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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Nach dieser kurzen Abschweifung kehren wir zu der Geschichte
der Trusts in den Vereinigten Staaten zurück.

Zu Beginn des Jahres 1901 kam, besonders durch den reichen
Finanzmann Pierpoint Morgan, der gewaltige Stahltrust, der die
Werke der Carnegie-Gesellschaft und alle Stahlwerke des westlichen
Centralamerika umfasste, zustande. Sein Vermögen betrug über
41/2 Milliarden Mark. Technischer Leiter wurde Charles M. Schwab,
ein Deutscher von Geburt.

Von technischen Fortschritten der letzten Jahre ist die Einführung
von besseren Koksöfen mit Gewinnung der Nebenerzeugnisse zu nennen.
Ende 1897 gab es 47668 Koksöfen, zumeist Bienenkorböfen mit
12055500 Tonnen Erzeugung in den Vereinigten Staaten. 1898 wurden
400 Otto-Hoffmann-Öfen bei Boston gebaut und 1899 wurde eine
grosse Koksofenanlage mit 1200 Otto-Hoffmann-Öfen bei Everett
(Mass.) beschlossen.

Hatte man noch 1897 die enorme Leistung der Duquesne-Hochöfen
von je 600 Tonnen in 24 Stunden für eine Ausnahme angesehen, so
erstrebten in den folgenden Jahren bei der grossen Steigerung des
Bedarfes an Roheisen alle grossen Gesellschaften ähnliche Produk-
tionen. So hatte z. B. 1899 die Ohio-Stahlgesellschaft zwei grosse
Hochöfen für je 600 Tonnen Tageserzeugung erbaut. Die Carnegie-
Gesellschaft selbst hatte zwei weitere Hochöfen in Duquesne und
zwei in Rankin errichtet. Letztere waren 32,3 m hoch, hatten 7,3 m
im Kohlensack und für 1400 Tonnen Tagesleistung eingerichtet.
Ebenso führte die Illinois-Stahlgesellschaft zwei solche Riesenöfen
in South-Chicago auf. Die Zahl der neuerbauten und projektierten
grossen Hochöfen betrug Ende 1899 19 mit einer Gesamtleistungs-
fähigkeit von 2600000 Tonnen im Jahre.

Bei der neuen Hochofenanlage in Columbus [Ohio] 1) hatte man
für zwei Hochöfen fünf stehende Gebläsemaschinen, die nach beiden
Öfen blasen konnten. Man arbeitete durchgehends mit hoher Pressung,
etwa einer Atmosphäre, die aber in einzelnen Fällen bis 1,7 Atmo-
sphären gesteigert wurde. Das geschmolzene Eisen für den Flussstahl-
betrieb wurde meist in fahrbare Pfannen abgestochen und in diesen
den Mischern zugeführt. Zum Schliessen des Stichlochs war die
sogenannte Thonkanone (mud gun) in Anwendung. Eine grössere Ver-
breitung haben die Giessmaschinen, besonders die von Ed. U. Ueh-
ling
2) gefunden.


1) Stahl und Eisen 1900, S. 639.
2) A. a. O., S. 25.
Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Nach dieser kurzen Abschweifung kehren wir zu der Geschichte
der Trusts in den Vereinigten Staaten zurück.

Zu Beginn des Jahres 1901 kam, besonders durch den reichen
Finanzmann Pierpoint Morgan, der gewaltige Stahltrust, der die
Werke der Carnegie-Gesellschaft und alle Stahlwerke des westlichen
Centralamerika umfaſste, zustande. Sein Vermögen betrug über
4½ Milliarden Mark. Technischer Leiter wurde Charles M. Schwab,
ein Deutscher von Geburt.

Von technischen Fortschritten der letzten Jahre ist die Einführung
von besseren Koksöfen mit Gewinnung der Nebenerzeugnisse zu nennen.
Ende 1897 gab es 47668 Koksöfen, zumeist Bienenkorböfen mit
12055500 Tonnen Erzeugung in den Vereinigten Staaten. 1898 wurden
400 Otto-Hoffmann-Öfen bei Boston gebaut und 1899 wurde eine
groſse Koksofenanlage mit 1200 Otto-Hoffmann-Öfen bei Everett
(Mass.) beschlossen.

