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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870.
Johnson und Calvert hatten durch ihre wichtige Untersuchung
hierfür die Grundlage gelegt. Das Ergebnis derselben, welches fest-
stellte, dass beim Puddeln zunächst das Silicium oxydiert wird, dass
dann in der Kochperiode die Abscheidung des Kohlenstoffes beginnt,
aber erst am Ende derselben rascher verläuft, wurde durch die Unter-
suchungen von Price und Nicholson und namentlich von Lan 1),
Professor der Metallurgie in St. Etienne, bestätigt. Lan und nach
ihm Gruner hoben besonders hervor, dass nicht der Sauerstoff der
Luft oder der Flamme die Oxydation direkt bewirkt, sondern dass
dies durch Vermittelung der Schlacke, also nicht nur an der Ober-
fläche, sondern durch die ganze Masse geschieht, wenn Eisen und
Schlacken gehörig durcheinander gerührt werden. Während Calvert
und Johnson das Roheisen in den verschiedenen Stadien des Puddel-
prozesses analysiert hatten, untersuchte Lan in gleicher Weise die
Schlacken. Denselben Weg schlug in Deutschland List in Hagen
1860 ein 2). Lists Analysen haben vor denen Lans den Vorzug, dass
jener genau die Menge des Eisenoxyds neben dem Eisenoxydul be-
stimmte. Daraus ergab sich, dass die basische Schlacke, welche vor
dem Einsetzen des Roheisens in dem Puddelofen geschmolzen war,
bei dem Schmelzen des Roheisens einen grossen Teil ihres Oxyd-
gehaltes durch die reduzierende Wirkung des metallischen Eisens
verliert, während dieser Oxydgehalt nach dem Eintritt des Kochens
bis zum Herausnehmen der letzten Luppe fortwährend wieder zu-
nimmt. Die Schlacke wird bei dem Einschmelzen des Roheisens nicht
basischer, sondern saurer, weil das Silicium zuerst oxydiert wird
und als Kieselsäure in die Schlacke eintritt.

Schilling untersuchte 1863 die chemischen Vorgänge in einem
Holzgaspuddelofen zu Zorge, wo Holzkohlenroheisen auf Stahl ver-
puddelt wurde. Er analysierte sowohl das Roheisen als die Schlacke
in bestimmten Zeitabschnitten. Die Analysen der Schlacken zeigten
einen sehr gleichbleibenden Silizierungsgrad und ein durchschnittliches
Sauerstoffverhältnis zwischen Basen und Säure, wie 18,212 : 11,687.
Die Ergebnisse wichen in verschiedenen Punkten von den beim Puddeln
des Eisens mit Steinkohlen erhaltenen Resultaten ab.

Von grossem Interesse sind die Analysen, welche Drassdo um
dieselbe Zeit auf der Königshütte in Oberschlesien von Eisen und
Schlacken einer Puddelcharge von grauem Eisen, die mit Steinkohlen

1) Annales des Mines, t. V, ser. 15, livr. 1ere, p. 85.
2) Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1860, S. 472.

Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870.
Johnson und Calvert hatten durch ihre wichtige Untersuchung
hierfür die Grundlage gelegt. Das Ergebnis derselben, welches fest-
stellte, daſs beim Puddeln zunächst das Silicium oxydiert wird, daſs
dann in der Kochperiode die Abscheidung des Kohlenstoffes beginnt,
aber erst am Ende derselben rascher verläuft, wurde durch die Unter-
suchungen von Price und Nicholson und namentlich von Lan 1),
Professor der Metallurgie in St. Etienne, bestätigt. Lan und nach
ihm Gruner hoben besonders hervor, daſs nicht der Sauerstoff der
Luft oder der Flamme die Oxydation direkt bewirkt, sondern daſs
dies durch Vermittelung der Schlacke, also nicht nur an der Ober-
fläche, sondern durch die ganze Masse geschieht, wenn Eisen und
Schlacken gehörig durcheinander gerührt werden. Während Calvert
und Johnson das Roheisen in den verschiedenen Stadien des Puddel-
prozesses analysiert hatten, untersuchte Lan in gleicher Weise die
Schlacken. Denselben Weg schlug in Deutschland List in Hagen
1860 ein 2). Lists Analysen haben vor denen Lans den Vorzug, daſs
jener genau die Menge des Eisenoxyds neben dem Eisenoxydul be-
stimmte. Daraus ergab sich, dass die basische Schlacke, welche vor
dem Einsetzen des Roheisens in dem Puddelofen geschmolzen war,
bei dem Schmelzen des Roheisens einen groſsen Teil ihres Oxyd-
gehaltes durch die reduzierende Wirkung des metallischen Eisens
verliert, während dieser Oxydgehalt nach dem Eintritt des Kochens
bis zum Herausnehmen der letzten Luppe fortwährend wieder zu-
nimmt. Die Schlacke wird bei dem Einschmelzen des Roheisens nicht
basischer, sondern saurer, weil das Silicium zuerst oxydiert wird
und als Kieselsäure in die Schlacke eintritt.

