den durch Anbohren von kaltem Eisen aufgefangenen Gasen
nur sehr geringe Mengen Kohlenoxydgas, wie aus der Tabelle, S. 352,
zu ersehen ist. Dagegen wies er einen beträchtlich höheren Kohlen-
oxydgehalt in den aus dem flüssigen Metall austretenden Gasen nach.
Dies erklärt sich zum Teil schon aus der im flüssigen Metall vor sich

1) Siehe Handbuch der Eisenhüttenkunde 1894, S. 310.
2) Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 837.
3) Iron XVI, p. 132.
4) Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 115.
Beck, Geschichte des Eisens. 23
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[353/0369] Chemie. Nach Ledeburs Versuchen ist anzunehmen, daſs kein Handels- eisen mehr als 10 Vol.- oder 0,01 Gew.-Prozent Wasserstoff in seiner Masse zurückhält. Ob der Wasserstoff zum Teil an Stickstoff ge- bunden als Ammoniak vorhanden ist, scheint glaubhaft, ist jedoch nicht erwiesen. Einen nachteiligen Einfluſs übt das absorbierte Wasserstoffgas auf das Eisen nicht aus, höchstens kann es unter Umständen Blasen- bildung erwirken. Der Wasserstoff verbindet sich unter gewissen Bedingungen, be- sonders wenn er in gröſserer Menge im status nascendi mit Eisen in Berührung kommt, zu einer festeren Form, welche Ledebur als Legie- rung bezeichnet 1). Dann macht er das Eisen kaltbrüchig. Diese Er- scheinung tritt besonders bei der Beizung von Eisendraht mit Säuren auf, weshalb Ledebur, der genauere Untersuchungen darüber angestellt hat, sie als „Beizbrüchigkeit“ bezeichnet. Neuerdings hat E. Heyn in Charlottenburg nachgewiesen, daſs das Eisen zwischen den kritischen Punkten A2 und A3 etwa zwischen 730 und 1000° C. eine gröſsere Absorptionsfähigkeit für Wasserstoff hat als über oder unter diesen Temperaturgrenzen 2). Über den Stickstoffgehalt des Eisens hat A. H. Allen 3) neuere Untersuchungen veröffentlicht, welche bestätigen, daſs der Stickstoff- gehalt im Eisen nur gering sein und die Eigenschaften des Eisens kaum beeinflussen kann. Während Allen in Spiegeleisen nur 0,041 Prozent auffand, betrug der höchste in einem Guſsstahl mit 1,30 Prozent Kohlenstoff aufgefundene Stickstoffgehalt 0,0172 Prozent. Ebenso fand Tholander 4) in verschiedenen Fluſseisensorten 0,006 bis 0,022 Prozent Stickstoff. Weit wichtiger ist das Verhalten des Eisens und der Eisenoxyd- verbindungen zu Kohlenoxydgas. Fassen wir zunächst, an das Vorhergehende anknüpfend, die Löslichkeit des Kohlenoxydgases im Eisen ins Auge, so ist diese in kaltem Eisen gering. Fr. Müller fand in den durch Anbohren von kaltem Eisen aufgefangenen Gasen nur sehr geringe Mengen Kohlenoxydgas, wie aus der Tabelle, S. 352, zu ersehen ist. Dagegen wies er einen beträchtlich höheren Kohlen- oxydgehalt in den aus dem flüssigen Metall austretenden Gasen nach. Dies erklärt sich zum Teil schon aus der im flüssigen Metall vor sich 1) Siehe Handbuch der Eisenhüttenkunde 1894, S. 310. 2) Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 837. 3) Iron XVI, p. 132. 4) Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 115. Beck, Geschichte des Eisens. 23

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/369>, abgerufen am 24.11.2024.