Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Jahre 1861 erfahren wir, dass Versuche, reines Eisenoxyd und Braun- stein einzublasen oder vor dem Einfüllen aufzugeben, ebenso wenig wie das Einblasen von Wasserdampf günstige Erfolge gehabt hatten. Das- selbe war bei der Verwendung erhitzter Gebläseluft der Fall. Diese hatte eine Verlängerung der Frischzeit zur Folge gehabt, weil bei gleicher Arbeit der Gebläsemaschinen viel weniger von der durch die Erwär- mung expandierten Luft in den Ofen gelangte. Übrigens waren in Schweden die Gebläse auch immer noch zu schwach, obgleich man sie verstärkt und dadurch wenigstens erreicht hatte, dass das Produkt glatt und rein aus dem Ofen floss. Das Metall, welches in Schweden erzeugt wurde, war aber besser und gutem Stahl ähnlicher als das englische, welches Fairbairn mit Halbstahl (semi-steel), der 40 Prozent grössere Festigkeit als Schmiedeeisen habe, und Bessemer mit Homogeneisen bezeichnete, das er für die Verwendung im Maschinenbau statt Schweisseisen besonders empfahl.
Aus dem oben erwähnten Bericht Tunners zu Wien im Jahre 1861 entnehmen wir noch, dass er das Roheisen der österreichischen Alpenländer für sehr geeignet für den Bessemerprozess erklärt, dass er grössere Öfen, die 30 bis 100 Centner auf einmal fassen, als in jeder Beziehung vorteilhafter empfiehlt. Die Hauptsache sei die Unter- brechung des Prozesses im richtigen Augenblick; dafür habe sich Bessemers Winduhr nicht bewährt, man sei vorläufig nur auf die Beobachtung der Flamme der ausströmenden Gase und Funken angewiesen. Tunner ist der Ansicht, dass erhitzter Wind vorteilhaft sein werde. Die vielen Ofenreparaturen, die früher das Verfahren ver- teuerten, hätten sich in England bereits sehr vermindert. Gegen- wärtig sei noch der Hauptfehler die grosse Menge Ausschuss, haupt- sächlich infolge blasiger Güsse, die 20 bis 30 Prozent betrüge.
So standen die Dinge, als die Weltausstellung in London im Jahre 1862 eröffnet wurde. Bis dahin hatten nur wenige Hütten- leute Gelegenheit gehabt, den Bessemerprozess und seine Produkte aus eigener Anschauung kennen zu lernen und sich ein Urteil über seine Leistungen zu bilden. Hierzu bot die grosse Industrieausstellung in London die beste Gelegenheit. Die Ausstellungen von Bessemer in Sheffield selbst, von Bessemer und Langsdon in London und von John Brown in Sheffield waren geradezu überraschend. Tunner schreibt darüber in seinem Bericht 1): "Durch die sehr schöne Aus- stellung der Produkte seines Prozesses hat Herr H. Bessemer gewiss
1)Tunner, Bericht über die Londoner Industrieausstellung 1862 und das Bessemern in England. 1863.
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Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Jahre 1861 erfahren wir, daſs Versuche, reines Eisenoxyd und Braun- stein einzublasen oder vor dem Einfüllen aufzugeben, ebenso wenig wie das Einblasen von Wasserdampf günstige Erfolge gehabt hatten. Das- selbe war bei der Verwendung erhitzter Gebläseluft der Fall. Diese hatte eine Verlängerung der Frischzeit zur Folge gehabt, weil bei gleicher Arbeit der Gebläsemaschinen viel weniger von der durch die Erwär- mung expandierten Luft in den Ofen gelangte. Übrigens waren in Schweden die Gebläse auch immer noch zu schwach, obgleich man sie verstärkt und dadurch wenigstens erreicht hatte, daſs das Produkt glatt und rein aus dem Ofen floſs. Das Metall, welches in Schweden erzeugt wurde, war aber besser und gutem Stahl ähnlicher als das englische, welches Fairbairn mit Halbstahl (semi-steel), der 40 Prozent gröſsere Festigkeit als Schmiedeeisen habe, und Bessemer mit Homogeneisen bezeichnete, das er für die Verwendung im Maschinenbau statt Schweiſseisen besonders empfahl.
