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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Deutschland (mit Luxemburg).
zu der Vortrefflichkeit ihrer Leistungen und zu ihren Errungen-
schaften im Wettbewerb mit den übrigen Eisenindustrieländern bei-
getragen. Dies war ermöglicht durch die wissenschaftliche Ausbildung
der technischen Beamten und durch die Würdigung der Wichtigkeit
theoretischer Klarstellung der technischen Vorgänge und Prozesse,
besonders mit Hülfe der chemischen Analyse. Infolgedessen wurden
auf allen deutschen Eisenhütten- und Stahlwerken Laboratorien ein-
gerichtet, die eine segensreiche Thätigkeit entfalteten, nicht nur für
die einzelnen Werke, sondern für Deutschland und die Wissenschaft.

Auch die Vereinsthätigkeit ist ein wichtiges Förderungsmittel
der deutschen Industrie gewesen. 1870 wurde der Verein deutscher
Eisengiessereien gegründet, dessen erster Schriftführer Paul Stumpf
zu Gravenhorst war, ihm folgte E. Scheerenberg in Elberfeld.
1880 trennte sich der Verein deutscher Eisenhüttenleute als selb-
ständiger Verein von dem Verein deutscher Ingenieure und gründete
als Vereinsorgan die wichtige Zeitschrift "Stahl und Eisen". Der
erste Schriftführer war Bueck, ihm folgten Dr. W. Bäumer und
Schrödter. Dieser Verein verfolgte mehr allgemeine und wissen-
schaftliche Zwecke, während sich der Verein deutscher Eisen- und
Stahlindustrieller als Interessenverein aus demselben entwickelte. Im
Kriegsjahre 1870 wurde die technische Hochschule in Aachen er-
öffnet, die auf die Forderung der Eisenindustriellen von Rheinland
und Westfalen hin einen besonderen Lehrstuhl für Eisenhüttenkunde
erhielt, der durch Dr. Friedr. Wilh. Dürre besetzt wurde.

Wir wollen nun kurz die wichtigsten Ereignisse und Fortschritte
der deutschen Hochofenindustrie in der Zeit von 1870 bis 1880
vorführen.

Die preussische Regierung hatte sich schon Ende der sechziger
Jahre des grössten Teiles ihrer staatlichen Eisenhütten entledigt,
1871 verkaufte sie die Königshütte in Oberschlesien an ein Kon-
sortium, das auch die Laurahütte mit ihren wichtigen Kohlen-
bergwerken erwarb und vom 1. Juli 1871 die Aktiengesellschaft
"Vereinigte Königs- und Laurahütte" in Berlin gründete. Der
preussische Staat behielt in Schlesien nur die Eisenhütten zu Gleiwitz
und Malapane, am Harz Rothehütte, Lerbacher- und Sollingerhütte.
Die Rothehütte ging 1871 vom Holzkohlen- zum Koksbetriebe über.
In Luxemburg wurde 1870 nur der kleinere Teil der geförderten
Erze (36,3 Prozent) im Lande verhüttet, der grössere Teil wurde aus-
geführt und zwar 38,4 Prozent nach Belgien und 25,3 Prozent nach
Preussen. Die Roheisenproduktion von Luxemburg betrug damals nur

Deutschland (mit Luxemburg).
zu der Vortrefflichkeit ihrer Leistungen und zu ihren Errungen-
schaften im Wettbewerb mit den übrigen Eisenindustrieländern bei-
getragen. Dies war ermöglicht durch die wissenschaftliche Ausbildung
der technischen Beamten und durch die Würdigung der Wichtigkeit
theoretischer Klarstellung der technischen Vorgänge und Prozesse,
besonders mit Hülfe der chemischen Analyse. Infolgedessen wurden
auf allen deutschen Eisenhütten- und Stahlwerken Laboratorien ein-
gerichtet, die eine segensreiche Thätigkeit entfalteten, nicht nur für
die einzelnen Werke, sondern für Deutschland und die Wissenschaft.

Auch die Vereinsthätigkeit ist ein wichtiges Förderungsmittel
der deutschen Industrie gewesen. 1870 wurde der Verein deutscher
Eisengieſsereien gegründet, dessen erster Schriftführer Paul Stumpf
zu Gravenhorst war, ihm folgte E. Scheerenberg in Elberfeld.
1880 trennte sich der Verein deutscher Eisenhüttenleute als selb-
ständiger Verein von dem Verein deutscher Ingenieure und gründete
als Vereinsorgan die wichtige Zeitschrift „Stahl und Eisen“. Der
erste Schriftführer war Bueck, ihm folgten Dr. W. Bäumer und
Schrödter. Dieser Verein verfolgte mehr allgemeine und wissen-
schaftliche Zwecke, während sich der Verein deutscher Eisen- und
Stahlindustrieller als Interessenverein aus demselben entwickelte. Im
Kriegsjahre 1870 wurde die technische Hochschule in Aachen er-
öffnet, die auf die Forderung der Eisenindustriellen von Rheinland
und Westfalen hin einen besonderen Lehrstuhl für Eisenhüttenkunde
erhielt, der durch Dr. Friedr. Wilh. Dürre besetzt wurde.