Hatte man noch 1897 die enorme Leistung der Duquesne-Hochöfen
von je 600 Tonnen in 24 Stunden für eine Ausnahme angesehen, so
erstrebten in den folgenden Jahren bei der groſsen Steigerung des
Bedarfes an Roheisen alle groſsen Gesellschaften ähnliche Produk-
tionen. So hatte z. B. 1899 die Ohio-Stahlgesellschaft zwei groſse
Hochöfen für je 600 Tonnen Tageserzeugung erbaut. Die Carnegie-
Gesellschaft selbst hatte zwei weitere Hochöfen in Duquesne und
zwei in Rankin errichtet. Letztere waren 32,3 m hoch, hatten 7,3 m
im Kohlensack und für 1400 Tonnen Tagesleistung eingerichtet.
Ebenso führte die Illinois-Stahlgesellschaft zwei solche Riesenöfen
in South-Chicago auf. Die Zahl der neuerbauten und projektierten
groſsen Hochöfen betrug Ende 1899 19 mit einer Gesamtleistungs-
fähigkeit von 2600000 Tonnen im Jahre.

Bei der neuen Hochofenanlage in Columbus [Ohio] 1) hatte man
für zwei Hochöfen fünf stehende Gebläsemaschinen, die nach beiden
Öfen blasen konnten. Man arbeitete durchgehends mit hoher Pressung,
etwa einer Atmosphäre, die aber in einzelnen Fällen bis 1,7 Atmo-
sphären gesteigert wurde. Das geschmolzene Eisen für den Fluſsstahl-
betrieb wurde meist in fahrbare Pfannen abgestochen und in diesen
den Mischern zugeführt. Zum Schlieſsen des Stichlochs war die
sogenannte Thonkanone (mud gun) in Anwendung. Eine gröſsere Ver-
breitung haben die Gieſsmaschinen, besonders die von Ed. U. Ueh-
ling
2) gefunden.


1) Stahl und Eisen 1900, S. 639.
2) A. a. O., S. 25.
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[1316/1332] Vereinigte Staaten von Nordamerika. Nach dieser kurzen Abschweifung kehren wir zu der Geschichte der Trusts in den Vereinigten Staaten zurück. Zu Beginn des Jahres 1901 kam, besonders durch den reichen Finanzmann Pierpoint Morgan, der gewaltige Stahltrust, der die Werke der Carnegie-Gesellschaft und alle Stahlwerke des westlichen Centralamerika umfaſste, zustande. Sein Vermögen betrug über 4½ Milliarden Mark. Technischer Leiter wurde Charles M. Schwab, ein Deutscher von Geburt. Von technischen Fortschritten der letzten Jahre ist die Einführung von besseren Koksöfen mit Gewinnung der Nebenerzeugnisse zu nennen. Ende 1897 gab es 47668 Koksöfen, zumeist Bienenkorböfen mit 12055500 Tonnen Erzeugung in den Vereinigten Staaten. 1898 wurden 400 Otto-Hoffmann-Öfen bei Boston gebaut und 1899 wurde eine groſse Koksofenanlage mit 1200 Otto-Hoffmann-Öfen bei Everett (Mass.) beschlossen. Hatte man noch 1897 die enorme Leistung der Duquesne-Hochöfen von je 600 Tonnen in 24 Stunden für eine Ausnahme angesehen, so erstrebten in den folgenden Jahren bei der groſsen Steigerung des Bedarfes an Roheisen alle groſsen Gesellschaften ähnliche Produk- tionen. So hatte z. B. 1899 die Ohio-Stahlgesellschaft zwei groſse Hochöfen für je 600 Tonnen Tageserzeugung erbaut. Die Carnegie- Gesellschaft selbst hatte zwei weitere Hochöfen in Duquesne und zwei in Rankin errichtet. Letztere waren 32,3 m hoch, hatten 7,3 m im Kohlensack und für 1400 Tonnen Tagesleistung eingerichtet. Ebenso führte die Illinois-Stahlgesellschaft zwei solche Riesenöfen in South-Chicago auf. Die Zahl der neuerbauten und projektierten groſsen Hochöfen betrug Ende 1899 19 mit einer Gesamtleistungs- fähigkeit von 2600000 Tonnen im Jahre. Bei der neuen Hochofenanlage in Columbus [Ohio] 1) hatte man für zwei Hochöfen fünf stehende Gebläsemaschinen, die nach beiden Öfen blasen konnten. Man arbeitete durchgehends mit hoher Pressung, etwa einer Atmosphäre, die aber in einzelnen Fällen bis 1,7 Atmo- sphären gesteigert wurde. Das geschmolzene Eisen für den Fluſsstahl- betrieb wurde meist in fahrbare Pfannen abgestochen und in diesen den Mischern zugeführt. Zum Schlieſsen des Stichlochs war die sogenannte Thonkanone (mud gun) in Anwendung. Eine gröſsere Ver- breitung haben die Gieſsmaschinen, besonders die von Ed. U. Ueh- ling 2) gefunden. 1) Stahl und Eisen 1900, S. 639. 2) A. a. O., S. 25.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1332>, abgerufen am 05.05.2024.