Aus dem oben erwähnten Bericht Tunners zu Wien im Jahre 1861 entnehmen wir noch, daſs er das Roheisen der österreichischen Alpenländer für sehr geeignet für den Bessemerprozeſs erklärt, daſs er gröſsere Öfen, die 30 bis 100 Centner auf einmal fassen, als in jeder Beziehung vorteilhafter empfiehlt. Die Hauptsache sei die Unter- brechung des Prozesses im richtigen Augenblick; dafür habe sich Bessemers Winduhr nicht bewährt, man sei vorläufig nur auf die Beobachtung der Flamme der ausströmenden Gase und Funken angewiesen. Tunner ist der Ansicht, daſs erhitzter Wind vorteilhaft sein werde. Die vielen Ofenreparaturen, die früher das Verfahren ver- teuerten, hätten sich in England bereits sehr vermindert. Gegen- wärtig sei noch der Hauptfehler die groſse Menge Ausschuſs, haupt- sächlich infolge blasiger Güsse, die 20 bis 30 Prozent betrüge.
So standen die Dinge, als die Weltausstellung in London im Jahre 1862 eröffnet wurde. Bis dahin hatten nur wenige Hütten- leute Gelegenheit gehabt, den Bessemerprozeſs und seine Produkte aus eigener Anschauung kennen zu lernen und sich ein Urteil über seine Leistungen zu bilden. Hierzu bot die groſse Industrieausstellung in London die beste Gelegenheit. Die Ausstellungen von Bessemer in Sheffield selbst, von Bessemer und Langsdon in London und von John Brown in Sheffield waren geradezu überraschend. Tunner schreibt darüber in seinem Bericht 1): „Durch die sehr schöne Aus- stellung der Produkte seines Prozesses hat Herr H. Bessemer gewiſs
1)Tunner, Bericht über die Londoner Industrieausstellung 1862 und das Bessemern in England. 1863.
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Jahre 1861 erfahren wir, daſs Versuche, reines Eisenoxyd und Braun-
stein einzublasen oder vor dem Einfüllen aufzugeben, ebenso wenig wie
das Einblasen von Wasserdampf günstige Erfolge gehabt hatten. Das-
selbe war bei der Verwendung erhitzter Gebläseluft der Fall. Diese hatte
eine Verlängerung der Frischzeit zur Folge gehabt, weil bei gleicher
Arbeit der Gebläsemaschinen viel weniger von der durch die Erwär-
mung expandierten Luft in den Ofen gelangte. Übrigens waren in
Schweden die Gebläse auch immer noch zu schwach, obgleich man sie
verstärkt und dadurch wenigstens erreicht hatte, daſs das Produkt glatt
und rein aus dem Ofen floſs. Das Metall, welches in Schweden erzeugt
wurde, war aber besser und gutem Stahl ähnlicher als das englische,
welches Fairbairn mit Halbstahl (semi-steel), der 40 Prozent gröſsere
Festigkeit als Schmiedeeisen habe, und Bessemer mit Homogeneisen
bezeichnete, das er für die Verwendung im Maschinenbau statt
Schweiſseisen besonders empfahl.
Aus dem oben erwähnten Bericht Tunners zu Wien im Jahre
1861 entnehmen wir noch, daſs er das Roheisen der österreichischen
Alpenländer für sehr geeignet für den Bessemerprozeſs erklärt, daſs
er gröſsere Öfen, die 30 bis 100 Centner auf einmal fassen, als in
jeder Beziehung vorteilhafter empfiehlt. Die Hauptsache sei die Unter-
brechung des Prozesses im richtigen Augenblick; dafür habe sich
Bessemers Winduhr nicht bewährt, man sei vorläufig nur auf die
Beobachtung der Flamme der ausströmenden Gase und Funken
angewiesen. Tunner ist der Ansicht, daſs erhitzter Wind vorteilhaft
sein werde. Die vielen Ofenreparaturen, die früher das Verfahren ver-
teuerten, hätten sich in England bereits sehr vermindert. Gegen-
wärtig sei noch der Hauptfehler die groſse Menge Ausschuſs, haupt-
sächlich infolge blasiger Güsse, die 20 bis 30 Prozent betrüge.
So standen die Dinge, als die Weltausstellung in London im
Jahre 1862 eröffnet wurde. Bis dahin hatten nur wenige Hütten-
leute Gelegenheit gehabt, den Bessemerprozeſs und seine Produkte
aus eigener Anschauung kennen zu lernen und sich ein Urteil über seine
Leistungen zu bilden. Hierzu bot die groſse Industrieausstellung in
London die beste Gelegenheit. Die Ausstellungen von Bessemer in
Sheffield selbst, von Bessemer und Langsdon in London und von
John Brown in Sheffield waren geradezu überraschend. Tunner
schreibt darüber in seinem Bericht 1): „Durch die sehr schöne Aus-
stellung der Produkte seines Prozesses hat Herr H. Bessemer gewiſs
1) Tunner, Bericht über die Londoner Industrieausstellung 1862 und das
Bessemern in England. 1863.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/147>, abgerufen am 22.11.2024.
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