Schilling untersuchte 1863 die chemischen Vorgänge in einem
Holzgaspuddelofen zu Zorge, wo Holzkohlenroheisen auf Stahl ver-
puddelt wurde. Er analysierte sowohl das Roheisen als die Schlacke
in bestimmten Zeitabschnitten. Die Analysen der Schlacken zeigten
einen sehr gleichbleibenden Silizierungsgrad und ein durchschnittliches
Sauerstoffverhältnis zwischen Basen und Säure, wie 18,212 : 11,687.
Die Ergebnisse wichen in verschiedenen Punkten von den beim Puddeln
des Eisens mit Steinkohlen erhaltenen Resultaten ab.

Von groſsem Interesse sind die Analysen, welche Drassdo um
dieselbe Zeit auf der Königshütte in Oberschlesien von Eisen und
Schlacken einer Puddelcharge von grauem Eisen, die mit Steinkohlen

1) Annales des Mines, t. V, sér. 15, livr. 1ère, p. 85.
2) Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1860, S. 472.
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[103/0119] Die Schweiſseisenbereitung 1861 bis 1870. Johnson und Calvert hatten durch ihre wichtige Untersuchung hierfür die Grundlage gelegt. Das Ergebnis derselben, welches fest- stellte, daſs beim Puddeln zunächst das Silicium oxydiert wird, daſs dann in der Kochperiode die Abscheidung des Kohlenstoffes beginnt, aber erst am Ende derselben rascher verläuft, wurde durch die Unter- suchungen von Price und Nicholson und namentlich von Lan 1), Professor der Metallurgie in St. Etienne, bestätigt. Lan und nach ihm Gruner hoben besonders hervor, daſs nicht der Sauerstoff der Luft oder der Flamme die Oxydation direkt bewirkt, sondern daſs dies durch Vermittelung der Schlacke, also nicht nur an der Ober- fläche, sondern durch die ganze Masse geschieht, wenn Eisen und Schlacken gehörig durcheinander gerührt werden. Während Calvert und Johnson das Roheisen in den verschiedenen Stadien des Puddel- prozesses analysiert hatten, untersuchte Lan in gleicher Weise die Schlacken. Denselben Weg schlug in Deutschland List in Hagen 1860 ein 2). Lists Analysen haben vor denen Lans den Vorzug, daſs jener genau die Menge des Eisenoxyds neben dem Eisenoxydul be- stimmte. Daraus ergab sich, dass die basische Schlacke, welche vor dem Einsetzen des Roheisens in dem Puddelofen geschmolzen war, bei dem Schmelzen des Roheisens einen groſsen Teil ihres Oxyd- gehaltes durch die reduzierende Wirkung des metallischen Eisens verliert, während dieser Oxydgehalt nach dem Eintritt des Kochens bis zum Herausnehmen der letzten Luppe fortwährend wieder zu- nimmt. Die Schlacke wird bei dem Einschmelzen des Roheisens nicht basischer, sondern saurer, weil das Silicium zuerst oxydiert wird und als Kieselsäure in die Schlacke eintritt. Schilling untersuchte 1863 die chemischen Vorgänge in einem Holzgaspuddelofen zu Zorge, wo Holzkohlenroheisen auf Stahl ver- puddelt wurde. Er analysierte sowohl das Roheisen als die Schlacke in bestimmten Zeitabschnitten. Die Analysen der Schlacken zeigten einen sehr gleichbleibenden Silizierungsgrad und ein durchschnittliches Sauerstoffverhältnis zwischen Basen und Säure, wie 18,212 : 11,687. Die Ergebnisse wichen in verschiedenen Punkten von den beim Puddeln des Eisens mit Steinkohlen erhaltenen Resultaten ab. Von groſsem Interesse sind die Analysen, welche Drassdo um dieselbe Zeit auf der Königshütte in Oberschlesien von Eisen und Schlacken einer Puddelcharge von grauem Eisen, die mit Steinkohlen 1) Annales des Mines, t. V, sér. 15, livr. 1ère, p. 85. 2) Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1860, S. 472.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/119>, abgerufen am 24.04.2024.