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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Cement- und Gussstahlfabrikation 1861 bis 1870.
Vital Daelen zu Berlin konstruiert 1). Eine kombinierte Bewegung,
d. h. eine Uebertragung des Dampfdruckes durch Räder auf die Press-
schraube, hatte Perard und Berchmanns Tiegelpresse.

Beachtenswert waren auch die Versuche, unschmelzbare Schmelz-
tiegel aus Ätzkalk herzustellen. Da es nahezu unmöglich war, halt-
bare Tiegel direkt aus Atzkalk herzustellen, so schlug David Forbes
folgendes Verfahren vor. Er stampfte feuerfeste Thontiegel fest voll
Lampenruss, schnitt daraus einen Tiegel aus, so dass die Wände mit
ca. einem halben Zoll Russ bedeckt blieben; alsdann stampfte er
diesen Kohlentiegel mit Ätzkalk aus, aus dem er dann in der ähn-
lichen Weise den Kalktiegel ausschnitt. Zum Schmelzen von einigen
Pfunden von weichem Eisen, Kobalt u. s. w. bewährten sich diese
Tiegel ganz gut. -- Caron empfahl 1868 die Herstellung von Stahl-
schmelztiegeln aus Magnesit von Euböa.

Ein von Rochusen konstruierter Stahlschmelzofen bestand in
einem grossen Tiegel, der so viel fasste, wie eine ganze Gruppe kleiner
und der sich mit dem Ofen umkippen liess. Es sollten dadurch
25 Prozent an Arbeitslohn erspart werden.

Es erübrigt uns noch, verschiedene Stahlbereitungsverfahren und
Vorschläge dazu, die sich zwar an die beschriebenen anlehnen, aber
doch von denselben abweichen, zu betrachten.

Die Stahlerzeugung im Schachtofen wollte Parry (Patent vom
18. November 1861) dadurch erreichen, dass er Puddeleisen oder
Eisenabfälle im Kupolofen schmolz, das Eisen sollte cementiert und
zu Gussstahl geschmolzen werden. Weicheren Stahl wollte er
dadurch erzielen, dass er durch an dem Boden angebrachte Formen
Wind durch das geschmolzene Metall blies. Beschleunigt wurde
der Prozess dadurch, dass man erst ein Quantum reinen Roheisens
einschmolz, ehe man das gefrischte Eisen aufgab. Es ist dies das in
den Giessereien zur Herstellung von ordinärem Stahlguss gebräuchliche
Verfahren.

Auf der Pariser Ausstellung 1867 erregte neben dem Flammofen-
schmelzen der Gebrüder Martin besonders das Salpeterverfahren von
John Heaton, worauf dieser am 17. März 1866 in England ein
Patent erhalten hatte, Aufsehen. Danach sollte flüssiges Roheisen in
einem rotierenden Cylinder, an dem mit Salpeter gefüllte eiserne
Kapseln befestigt waren, in Stahl verwandelt werden. Einem
zweiten Patent vom 3. Mai 1867 waren Zeichnungen beigefügt.

1) Siehe Wedding-Percy a. a. O. III, 624.

Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.
Vital Daelen zu Berlin konstruiert 1). Eine kombinierte Bewegung,
d. h. eine Uebertragung des Dampfdruckes durch Räder auf die Preſs-
schraube, hatte Pérard und Berchmanns Tiegelpresse.

Beachtenswert waren auch die Versuche, unschmelzbare Schmelz-
tiegel aus Ätzkalk herzustellen. Da es nahezu unmöglich war, halt-
bare Tiegel direkt aus Atzkalk herzustellen, so schlug David Forbes
folgendes Verfahren vor. Er stampfte feuerfeste Thontiegel fest voll
Lampenruſs, schnitt daraus einen Tiegel aus, so daſs die Wände mit
ca. einem halben Zoll Ruſs bedeckt blieben; alsdann stampfte er
diesen Kohlentiegel mit Ätzkalk aus, aus dem er dann in der ähn-
lichen Weise den Kalktiegel ausschnitt. Zum Schmelzen von einigen
Pfunden von weichem Eisen, Kobalt u. s. w. bewährten sich diese
Tiegel ganz gut. — Caron empfahl 1868 die Herstellung von Stahl-
schmelztiegeln aus Magnesit von Euböa.

Ein von Rochusen konstruierter Stahlschmelzofen bestand in
einem groſsen Tiegel, der so viel faſste, wie eine ganze Gruppe kleiner
und der sich mit dem Ofen umkippen lieſs. Es sollten dadurch
25 Prozent an Arbeitslohn erspart werden.

