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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

James Hargreaves nahm am 6. August 1868 ein neues Patent
auf sein Verfahren, Eisen und Stahl aus Roheisen durch Einleiten
von Sauerstoffgas, wodurch Schwefel und Phosphor abgeschieden
werden sollten, in der Bessemerbirne zu machen. Er wollte dabei
gegen Ende des Bessemerns heisse Luft einblasen, um die Temperatur
des flüssigen Metalls zu erhöhen und reinere Güsse zu erhalten. Er
schlug ferner vor, das im Kupolofen geschmolzene Roheisen erst in
einen Vorherd zu leiten und es durch längeres Erhitzen oder auch
durch Zusatz von Metalloxyden zu reinigen, oder oxydierende Salze,
die mit Eisen- und Manganoxyd oder Kalk zu festen Brocken geformt
sind, in die Bessemerbirne einzuwerfen.

Heinrich Bessemer war unermüdlich, immer neue Mittel und
Wege ausfindig zu machen, um das wichtige Problem, bei seinem Ver-
fahren Schwefel und Phosphor abzuscheiden und dadurch auch die
gewöhnlichen Roheisensorten durch seinen pneumatischen Prozess in
Stahl verwandeln zu können, zu lösen. Im Jahre 1869 verfiel er auf ein
neues Prinzip, indem er das Frischen unter höherem Druck vornahm. Er
erwarb hierfür vier Patente vom 10. Mai (Nr. 1431 bis 1435); davon
beziehen sich Nr. 1433 und 1434 speciell auf das Bessemern. Manche
Roheisensorten, sagt er, erzeugen bei dem Bessemerprozess keine
genügende Wärme, um die ganze Masse des erzeugten Stahls bis zum
Ausgiessen in die Formen hinreichend flüssig zu erhalten. Um diesem
Übel zu steuern, hält man die Gase, welche sich bei der Operation
bilden, durch einen Gegendruck von 8 bis 15 Pfund auf den Quadrat-
zoll in dem Konverter zurück; dadurch findet die Verbrennung des
Kohlenstoffs in dem Metall unter Druck statt, wodurch die Temperatur
des Metallbades gesteigert wird. Zu diesem Zweck muss man den
Apparat sehr stark machen, die Mündung kreisförmig zusammenziehen
und mit einem Ring versehen. Man verengt die Mündung aber nicht
auf das Äusserste, weil sie sich dann zu leicht durch ausgeschleudertes
Metall oder Schlacke verstopfen würde, sondern verschliesst sie teil-
weise durch einen beweglichen feuerfesten Thonpfropfen an einer
eisernen Stange, die durch Schraube oder Hebel bewegt oder
durch eine Feder oder einen Federhebel angedrückt wird. Selbst-
verständlich muss der Winddruck entsprechend dem Gegendruck
verstärkt werden. Dasselbe Verfahren wendet man bei dem Salpeter-
verfahren an und lässt hier den Gegendruck von 5 bis 10 Atmo-
sphären steigen. Der hierfür von Bessemer angegebene Apparat ist
im Prinzip den obigen gleich, in der Ausführung aber etwas kompli-
zierter. Bessemer hat denselben Grundsatz, höhere Wirkung durch

Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.

James Hargreaves nahm am 6. August 1868 ein neues Patent
auf sein Verfahren, Eisen und Stahl aus Roheisen durch Einleiten
von Sauerstoffgas, wodurch Schwefel und Phosphor abgeschieden
werden sollten, in der Bessemerbirne zu machen. Er wollte dabei
gegen Ende des Bessemerns heiſse Luft einblasen, um die Temperatur
des flüssigen Metalls zu erhöhen und reinere Güsse zu erhalten. Er
schlug ferner vor, das im Kupolofen geschmolzene Roheisen erst in
einen Vorherd zu leiten und es durch längeres Erhitzen oder auch
durch Zusatz von Metalloxyden zu reinigen, oder oxydierende Salze,
die mit Eisen- und Manganoxyd oder Kalk zu festen Brocken geformt
sind, in die Bessemerbirne einzuwerfen.

