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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Schmiedeeisenbereitung 1851 bis 1860.
frei, der entkohlend und reinigend auf das Roheisen einwirkte. Ebenso
sollte der Wasserstoff sich mit dem Schwefel des Eisens und der
Verbrennungsgase verbinden. Nur das eigentliche Rühren geschah
durch Dampf, das Luppenmachen wurde wie sonst ausgeführt. Im
ganzen wurde aber die Arbeit dadurch erleichtert, der Prozess abge-
kürzt und die Reinheit, Zähigkeit und Festigkeit des Eisens verbessert.

In der That wurde auch das Verfahren auf mehreren englischen
Eisenwerken eingeführt. Es hatte aber den Nachteil, dass die Aktion
durch die Zersetzung des Dampfes zu energisch eintrat, wodurch ein
zu grosser Eisenverlust entstand und, wenn der Arbeiter unvorsichtig
war, zuweilen die ganze Charge verbrannte. Deshalb hatte Nasmyths
Verfahren keinen dauernden Erfolg. Da es aber die allgemeine Auf-
merksamkeit der Eisentechniker schon des berühmten Erfinders wegen
erregte, so wird es auch John Bessemer nicht entgangen sein,
dessen grossartige Erfindung eine entfernte Verwandtschaft mit diesem
Verfahren hat.

Dieselbe Idee wurde verfolgt und verbessert von G. Parry auf
dem Ebbw-Vale-Eisenwerke in Monmouthshire, welcher ein Puddel-
verfahren mit überhitztem Dampfe erfand und darauf am 26. Februar
1856 ein Patent (Nr. 495) erhielt. Er überhitzte den Dampf vorher
und leitete ihn nicht in das Eisen, sondern auf die Oberfläche des
Eisens, jedoch so unmittelbar, dass die Dampfstrahlen Eindrücke auf das
flüssige Metallbad machen und dasselbe in Bewegung setzen sollten.
Es geschah dies durch Düsen neben der Feuerthür, welche 35 Grad
Neigung hatten und deren Mündungen 2 bis 4 Zoll von der Oberfläche
des Eisenbades abstanden. Bei dem Verpuddeln von weissem,
halbiertem und hellgrauem Roheisen (Nr. 3) waren zwei Düsen von
3/4 Zoll Öffnung hinreichend. Der Dampf wurde in einem Spiralrohre
durch die entweichende Flamme erhitzt. Die Arbeit geschah wie
sonst, nur verlief sie viel rascher. Der überhitzte Dampf kühlte das
flüssige Eisen lange nicht so rasch ab wie der gewöhnliche.

Parry wendete sein Verfahren auch zum Feinen des Eisens an,
wobei er grosse Flammöfen mit neun geneigten Formen anwendete.
Statt dessen konnte man auch die Formen am Boden anbringen und
den überhitzten Dampf durch das 4 Fuss lange, 21/2 Fuss breite und
11/2 Fuss hohe Eisenbad durchpressen. Ein Zusatz von Pfeifenerde
und Eisenspat beförderte die Reinigung. Liess man das gefeinte Eisen
in Wasser laufen und schmolz die so erhaltenen Granalien im Schmelz-
tiegel um, so erhielt man Gussstahl. -- Parrys Methode konnte sich
damals aber noch weniger Eingang verschaffen wie die von Nasmyth.


Schmiedeeisenbereitung 1851 bis 1860.
frei, der entkohlend und reinigend auf das Roheisen einwirkte. Ebenso
sollte der Wasserstoff sich mit dem Schwefel des Eisens und der
Verbrennungsgase verbinden. Nur das eigentliche Rühren geschah
durch Dampf, das Luppenmachen wurde wie sonst ausgeführt. Im
ganzen wurde aber die Arbeit dadurch erleichtert, der Prozeſs abge-
kürzt und die Reinheit, Zähigkeit und Festigkeit des Eisens verbessert.

In der That wurde auch das Verfahren auf mehreren englischen
Eisenwerken eingeführt. Es hatte aber den Nachteil, daſs die Aktion
durch die Zersetzung des Dampfes zu energisch eintrat, wodurch ein
zu groſser Eisenverlust entstand und, wenn der Arbeiter unvorsichtig
war, zuweilen die ganze Charge verbrannte. Deshalb hatte Nasmyths
Verfahren keinen dauernden Erfolg. Da es aber die allgemeine Auf-
merksamkeit der Eisentechniker schon des berühmten Erfinders wegen
erregte, so wird es auch John Bessemer nicht entgangen sein,
dessen groſsartige Erfindung eine entfernte Verwandtschaft mit diesem
Verfahren hat.

