eisen sollte nach beendigter Entkohlung im Schmelzgefäss oder in der Pfanne zugesetzt werden und zwar für Schmiedeeisen 2 bis 3 Proz., für Halbstahl 3 bis 5 Proz. und für eigentlichen Stahl je nach der verlangten Härte 5 bis 20 Proz. Diese Erfindung Mushets ist für das Gelingen des Bessemerprozesses von grösster Bedeutung geworden. Robert Mushet schmolz anfangs 1857 entkohltes Bessemermetall von Ebbw-Vale in Tiegeln um und setzte zu jedem geschmolzenen Satz von 44 Pfund 2 Pfund geschmolzenes Spiegeleisen zu. Aus diesem Gemisch goss er Blöcke von 500 bis 800 Pfund. Einer dieser wurde zu Ebbw-Vale zu einer Eisenbahnschiene ausgewalzt, die im Frühjahr 1857 auf der Station Derby verlegt wurde. Sie lag bis 1873, nachdem 1250000 Züge und etwa ebensoviel einzelne Lokomotiven darübergelaufen waren. Das war die erste Bessemerstahlschiene, die gelegt worden ist.
Das Jahr 1857 war für Bessemer und seine Erfindung ein besonders schwieriges. Zu dem Misstrauen gegen seine Erfindung kam die lähmende Wirkung der von Amerika ausgehenden Geldkrisis, welche auch auf die europäische Eisenindustrie und den Unter- nehmungsgeist drückte. Nicht nur in England machte sich diese fühl- bar, sondern auch in Schweden, wo Göranson infolge davon im Begriff stand, seine Versuche mit dem Bessemerverfahren aufzugeben.
Bessemer arbeitete mit den Mitteln, welche ihm der Verkauf seines Patentes gewährt hatte, unablässig an der Vervollkommnung seines Verfahrens, ohne zu einem entscheidenden Erfolge zu gelangen.
Am 24. Januar 1857 nahm er ein Patent auf ein eigentümliches Walzverfahren für Platten, Bleche, Stäbe u. s. w. Danach sollte das flüssige Metall zwischen bewegte hohle Walzen, die durch Wasser gekühlt waren, gegossen und im Erstarren ausgewalzt werden.
Erst am 18. September 1857 nahm er wieder ein neues Patent (Nr. 2432) auf die Fabrikation von Gussstahl nach seiner Erfindung. Beim Umschmelzen des Roheisens im Kupolofen sollte möglichst schwefelfreies Brennmaterial, besonders gut entschwefelter Koks ge- nommen werden. Die ausgeworfenen Schlacken und Eisenmassen sollten in Kugelmühlen gemahlen und die Schlacke durch einen starken Wind- strom von den Eisenkörnern getrennt werden. Die Windöffnung solle am tiefsten Punkte des Konverters und nicht, wie seither, seitlich an- gebracht werden und könne diese zugleich auch als Abstichloch dienen (Fig. 334 a. f. S.). Das Gefäss müsse unten eine parabolische Form haben und stationär oder in Achsen beweglich sein. Fig. 335 (a. f. S.) zeigt eine verbesserte Konstruktion derselben Ofenart. Der geschmolzene
59*
Henry Bessemer und seine Erfindung.
eisen sollte nach beendigter Entkohlung im Schmelzgefäſs oder in der Pfanne zugesetzt werden und zwar für Schmiedeeisen 2 bis 3 Proz., für Halbstahl 3 bis 5 Proz. und für eigentlichen Stahl je nach der verlangten Härte 5 bis 20 Proz. Diese Erfindung Mushets ist für das Gelingen des Bessemerprozesses von gröſster Bedeutung geworden. Robert Mushet schmolz anfangs 1857 entkohltes Bessemermetall von Ebbw-Vale in Tiegeln um und setzte zu jedem geschmolzenen Satz von 44 Pfund 2 Pfund geschmolzenes Spiegeleisen zu. Aus diesem Gemisch goſs er Blöcke von 500 bis 800 Pfund. Einer dieser wurde zu Ebbw-Vale zu einer Eisenbahnschiene ausgewalzt, die im Frühjahr 1857 auf der Station Derby verlegt wurde. Sie lag bis 1873, nachdem 1250000 Züge und etwa ebensoviel einzelne Lokomotiven darübergelaufen waren. Das war die erste Bessemerstahlschiene, die gelegt worden ist.
Das Jahr 1857 war für Bessemer und seine Erfindung ein besonders schwieriges. Zu dem Miſstrauen gegen seine Erfindung kam die lähmende Wirkung der von Amerika ausgehenden Geldkrisis, welche auch auf die europäische Eisenindustrie und den Unter- nehmungsgeist drückte. Nicht nur in England machte sich diese fühl- bar, sondern auch in Schweden, wo Göranson infolge davon im Begriff stand, seine Versuche mit dem Bessemerverfahren aufzugeben.
