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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Ostindien.

Ostindien. Indien ist der Sitz einer uralten einheimischen
Eisenindustrie (siehe Bd. I), die schon in früher Zeit hochberühmt
war und die sich trotz der englischen Konkurrenz erhalten hat. Der
indische Wootzstahl wird heute noch so hoch geschätzt und bezahlt,
wie der beste englische Gussstahl. Indien ist reich an guten Eisen-
erzen und leidet auch an Steinkohlen keinen Mangel. Die Be-
dingungen für eine Massenerzeugung in europäischer Weise scheinen
demnach gegeben. Die Versuche zur Gründung einer solchen Industrie
in Ostindien gehen viel weiter zurück als in China oder Japan. Das älteste
Unternehmen war die von Josiah M. Heath angeregte Indian Steel,
Chrom and Iron Company im Jahre 1833, welche im südwestlichen
Indien zu Porto Novo und Beipur (Beypore) einen Hochofen, sowie
Puddel- und Walzwerke anlegte und betrieb. Mit Unterstützung der
Regierung zu Madras kam das Werk nach Überwindung vieler Schwierig-
keiten in guten Gang, so dass sich die alte Gesellschaft im Jahre 1853
in eine neue mit 400000 £ Aktienkapital umwandelte, die eine grosse
Thätigkeit entfaltete. Sie baute zwei neue Hochofenwerke für Holz-
kohlenbetrieb zu Poolamputty im Salemdistrikt und zu Trinomally im
Süd-Arcotdistrikt 1), die ihr gutes Roheisen zu günstigen Preisen in
London verkaufen konnten. Dies dauerte aber nur so lange, als Roh-
eisen für Ballast nach England ging; als dies aufhörte und die Ver-
suche, den Puddelprozess durch den Bessemerprozess zu ersetzen, keinen
Erfolg hatten, gingen die Werke zu Grunde und wurde der Betrieb
im Jahre 1864 eingestellt. Mehrere andere Anlagen von Holzkohlen-
hochöfen verschwanden noch schneller 2).

Mehr Erfolg hatten die Eisenwerke bei Barrakur in Bengalen, wo
sich Eisenerz und Steinkohle nahe beisammen finden. Hier gründete
1875 die Bengal Iron Works Company eine Hochofenanlage und
Giesserei, die aber 1879 ihren Betrieb einstellen musste. Zwei Jahre
später übernahm die englische Regierung das Werk, baute 1881 bis
1883 zwei neue Hochöfen und erweiterte die Giesserei bedeutend.
Um 1890 trat die Regierung das Werk wieder an eine Privatgesell-
schaft ab, die es noch weiter vergrösserte. In demselben Jahre
gründete die englische Regierung ein grösseres Eisen- und Stahlwerk
in dem Erzgebiete Ranigaudsch, wo Erze und Steinkohlen zusammen
vorkommen. Dasselbe sollte hauptsächlich Eisenbahnmaterial, Schienen
und Schwellen liefern.

1883/84 hatte eine "Weltausstellung" in Calcutta stattgefunden.


1) The Indian and eastern Engineer 1896, S. 211, und Stahl und Eisen 1896,
S. 603.
2) Stahl und Eisen 1901, S. 391.
Ostindien.

Ostindien. Indien ist der Sitz einer uralten einheimischen
Eisenindustrie (siehe Bd. I), die schon in früher Zeit hochberühmt
war und die sich trotz der englischen Konkurrenz erhalten hat. Der
indische Wootzstahl wird heute noch so hoch geschätzt und bezahlt,
wie der beste englische Guſsstahl. Indien ist reich an guten Eisen-
erzen und leidet auch an Steinkohlen keinen Mangel. Die Be-
dingungen für eine Massenerzeugung in europäischer Weise scheinen
demnach gegeben. Die Versuche zur Gründung einer solchen Industrie
in Ostindien gehen viel weiter zurück als in China oder Japan. Das älteste
Unternehmen war die von Josiah M. Heath angeregte Indian Steel,
Chrom and Iron Company im Jahre 1833, welche im südwestlichen
Indien zu Porto Novo und Beipur (Beypore) einen Hochofen, sowie
Puddel- und Walzwerke anlegte und betrieb. Mit Unterstützung der
Regierung zu Madras kam das Werk nach Überwindung vieler Schwierig-
keiten in guten Gang, so daſs sich die alte Gesellschaft im Jahre 1853
in eine neue mit 400000 £ Aktienkapital umwandelte, die eine groſse
Thätigkeit entfaltete. Sie baute zwei neue Hochofenwerke für Holz-
kohlenbetrieb zu Poolamputty im Salemdistrikt und zu Trinomally im
Süd-Arcotdistrikt 1), die ihr gutes Roheisen zu günstigen Preisen in
London verkaufen konnten. Dies dauerte aber nur so lange, als Roh-
eisen für Ballast nach England ging; als dies aufhörte und die Ver-
suche, den Puddelprozeſs durch den Bessemerprozeſs zu ersetzen, keinen
Erfolg hatten, gingen die Werke zu Grunde und wurde der Betrieb
im Jahre 1864 eingestellt. Mehrere andere Anlagen von Holzkohlen-
hochöfen verschwanden noch schneller 2).