Es erübrigt uns noch, verschiedene Stahlbereitungsverfahren und
Vorschläge dazu, die sich zwar an die beschriebenen anlehnen, aber
doch von denselben abweichen, zu betrachten.

Die Stahlerzeugung im Schachtofen wollte Parry (Patent vom
18. November 1861) dadurch erreichen, daſs er Puddeleisen oder
Eisenabfälle im Kupolofen schmolz, das Eisen sollte cementiert und
zu Guſsstahl geschmolzen werden. Weicheren Stahl wollte er
dadurch erzielen, daſs er durch an dem Boden angebrachte Formen
Wind durch das geschmolzene Metall blies. Beschleunigt wurde
der Prozeſs dadurch, daſs man erst ein Quantum reinen Roheisens
einschmolz, ehe man das gefrischte Eisen aufgab. Es ist dies das in
den Gieſsereien zur Herstellung von ordinärem Stahlguſs gebräuchliche
Verfahren.

Auf der Pariser Ausstellung 1867 erregte neben dem Flammofen-
schmelzen der Gebrüder Martin besonders das Salpeterverfahren von
John Heaton, worauf dieser am 17. März 1866 in England ein
Patent erhalten hatte, Aufsehen. Danach sollte flüssiges Roheisen in
einem rotierenden Cylinder, an dem mit Salpeter gefüllte eiserne
Kapseln befestigt waren, in Stahl verwandelt werden. Einem
zweiten Patent vom 3. Mai 1867 waren Zeichnungen beigefügt.

1) Siehe Wedding-Percy a. a. O. III, 624.
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[188/0204] Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870. Vital Daelen zu Berlin konstruiert 1). Eine kombinierte Bewegung, d. h. eine Uebertragung des Dampfdruckes durch Räder auf die Preſs- schraube, hatte Pérard und Berchmanns Tiegelpresse. Beachtenswert waren auch die Versuche, unschmelzbare Schmelz- tiegel aus Ätzkalk herzustellen. Da es nahezu unmöglich war, halt- bare Tiegel direkt aus Atzkalk herzustellen, so schlug David Forbes folgendes Verfahren vor. Er stampfte feuerfeste Thontiegel fest voll Lampenruſs, schnitt daraus einen Tiegel aus, so daſs die Wände mit ca. einem halben Zoll Ruſs bedeckt blieben; alsdann stampfte er diesen Kohlentiegel mit Ätzkalk aus, aus dem er dann in der ähn- lichen Weise den Kalktiegel ausschnitt. Zum Schmelzen von einigen Pfunden von weichem Eisen, Kobalt u. s. w. bewährten sich diese Tiegel ganz gut. — Caron empfahl 1868 die Herstellung von Stahl- schmelztiegeln aus Magnesit von Euböa. Ein von Rochusen konstruierter Stahlschmelzofen bestand in einem groſsen Tiegel, der so viel faſste, wie eine ganze Gruppe kleiner und der sich mit dem Ofen umkippen lieſs. Es sollten dadurch 25 Prozent an Arbeitslohn erspart werden. Es erübrigt uns noch, verschiedene Stahlbereitungsverfahren und Vorschläge dazu, die sich zwar an die beschriebenen anlehnen, aber doch von denselben abweichen, zu betrachten. Die Stahlerzeugung im Schachtofen wollte Parry (Patent vom 18. November 1861) dadurch erreichen, daſs er Puddeleisen oder Eisenabfälle im Kupolofen schmolz, das Eisen sollte cementiert und zu Guſsstahl geschmolzen werden. Weicheren Stahl wollte er dadurch erzielen, daſs er durch an dem Boden angebrachte Formen Wind durch das geschmolzene Metall blies. Beschleunigt wurde der Prozeſs dadurch, daſs man erst ein Quantum reinen Roheisens einschmolz, ehe man das gefrischte Eisen aufgab. Es ist dies das in den Gieſsereien zur Herstellung von ordinärem Stahlguſs gebräuchliche Verfahren. Auf der Pariser Ausstellung 1867 erregte neben dem Flammofen- schmelzen der Gebrüder Martin besonders das Salpeterverfahren von John Heaton, worauf dieser am 17. März 1866 in England ein Patent erhalten hatte, Aufsehen. Danach sollte flüssiges Roheisen in einem rotierenden Cylinder, an dem mit Salpeter gefüllte eiserne Kapseln befestigt waren, in Stahl verwandelt werden. Einem zweiten Patent vom 3. Mai 1867 waren Zeichnungen beigefügt. 1) Siehe Wedding-Percy a. a. O. III, 624.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/204>, abgerufen am 16.04.2024.