Bessemer arbeitete mit den Mitteln, welche ihm der Verkauf seines Patentes gewährt hatte, unablässig an der Vervollkommnung seines Verfahrens, ohne zu einem entscheidenden Erfolge zu gelangen.
Am 24. Januar 1857 nahm er ein Patent auf ein eigentümliches Walzverfahren für Platten, Bleche, Stäbe u. s. w. Danach sollte das flüssige Metall zwischen bewegte hohle Walzen, die durch Wasser gekühlt waren, gegossen und im Erstarren ausgewalzt werden.
Erst am 18. September 1857 nahm er wieder ein neues Patent (Nr. 2432) auf die Fabrikation von Guſsstahl nach seiner Erfindung. Beim Umschmelzen des Roheisens im Kupolofen sollte möglichst schwefelfreies Brennmaterial, besonders gut entschwefelter Koks ge- nommen werden. Die ausgeworfenen Schlacken und Eisenmassen sollten in Kugelmühlen gemahlen und die Schlacke durch einen starken Wind- strom von den Eisenkörnern getrennt werden. Die Windöffnung solle am tiefsten Punkte des Konverters und nicht, wie seither, seitlich an- gebracht werden und könne diese zugleich auch als Abstichloch dienen (Fig. 334 a. f. S.). Das Gefäſs müsse unten eine parabolische Form haben und stationär oder in Achsen beweglich sein. Fig. 335 (a. f. S.) zeigt eine verbesserte Konstruktion derselben Ofenart. Der geschmolzene
59*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0947"n="931"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Henry Bessemer</hi> und seine Erfindung.</fw><lb/>
eisen sollte nach beendigter Entkohlung im Schmelzgefäſs oder in der<lb/>
Pfanne zugesetzt werden und zwar für Schmiedeeisen 2 bis 3 Proz.,<lb/>
für Halbstahl 3 bis 5 Proz. und für eigentlichen Stahl je nach der<lb/>
verlangten Härte 5 bis 20 Proz. Diese Erfindung <hirendition="#g">Mushets</hi> ist für<lb/>
das Gelingen des Bessemerprozesses von gröſster Bedeutung geworden.<lb/><hirendition="#g">Robert Mushet</hi> schmolz anfangs 1857 entkohltes Bessemermetall<lb/>
von Ebbw-Vale in Tiegeln um und setzte zu jedem geschmolzenen<lb/>
Satz von 44 Pfund 2 Pfund geschmolzenes Spiegeleisen zu. Aus<lb/>
diesem Gemisch goſs er Blöcke von 500 bis 800 Pfund. Einer dieser<lb/>
wurde zu Ebbw-Vale zu einer Eisenbahnschiene ausgewalzt, die im<lb/>
Frühjahr 1857 auf der Station Derby verlegt wurde. Sie lag bis 1873,<lb/>
nachdem 1250000 Züge und etwa ebensoviel einzelne Lokomotiven<lb/>
darübergelaufen waren. Das war die erste Bessemerstahlschiene, die<lb/>
gelegt worden ist.</p><lb/><p>Das Jahr 1857 war für <hirendition="#g">Bessemer</hi> und seine Erfindung ein<lb/>
besonders schwieriges. Zu dem Miſstrauen gegen seine Erfindung kam<lb/>
die lähmende Wirkung der von Amerika ausgehenden Geldkrisis,<lb/>
welche auch auf die europäische Eisenindustrie und den Unter-<lb/>
nehmungsgeist drückte. Nicht nur in England machte sich diese fühl-<lb/>
bar, sondern auch in Schweden, wo <hirendition="#g">Göranson</hi> infolge davon im<lb/>
Begriff stand, seine Versuche mit dem Bessemerverfahren aufzugeben.</p><lb/><p><hirendition="#g">Bessemer</hi> arbeitete mit den Mitteln, welche ihm der Verkauf<lb/>
seines Patentes gewährt hatte, unablässig an der Vervollkommnung<lb/>
seines Verfahrens, ohne zu einem entscheidenden Erfolge zu gelangen.</p><lb/><p>Am 24. Januar 1857 nahm er ein Patent auf ein eigentümliches<lb/>
Walzverfahren für Platten, Bleche, Stäbe u. s. w. Danach sollte das<lb/>
flüssige Metall zwischen bewegte hohle Walzen, die durch Wasser<lb/>
gekühlt waren, gegossen und im Erstarren ausgewalzt werden.</p><lb/><p>Erst am 18. September 1857 nahm er wieder ein neues Patent<lb/>
(Nr. 2432) auf die Fabrikation von Guſsstahl nach seiner Erfindung.<lb/>
Beim Umschmelzen des Roheisens im <hirendition="#g">Kupolofen</hi> sollte möglichst<lb/>
schwefelfreies Brennmaterial, besonders gut entschwefelter Koks ge-<lb/>
nommen werden. Die ausgeworfenen Schlacken und Eisenmassen sollten<lb/>
in Kugelmühlen gemahlen und die Schlacke durch einen starken Wind-<lb/>
strom von den Eisenkörnern getrennt werden. Die Windöffnung solle<lb/>
am <hirendition="#g">tiefsten Punkte</hi> des Konverters und nicht, wie seither, seitlich an-<lb/>
gebracht werden und könne diese zugleich auch als Abstichloch dienen<lb/>
(Fig. 334 a. f. S.). Das Gefäſs müsse unten eine parabolische Form<lb/>
haben und stationär oder in Achsen beweglich sein. Fig. 335 (a. f. S.)<lb/>
zeigt eine verbesserte Konstruktion derselben Ofenart. Der geschmolzene<lb/><fwplace="bottom"type="sig">59*</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[931/0947]
Henry Bessemer und seine Erfindung.
