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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Henry Bessemer und seine Erfindung.
die hohle Spindel oder durch Düsen dicht um die Spindel eingeführt.
Durch die Drehbewegung steigt das flüssige Metall an den Wänden
auf und bietet dem Winde eine grosse Oberfläche dar. Ebenso wird
das glühende Brennmaterial durch die Centrifugalkraft wider diese
gehobene Schicht flüssigen Eisens angedrückt und teilt diesem seine
Hitze mit. Durch die raschere oder langsamere Drehbewegung kann
man die Einwirkung regulieren und immer neue Oberflächen derselben
aussetzen. Es lassen sich auch noch Windröhren am Boden oder an
den Seiten anbringen, wodurch die Luft durch das Metall hindurch-
gepresst wird.

Die Figuren 326 bis 331 (a. v. S.) zeigen verschiedene Konstruktionen
Bessemers 1). Im allgemeinen ist also in diesem Patent mehr die
Wirkung des Windes auf die Oberfläche betont. Um besseren Stangen-
stahl zu erzeugen, sollen die aus dem entkohlten Metall erzeugten
Stäbe cementiert und ausgewalzt werden.

Am 12. Februar 1856 nahm Bessemer ein neues wichtiges Patent
(Nr. 356) 2). In diesem kehrt der Erfinder wieder zu dem Durchblasen
des Windes durch das flüssige Roheisen zurück und versichert hierbei
zum erstenmal bestimmt, dass hierdurch eine so grosse Wärme ent-
wickelt werde, dass kein Brennmaterial mehr erforderlich sei 3). Das
Schmelzgefäss, das er empfiehlt, hat einen cylindrischen Blechmantel
und hängt in hohlen Achsen, durch welche der Wind den Thon-
formen zugeführt wird. Die Ausströmungsöffnung für die Gase soll
so gewunden sein, dass das in die Höhe geschleuderte Metall wieder
zurückfällt. Das Ausgiessen geschieht aus derselben Öffnung durch
Kippen des Gefässes, was ähnlich wie bei Nasmyths Gusspfannen
durch eine Schraube (worm), die in ein an der Achse angebrachtes
Zahnrad eingreift, bewirkt wird. Die Operation dauert eine halbe
Stunde und wird ihr Verlauf nach der Flamme beurteilt. Die Köpfe
der Eingüsse sind oft blasig. Man schneidet diese blasigen Teile ent-
weder ab und schmilzt sie bei einer folgenden Charge mit um, oder
man bearbeitet sie vor dem Auswalzen unter einem Quetschwerk oder
einem Dampfhammer.


1) Siehe Specifikation; ferner Armengaud, Genie industriel, April 1857 und
Dingler, polyt. Journ., Bd. 145, S. 28, Tab. I.
2) Siehe Abridgments, p. 206.
3) "I have discovered that if atmospheric air or oxygen is introduced in the
metal in sufficient quantities, it will produce a vivid combustion among the
particles of the fluid metal and retain or increase its temperature to such a
degree, that the metal will continue fluid during its transition from the state of
crude iron to that of cast steel or malleable iron, without the application of any fuel."

Henry Bessemer und seine Erfindung.
die hohle Spindel oder durch Düsen dicht um die Spindel eingeführt.
Durch die Drehbewegung steigt das flüssige Metall an den Wänden
auf und bietet dem Winde eine groſse Oberfläche dar. Ebenso wird
das glühende Brennmaterial durch die Centrifugalkraft wider diese
gehobene Schicht flüssigen Eisens angedrückt und teilt diesem seine
Hitze mit. Durch die raschere oder langsamere Drehbewegung kann
man die Einwirkung regulieren und immer neue Oberflächen derselben
aussetzen. Es lassen sich auch noch Windröhren am Boden oder an
den Seiten anbringen, wodurch die Luft durch das Metall hindurch-
gepreſst wird.

Die Figuren 326 bis 331 (a. v. S.) zeigen verschiedene Konstruktionen
Bessemers 1). Im allgemeinen ist also in diesem Patent mehr die
Wirkung des Windes auf die Oberfläche betont. Um besseren Stangen-
stahl zu erzeugen, sollen die aus dem entkohlten Metall erzeugten
Stäbe cementiert und ausgewalzt werden.