Wir wollen nun kurz die wichtigsten Ereignisse und Fortschritte
der deutschen Hochofenindustrie in der Zeit von 1870 bis 1880
vorführen.

Die preuſsische Regierung hatte sich schon Ende der sechziger
Jahre des gröſsten Teiles ihrer staatlichen Eisenhütten entledigt,
1871 verkaufte sie die Königshütte in Oberschlesien an ein Kon-
sortium, das auch die Laurahütte mit ihren wichtigen Kohlen-
bergwerken erwarb und vom 1. Juli 1871 die Aktiengesellschaft
„Vereinigte Königs- und Laurahütte“ in Berlin gründete. Der
preuſsische Staat behielt in Schlesien nur die Eisenhütten zu Gleiwitz
und Malapane, am Harz Rothehütte, Lerbacher- und Sollingerhütte.
Die Rothehütte ging 1871 vom Holzkohlen- zum Koksbetriebe über.
In Luxemburg wurde 1870 nur der kleinere Teil der geförderten
Erze (36,3 Prozent) im Lande verhüttet, der gröſsere Teil wurde aus-
geführt und zwar 38,4 Prozent nach Belgien und 25,3 Prozent nach
Preuſsen. Die Roheisenproduktion von Luxemburg betrug damals nur

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[989/1005] Deutschland (mit Luxemburg). zu der Vortrefflichkeit ihrer Leistungen und zu ihren Errungen- schaften im Wettbewerb mit den übrigen Eisenindustrieländern bei- getragen. Dies war ermöglicht durch die wissenschaftliche Ausbildung der technischen Beamten und durch die Würdigung der Wichtigkeit theoretischer Klarstellung der technischen Vorgänge und Prozesse, besonders mit Hülfe der chemischen Analyse. Infolgedessen wurden auf allen deutschen Eisenhütten- und Stahlwerken Laboratorien ein- gerichtet, die eine segensreiche Thätigkeit entfalteten, nicht nur für die einzelnen Werke, sondern für Deutschland und die Wissenschaft. Auch die Vereinsthätigkeit ist ein wichtiges Förderungsmittel der deutschen Industrie gewesen. 1870 wurde der Verein deutscher Eisengieſsereien gegründet, dessen erster Schriftführer Paul Stumpf zu Gravenhorst war, ihm folgte E. Scheerenberg in Elberfeld. 1880 trennte sich der Verein deutscher Eisenhüttenleute als selb- ständiger Verein von dem Verein deutscher Ingenieure und gründete als Vereinsorgan die wichtige Zeitschrift „Stahl und Eisen“. Der erste Schriftführer war Bueck, ihm folgten Dr. W. Bäumer und Schrödter. Dieser Verein verfolgte mehr allgemeine und wissen- schaftliche Zwecke, während sich der Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller als Interessenverein aus demselben entwickelte. Im Kriegsjahre 1870 wurde die technische Hochschule in Aachen er- öffnet, die auf die Forderung der Eisenindustriellen von Rheinland und Westfalen hin einen besonderen Lehrstuhl für Eisenhüttenkunde erhielt, der durch Dr. Friedr. Wilh. Dürre besetzt wurde. Wir wollen nun kurz die wichtigsten Ereignisse und Fortschritte der deutschen Hochofenindustrie in der Zeit von 1870 bis 1880 vorführen. Die preuſsische Regierung hatte sich schon Ende der sechziger Jahre des gröſsten Teiles ihrer staatlichen Eisenhütten entledigt, 1871 verkaufte sie die Königshütte in Oberschlesien an ein Kon- sortium, das auch die Laurahütte mit ihren wichtigen Kohlen- bergwerken erwarb und vom 1. Juli 1871 die Aktiengesellschaft „Vereinigte Königs- und Laurahütte“ in Berlin gründete. Der preuſsische Staat behielt in Schlesien nur die Eisenhütten zu Gleiwitz und Malapane, am Harz Rothehütte, Lerbacher- und Sollingerhütte. Die Rothehütte ging 1871 vom Holzkohlen- zum Koksbetriebe über. In Luxemburg wurde 1870 nur der kleinere Teil der geförderten Erze (36,3 Prozent) im Lande verhüttet, der gröſsere Teil wurde aus- geführt und zwar 38,4 Prozent nach Belgien und 25,3 Prozent nach Preuſsen. Die Roheisenproduktion von Luxemburg betrug damals nur

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 989. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1005>, abgerufen am 17.05.2024.