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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
wärmeherd soll mit dem Schmelzofen verbunden sein und auf Rädern
stehen, so dass der Ofen mit dem Einsatz dicht an den Konverter
herangefahren und in ihn entleert werden kann. Statt Roh- oder
Feineisen kann man auch Puddeleisen auf diese Weise nachsetzen.

Ferner wird in diesem Patent vorgeschlagen, das Glühen oder
das Glühen und teilweise Einschmelzen in dem Konverter selbst
vorzunehmen, was in geneigter Stellung mit Koks geschehen soll.
Auch kann das Erhitzen und Schmelzen mit Hülfe zugeleiteter brenn-
barer Gase, wozu die Gichtgase der Hochöfen verwendbar seien, vor-
genommen werden.

Am 2. Juni 1864 nahm der Deutsche Oskar E. Prieger aus
Bonn sein englisches Patent auf die Herstellung des Ferromangans,
jener manganreichen Eisenlegierung, die bestimmt war, zur Stahlver-
besserung zu dienen, und später vielfach dazu verwendet wurde, um
das Spiegeleisen, das nicht immer und überall zu haben war, zu
ersetzen. Zur Herstellung mischte er feingepulvertes Manganerz mit
Holzkohlenpulver und schmolz dies unter Zusatz von Eisenstückchen
in Graphittiegeln. Prieger gab an, dass die Legierung 60, ja selbst
80 Prozent Mangan enthalten könne und dabei noch durchaus
homogen sei.

Das schon von Vickers im vorhergehenden Jahre patentierte
Verfahren, blasenfreie Stahlgüsse dadurch zu erlangen, dass man das
flüssige Metall in einem besonderen Ofen längere Zeit in flüssigem
Zustande erhitzte, wurde am 2. November 1864 E. L. S. Benzon
(nach einer Mitteilung von A. Lohage) von neuem patentiert. Das
Metall soll dabei nach Angabe des Erfinders unter einer neutralen
Schlackendecke überschmolzen oder überhitzt werden, wodurch es
dünnflüssig und ganz gleichförmig werde.

Seit 1864 machte das Bessemerverfahren von Jahr zu Jahr
grössere und raschere Fortschritte. Die Überlegenheit des englischen
Konverterverfahrens machte sich dabei immer mehr geltend. Trotzdem
Tunner das schwedische Verfahren für die österreichischen Alpen-
länder empfohlen hatte, wurden doch die beiden Anfang 1865 in
Betrieb gesetzten Bessemerwerke zu Graz und zu Neuberg ganz nach
englischem Muster erbaut. Das letztgenannte Staatswerk, welches
gleichfalls unter Tunners Patenschaft am 9. Februar 1865 den
Betrieb eröffnet hatte, wurde die Lehr- und Musteranstalt für die
nachfolgenden österreichischen Werke, von denen die Bessemerhütten
zu Judenburg in Steiermark, Prävali in Kärnten, Witkowitz in
Mähren und Anina im Banat noch 1865 vollendet wurden.


Beck, Geschichte des Eisens. 10

Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
wärmeherd soll mit dem Schmelzofen verbunden sein und auf Rädern
stehen, so daſs der Ofen mit dem Einsatz dicht an den Konverter
herangefahren und in ihn entleert werden kann. Statt Roh- oder
Feineisen kann man auch Puddeleisen auf diese Weise nachsetzen.

Ferner wird in diesem Patent vorgeschlagen, das Glühen oder
das Glühen und teilweise Einschmelzen in dem Konverter selbst
vorzunehmen, was in geneigter Stellung mit Koks geschehen soll.
Auch kann das Erhitzen und Schmelzen mit Hülfe zugeleiteter brenn-
barer Gase, wozu die Gichtgase der Hochöfen verwendbar seien, vor-
genommen werden.

Am 2. Juni 1864 nahm der Deutsche Oskar E. Prieger aus
Bonn sein englisches Patent auf die Herstellung des Ferromangans,
jener manganreichen Eisenlegierung, die bestimmt war, zur Stahlver-
besserung zu dienen, und später vielfach dazu verwendet wurde, um
das Spiegeleisen, das nicht immer und überall zu haben war, zu
ersetzen. Zur Herstellung mischte er feingepulvertes Manganerz mit
Holzkohlenpulver und schmolz dies unter Zusatz von Eisenstückchen
in Graphittiegeln. Prieger gab an, daſs die Legierung 60, ja selbst
80 Prozent Mangan enthalten könne und dabei noch durchaus
homogen sei.