eisen sollte nach beendigter Entkohlung im Schmelzgefäſs oder in der
Pfanne zugesetzt werden und zwar für Schmiedeeisen 2 bis 3 Proz.,
für Halbstahl 3 bis 5 Proz. und für eigentlichen Stahl je nach der
verlangten Härte 5 bis 20 Proz. Diese Erfindung Mushets ist für
das Gelingen des Bessemerprozesses von gröſster Bedeutung geworden.
Robert Mushet schmolz anfangs 1857 entkohltes Bessemermetall
von Ebbw-Vale in Tiegeln um und setzte zu jedem geschmolzenen
Satz von 44 Pfund 2 Pfund geschmolzenes Spiegeleisen zu. Aus
diesem Gemisch goſs er Blöcke von 500 bis 800 Pfund. Einer dieser
wurde zu Ebbw-Vale zu einer Eisenbahnschiene ausgewalzt, die im
Frühjahr 1857 auf der Station Derby verlegt wurde. Sie lag bis 1873,
nachdem 1250000 Züge und etwa ebensoviel einzelne Lokomotiven
darübergelaufen waren. Das war die erste Bessemerstahlschiene, die
gelegt worden ist.
Das Jahr 1857 war für Bessemer und seine Erfindung ein
besonders schwieriges. Zu dem Miſstrauen gegen seine Erfindung kam
die lähmende Wirkung der von Amerika ausgehenden Geldkrisis,
welche auch auf die europäische Eisenindustrie und den Unter-
nehmungsgeist drückte. Nicht nur in England machte sich diese fühl-
bar, sondern auch in Schweden, wo Göranson infolge davon im
Begriff stand, seine Versuche mit dem Bessemerverfahren aufzugeben.
Bessemer arbeitete mit den Mitteln, welche ihm der Verkauf
seines Patentes gewährt hatte, unablässig an der Vervollkommnung
seines Verfahrens, ohne zu einem entscheidenden Erfolge zu gelangen.
Am 24. Januar 1857 nahm er ein Patent auf ein eigentümliches
Walzverfahren für Platten, Bleche, Stäbe u. s. w. Danach sollte das
flüssige Metall zwischen bewegte hohle Walzen, die durch Wasser
gekühlt waren, gegossen und im Erstarren ausgewalzt werden.
Erst am 18. September 1857 nahm er wieder ein neues Patent
(Nr. 2432) auf die Fabrikation von Guſsstahl nach seiner Erfindung.
Beim Umschmelzen des Roheisens im Kupolofen sollte möglichst
schwefelfreies Brennmaterial, besonders gut entschwefelter Koks ge-
nommen werden. Die ausgeworfenen Schlacken und Eisenmassen sollten
in Kugelmühlen gemahlen und die Schlacke durch einen starken Wind-
strom von den Eisenkörnern getrennt werden. Die Windöffnung solle
am tiefsten Punkte des Konverters und nicht, wie seither, seitlich an-
gebracht werden und könne diese zugleich auch als Abstichloch dienen
(Fig. 334 a. f. S.). Das Gefäſs müsse unten eine parabolische Form
haben und stationär oder in Achsen beweglich sein. Fig. 335 (a. f. S.)
zeigt eine verbesserte Konstruktion derselben Ofenart. Der geschmolzene
59*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 931. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/947>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.