Heinrich Bessemer war unermüdlich, immer neue Mittel und
Wege ausfindig zu machen, um das wichtige Problem, bei seinem Ver-
fahren Schwefel und Phosphor abzuscheiden und dadurch auch die
gewöhnlichen Roheisensorten durch seinen pneumatischen Prozeſs in
Stahl verwandeln zu können, zu lösen. Im Jahre 1869 verfiel er auf ein
neues Prinzip, indem er das Frischen unter höherem Druck vornahm. Er
erwarb hierfür vier Patente vom 10. Mai (Nr. 1431 bis 1435); davon
beziehen sich Nr. 1433 und 1434 speciell auf das Bessemern. Manche
Roheisensorten, sagt er, erzeugen bei dem Bessemerprozeſs keine
genügende Wärme, um die ganze Masse des erzeugten Stahls bis zum
Ausgieſsen in die Formen hinreichend flüssig zu erhalten. Um diesem
Übel zu steuern, hält man die Gase, welche sich bei der Operation
bilden, durch einen Gegendruck von 8 bis 15 Pfund auf den Quadrat-
zoll in dem Konverter zurück; dadurch findet die Verbrennung des
Kohlenstoffs in dem Metall unter Druck statt, wodurch die Temperatur
des Metallbades gesteigert wird. Zu diesem Zweck muſs man den
Apparat sehr stark machen, die Mündung kreisförmig zusammenziehen
und mit einem Ring versehen. Man verengt die Mündung aber nicht
auf das Äuſserste, weil sie sich dann zu leicht durch ausgeschleudertes
Metall oder Schlacke verstopfen würde, sondern verschlieſst sie teil-
weise durch einen beweglichen feuerfesten Thonpfropfen an einer
eisernen Stange, die durch Schraube oder Hebel bewegt oder
durch eine Feder oder einen Federhebel angedrückt wird. Selbst-
verständlich muſs der Winddruck entsprechend dem Gegendruck
verstärkt werden. Dasselbe Verfahren wendet man bei dem Salpeter-
verfahren an und läſst hier den Gegendruck von 5 bis 10 Atmo-
sphären steigen. Der hierfür von Bessemer angegebene Apparat ist
im Prinzip den obigen gleich, in der Ausführung aber etwas kompli-
zierter. Bessemer hat denselben Grundsatz, höhere Wirkung durch

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[167/0183] Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. James Hargreaves nahm am 6. August 1868 ein neues Patent auf sein Verfahren, Eisen und Stahl aus Roheisen durch Einleiten von Sauerstoffgas, wodurch Schwefel und Phosphor abgeschieden werden sollten, in der Bessemerbirne zu machen. Er wollte dabei gegen Ende des Bessemerns heiſse Luft einblasen, um die Temperatur des flüssigen Metalls zu erhöhen und reinere Güsse zu erhalten. Er schlug ferner vor, das im Kupolofen geschmolzene Roheisen erst in einen Vorherd zu leiten und es durch längeres Erhitzen oder auch durch Zusatz von Metalloxyden zu reinigen, oder oxydierende Salze, die mit Eisen- und Manganoxyd oder Kalk zu festen Brocken geformt sind, in die Bessemerbirne einzuwerfen. Heinrich Bessemer war unermüdlich, immer neue Mittel und Wege ausfindig zu machen, um das wichtige Problem, bei seinem Ver- fahren Schwefel und Phosphor abzuscheiden und dadurch auch die gewöhnlichen Roheisensorten durch seinen pneumatischen Prozeſs in Stahl verwandeln zu können, zu lösen. Im Jahre 1869 verfiel er auf ein neues Prinzip, indem er das Frischen unter höherem Druck vornahm. Er erwarb hierfür vier Patente vom 10. Mai (Nr. 1431 bis 1435); davon beziehen sich Nr. 1433 und 1434 speciell auf das Bessemern. Manche Roheisensorten, sagt er, erzeugen bei dem Bessemerprozeſs keine genügende Wärme, um die ganze Masse des erzeugten Stahls bis zum Ausgieſsen in die Formen hinreichend flüssig zu erhalten. Um diesem Übel zu steuern, hält man die Gase, welche sich bei der Operation bilden, durch einen Gegendruck von 8 bis 15 Pfund auf den Quadrat- zoll in dem Konverter zurück; dadurch findet die Verbrennung des Kohlenstoffs in dem Metall unter Druck statt, wodurch die Temperatur des Metallbades gesteigert wird. Zu diesem Zweck muſs man den Apparat sehr stark machen, die Mündung kreisförmig zusammenziehen und mit einem Ring versehen. Man verengt die Mündung aber nicht auf das Äuſserste, weil sie sich dann zu leicht durch ausgeschleudertes Metall oder Schlacke verstopfen würde, sondern verschlieſst sie teil- weise durch einen beweglichen feuerfesten Thonpfropfen an einer eisernen Stange, die durch Schraube oder Hebel bewegt oder durch eine Feder oder einen Federhebel angedrückt wird. Selbst- verständlich muſs der Winddruck entsprechend dem Gegendruck verstärkt werden. Dasselbe Verfahren wendet man bei dem Salpeter- verfahren an und läſst hier den Gegendruck von 5 bis 10 Atmo- sphären steigen. Der hierfür von Bessemer angegebene Apparat ist im Prinzip den obigen gleich, in der Ausführung aber etwas kompli- zierter. Bessemer hat denselben Grundsatz, höhere Wirkung durch

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/183>, abgerufen am 10.05.2024.