Das schon von Vickers im vorhergehenden Jahre patentierte
Verfahren, blasenfreie Stahlgüsse dadurch zu erlangen, daſs man das
flüssige Metall in einem besonderen Ofen längere Zeit in flüssigem
Zustande erhitzte, wurde am 2. November 1864 E. L. S. Benzon
(nach einer Mitteilung von A. Lohage) von neuem patentiert. Das
Metall soll dabei nach Angabe des Erfinders unter einer neutralen
Schlackendecke überschmolzen oder überhitzt werden, wodurch es
dünnflüssig und ganz gleichförmig werde.

Seit 1864 machte das Bessemerverfahren von Jahr zu Jahr
gröſsere und raschere Fortschritte. Die Überlegenheit des englischen
Konverterverfahrens machte sich dabei immer mehr geltend. Trotzdem
Tunner das schwedische Verfahren für die österreichischen Alpen-
länder empfohlen hatte, wurden doch die beiden Anfang 1865 in
Betrieb gesetzten Bessemerwerke zu Graz und zu Neuberg ganz nach
englischem Muster erbaut. Das letztgenannte Staatswerk, welches
gleichfalls unter Tunners Patenschaft am 9. Februar 1865 den
Betrieb eröffnet hatte, wurde die Lehr- und Musteranstalt für die
nachfolgenden österreichischen Werke, von denen die Bessemerhütten
zu Judenburg in Steiermark, Prävali in Kärnten, Witkowitz in
Mähren und Anina im Banat noch 1865 vollendet wurden.


Beck, Geschichte des Eisens. 10
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[145/0161] Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. wärmeherd soll mit dem Schmelzofen verbunden sein und auf Rädern stehen, so daſs der Ofen mit dem Einsatz dicht an den Konverter herangefahren und in ihn entleert werden kann. Statt Roh- oder Feineisen kann man auch Puddeleisen auf diese Weise nachsetzen. Ferner wird in diesem Patent vorgeschlagen, das Glühen oder das Glühen und teilweise Einschmelzen in dem Konverter selbst vorzunehmen, was in geneigter Stellung mit Koks geschehen soll. Auch kann das Erhitzen und Schmelzen mit Hülfe zugeleiteter brenn- barer Gase, wozu die Gichtgase der Hochöfen verwendbar seien, vor- genommen werden. Am 2. Juni 1864 nahm der Deutsche Oskar E. Prieger aus Bonn sein englisches Patent auf die Herstellung des Ferromangans, jener manganreichen Eisenlegierung, die bestimmt war, zur Stahlver- besserung zu dienen, und später vielfach dazu verwendet wurde, um das Spiegeleisen, das nicht immer und überall zu haben war, zu ersetzen. Zur Herstellung mischte er feingepulvertes Manganerz mit Holzkohlenpulver und schmolz dies unter Zusatz von Eisenstückchen in Graphittiegeln. Prieger gab an, daſs die Legierung 60, ja selbst 80 Prozent Mangan enthalten könne und dabei noch durchaus homogen sei. Das schon von Vickers im vorhergehenden Jahre patentierte Verfahren, blasenfreie Stahlgüsse dadurch zu erlangen, daſs man das flüssige Metall in einem besonderen Ofen längere Zeit in flüssigem Zustande erhitzte, wurde am 2. November 1864 E. L. S. Benzon (nach einer Mitteilung von A. Lohage) von neuem patentiert. Das Metall soll dabei nach Angabe des Erfinders unter einer neutralen Schlackendecke überschmolzen oder überhitzt werden, wodurch es dünnflüssig und ganz gleichförmig werde. Seit 1864 machte das Bessemerverfahren von Jahr zu Jahr gröſsere und raschere Fortschritte. Die Überlegenheit des englischen Konverterverfahrens machte sich dabei immer mehr geltend. Trotzdem Tunner das schwedische Verfahren für die österreichischen Alpen- länder empfohlen hatte, wurden doch die beiden Anfang 1865 in Betrieb gesetzten Bessemerwerke zu Graz und zu Neuberg ganz nach englischem Muster erbaut. Das letztgenannte Staatswerk, welches gleichfalls unter Tunners Patenschaft am 9. Februar 1865 den Betrieb eröffnet hatte, wurde die Lehr- und Musteranstalt für die nachfolgenden österreichischen Werke, von denen die Bessemerhütten zu Judenburg in Steiermark, Prävali in Kärnten, Witkowitz in Mähren und Anina im Banat noch 1865 vollendet wurden. Beck, Geschichte des Eisens. 10

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/161>, abgerufen am 19.04.2024.