Dieselbe Idee wurde verfolgt und verbessert von G. Parry auf
dem Ebbw-Vale-Eisenwerke in Monmouthshire, welcher ein Puddel-
verfahren mit überhitztem Dampfe erfand und darauf am 26. Februar
1856 ein Patent (Nr. 495) erhielt. Er überhitzte den Dampf vorher
und leitete ihn nicht in das Eisen, sondern auf die Oberfläche des
Eisens, jedoch so unmittelbar, daſs die Dampfstrahlen Eindrücke auf das
flüssige Metallbad machen und dasselbe in Bewegung setzen sollten.
Es geschah dies durch Düsen neben der Feuerthür, welche 35 Grad
Neigung hatten und deren Mündungen 2 bis 4 Zoll von der Oberfläche
des Eisenbades abstanden. Bei dem Verpuddeln von weiſsem,
halbiertem und hellgrauem Roheisen (Nr. 3) waren zwei Düsen von
¾ Zoll Öffnung hinreichend. Der Dampf wurde in einem Spiralrohre
durch die entweichende Flamme erhitzt. Die Arbeit geschah wie
sonst, nur verlief sie viel rascher. Der überhitzte Dampf kühlte das
flüssige Eisen lange nicht so rasch ab wie der gewöhnliche.

Parry wendete sein Verfahren auch zum Feinen des Eisens an,
wobei er groſse Flammöfen mit neun geneigten Formen anwendete.
Statt dessen konnte man auch die Formen am Boden anbringen und
den überhitzten Dampf durch das 4 Fuſs lange, 2½ Fuſs breite und
1½ Fuſs hohe Eisenbad durchpressen. Ein Zusatz von Pfeifenerde
und Eisenspat beförderte die Reinigung. Lieſs man das gefeinte Eisen
in Wasser laufen und schmolz die so erhaltenen Granalien im Schmelz-
tiegel um, so erhielt man Guſsstahl. — Parrys Methode konnte sich
damals aber noch weniger Eingang verschaffen wie die von Nasmyth.


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[859/0875] Schmiedeeisenbereitung 1851 bis 1860. frei, der entkohlend und reinigend auf das Roheisen einwirkte. Ebenso sollte der Wasserstoff sich mit dem Schwefel des Eisens und der Verbrennungsgase verbinden. Nur das eigentliche Rühren geschah durch Dampf, das Luppenmachen wurde wie sonst ausgeführt. Im ganzen wurde aber die Arbeit dadurch erleichtert, der Prozeſs abge- kürzt und die Reinheit, Zähigkeit und Festigkeit des Eisens verbessert. In der That wurde auch das Verfahren auf mehreren englischen Eisenwerken eingeführt. Es hatte aber den Nachteil, daſs die Aktion durch die Zersetzung des Dampfes zu energisch eintrat, wodurch ein zu groſser Eisenverlust entstand und, wenn der Arbeiter unvorsichtig war, zuweilen die ganze Charge verbrannte. Deshalb hatte Nasmyths Verfahren keinen dauernden Erfolg. Da es aber die allgemeine Auf- merksamkeit der Eisentechniker schon des berühmten Erfinders wegen erregte, so wird es auch John Bessemer nicht entgangen sein, dessen groſsartige Erfindung eine entfernte Verwandtschaft mit diesem Verfahren hat. Dieselbe Idee wurde verfolgt und verbessert von G. Parry auf dem Ebbw-Vale-Eisenwerke in Monmouthshire, welcher ein Puddel- verfahren mit überhitztem Dampfe erfand und darauf am 26. Februar 1856 ein Patent (Nr. 495) erhielt. Er überhitzte den Dampf vorher und leitete ihn nicht in das Eisen, sondern auf die Oberfläche des Eisens, jedoch so unmittelbar, daſs die Dampfstrahlen Eindrücke auf das flüssige Metallbad machen und dasselbe in Bewegung setzen sollten. Es geschah dies durch Düsen neben der Feuerthür, welche 35 Grad Neigung hatten und deren Mündungen 2 bis 4 Zoll von der Oberfläche des Eisenbades abstanden. Bei dem Verpuddeln von weiſsem, halbiertem und hellgrauem Roheisen (Nr. 3) waren zwei Düsen von ¾ Zoll Öffnung hinreichend. Der Dampf wurde in einem Spiralrohre durch die entweichende Flamme erhitzt. Die Arbeit geschah wie sonst, nur verlief sie viel rascher. Der überhitzte Dampf kühlte das flüssige Eisen lange nicht so rasch ab wie der gewöhnliche. Parry wendete sein Verfahren auch zum Feinen des Eisens an, wobei er groſse Flammöfen mit neun geneigten Formen anwendete. Statt dessen konnte man auch die Formen am Boden anbringen und den überhitzten Dampf durch das 4 Fuſs lange, 2½ Fuſs breite und 1½ Fuſs hohe Eisenbad durchpressen. Ein Zusatz von Pfeifenerde und Eisenspat beförderte die Reinigung. Lieſs man das gefeinte Eisen in Wasser laufen und schmolz die so erhaltenen Granalien im Schmelz- tiegel um, so erhielt man Guſsstahl. — Parrys Methode konnte sich damals aber noch weniger Eingang verschaffen wie die von Nasmyth.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 859. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/875>, abgerufen am 23.11.2024.