Mehr Erfolg hatten die Eisenwerke bei Barrakur in Bengalen, wo
sich Eisenerz und Steinkohle nahe beisammen finden. Hier gründete
1875 die Bengal Iron Works Company eine Hochofenanlage und
Gieſserei, die aber 1879 ihren Betrieb einstellen muſste. Zwei Jahre
später übernahm die englische Regierung das Werk, baute 1881 bis
1883 zwei neue Hochöfen und erweiterte die Gieſserei bedeutend.
Um 1890 trat die Regierung das Werk wieder an eine Privatgesell-
schaft ab, die es noch weiter vergröſserte. In demselben Jahre
gründete die englische Regierung ein gröſseres Eisen- und Stahlwerk
in dem Erzgebiete Ranigaudsch, wo Erze und Steinkohlen zusammen
vorkommen. Dasselbe sollte hauptsächlich Eisenbahnmaterial, Schienen
und Schwellen liefern.

1883/84 hatte eine „Weltausstellung“ in Calcutta stattgefunden.


1) The Indian and eastern Engineer 1896, S. 211, und Stahl und Eisen 1896,
S. 603.
2) Stahl und Eisen 1901, S. 391.
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[1364/1380] Ostindien. Ostindien. Indien ist der Sitz einer uralten einheimischen Eisenindustrie (siehe Bd. I), die schon in früher Zeit hochberühmt war und die sich trotz der englischen Konkurrenz erhalten hat. Der indische Wootzstahl wird heute noch so hoch geschätzt und bezahlt, wie der beste englische Guſsstahl. Indien ist reich an guten Eisen- erzen und leidet auch an Steinkohlen keinen Mangel. Die Be- dingungen für eine Massenerzeugung in europäischer Weise scheinen demnach gegeben. Die Versuche zur Gründung einer solchen Industrie in Ostindien gehen viel weiter zurück als in China oder Japan. Das älteste Unternehmen war die von Josiah M. Heath angeregte Indian Steel, Chrom and Iron Company im Jahre 1833, welche im südwestlichen Indien zu Porto Novo und Beipur (Beypore) einen Hochofen, sowie Puddel- und Walzwerke anlegte und betrieb. Mit Unterstützung der Regierung zu Madras kam das Werk nach Überwindung vieler Schwierig- keiten in guten Gang, so daſs sich die alte Gesellschaft im Jahre 1853 in eine neue mit 400000 £ Aktienkapital umwandelte, die eine groſse Thätigkeit entfaltete. Sie baute zwei neue Hochofenwerke für Holz- kohlenbetrieb zu Poolamputty im Salemdistrikt und zu Trinomally im Süd-Arcotdistrikt 1), die ihr gutes Roheisen zu günstigen Preisen in London verkaufen konnten. Dies dauerte aber nur so lange, als Roh- eisen für Ballast nach England ging; als dies aufhörte und die Ver- suche, den Puddelprozeſs durch den Bessemerprozeſs zu ersetzen, keinen Erfolg hatten, gingen die Werke zu Grunde und wurde der Betrieb im Jahre 1864 eingestellt. Mehrere andere Anlagen von Holzkohlen- hochöfen verschwanden noch schneller 2). Mehr Erfolg hatten die Eisenwerke bei Barrakur in Bengalen, wo sich Eisenerz und Steinkohle nahe beisammen finden. Hier gründete 1875 die Bengal Iron Works Company eine Hochofenanlage und Gieſserei, die aber 1879 ihren Betrieb einstellen muſste. Zwei Jahre später übernahm die englische Regierung das Werk, baute 1881 bis 1883 zwei neue Hochöfen und erweiterte die Gieſserei bedeutend. Um 1890 trat die Regierung das Werk wieder an eine Privatgesell- schaft ab, die es noch weiter vergröſserte. In demselben Jahre gründete die englische Regierung ein gröſseres Eisen- und Stahlwerk in dem Erzgebiete Ranigaudsch, wo Erze und Steinkohlen zusammen vorkommen. Dasselbe sollte hauptsächlich Eisenbahnmaterial, Schienen und Schwellen liefern. 1883/84 hatte eine „Weltausstellung“ in Calcutta stattgefunden. 1) The Indian and eastern Engineer 1896, S. 211, und Stahl und Eisen 1896, S. 603. 2) Stahl und Eisen 1901, S. 391.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1380>, abgerufen am 08.05.2024.