Am 12. Februar 1856 nahm Bessemer ein neues wichtiges Patent
(Nr. 356) 2). In diesem kehrt der Erfinder wieder zu dem Durchblasen
des Windes durch das flüssige Roheisen zurück und versichert hierbei
zum erstenmal bestimmt, daſs hierdurch eine so groſse Wärme ent-
wickelt werde, daſs kein Brennmaterial mehr erforderlich sei 3). Das
Schmelzgefäſs, das er empfiehlt, hat einen cylindrischen Blechmantel
und hängt in hohlen Achsen, durch welche der Wind den Thon-
formen zugeführt wird. Die Ausströmungsöffnung für die Gase soll
so gewunden sein, daſs das in die Höhe geschleuderte Metall wieder
zurückfällt. Das Ausgieſsen geschieht aus derselben Öffnung durch
Kippen des Gefäſses, was ähnlich wie bei Nasmyths Guſspfannen
durch eine Schraube (worm), die in ein an der Achse angebrachtes
Zahnrad eingreift, bewirkt wird. Die Operation dauert eine halbe
Stunde und wird ihr Verlauf nach der Flamme beurteilt. Die Köpfe
der Eingüsse sind oft blasig. Man schneidet diese blasigen Teile ent-
weder ab und schmilzt sie bei einer folgenden Charge mit um, oder
man bearbeitet sie vor dem Auswalzen unter einem Quetschwerk oder
einem Dampfhammer.


1) Siehe Specifikation; ferner Armengaud, Génie industriel, April 1857 und
Dingler, polyt. Journ., Bd. 145, S. 28, Tab. I.
2) Siehe Abridgments, p. 206.
3) „I have discovered that if atmospheric air or oxygen is introduced in the
metal in sufficient quantities, it will produce a vivid combustion among the
particles of the fluid metal and retain or increase its temperature to such a
degree, that the metal will continue fluid during its transition from the state of
crude iron to that of cast steel or malleable iron, without the application of any fuel.“
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[918/0934] Henry Bessemer und seine Erfindung. die hohle Spindel oder durch Düsen dicht um die Spindel eingeführt. Durch die Drehbewegung steigt das flüssige Metall an den Wänden auf und bietet dem Winde eine groſse Oberfläche dar. Ebenso wird das glühende Brennmaterial durch die Centrifugalkraft wider diese gehobene Schicht flüssigen Eisens angedrückt und teilt diesem seine Hitze mit. Durch die raschere oder langsamere Drehbewegung kann man die Einwirkung regulieren und immer neue Oberflächen derselben aussetzen. Es lassen sich auch noch Windröhren am Boden oder an den Seiten anbringen, wodurch die Luft durch das Metall hindurch- gepreſst wird. Die Figuren 326 bis 331 (a. v. S.) zeigen verschiedene Konstruktionen Bessemers 1). Im allgemeinen ist also in diesem Patent mehr die Wirkung des Windes auf die Oberfläche betont. Um besseren Stangen- stahl zu erzeugen, sollen die aus dem entkohlten Metall erzeugten Stäbe cementiert und ausgewalzt werden. Am 12. Februar 1856 nahm Bessemer ein neues wichtiges Patent (Nr. 356) 2). In diesem kehrt der Erfinder wieder zu dem Durchblasen des Windes durch das flüssige Roheisen zurück und versichert hierbei zum erstenmal bestimmt, daſs hierdurch eine so groſse Wärme ent- wickelt werde, daſs kein Brennmaterial mehr erforderlich sei 3). Das Schmelzgefäſs, das er empfiehlt, hat einen cylindrischen Blechmantel und hängt in hohlen Achsen, durch welche der Wind den Thon- formen zugeführt wird. Die Ausströmungsöffnung für die Gase soll so gewunden sein, daſs das in die Höhe geschleuderte Metall wieder zurückfällt. Das Ausgieſsen geschieht aus derselben Öffnung durch Kippen des Gefäſses, was ähnlich wie bei Nasmyths Guſspfannen durch eine Schraube (worm), die in ein an der Achse angebrachtes Zahnrad eingreift, bewirkt wird. Die Operation dauert eine halbe Stunde und wird ihr Verlauf nach der Flamme beurteilt. Die Köpfe der Eingüsse sind oft blasig. Man schneidet diese blasigen Teile ent- weder ab und schmilzt sie bei einer folgenden Charge mit um, oder man bearbeitet sie vor dem Auswalzen unter einem Quetschwerk oder einem Dampfhammer. 1) Siehe Specifikation; ferner Armengaud, Génie industriel, April 1857 und Dingler, polyt. Journ., Bd. 145, S. 28, Tab. I. 2) Siehe Abridgments, p. 206. 3) „I have discovered that if atmospheric air or oxygen is introduced in the metal in sufficient quantities, it will produce a vivid combustion among the particles of the fluid metal and retain or increase its temperature to such a degree, that the metal will continue fluid during its transition from the state of crude iron to that of cast steel or malleable iron, without the application of any fuel.“

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 918. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/934>, abgerufen am 23.11.2024.