Auffassung und Beurteilung der hüttenmännischen Prozesse bereits erlangt hatte, und Karsten gebührt kein geringer Anteil an dem Ruhme, die Hüttenkunde auf feste chemische Grundlage gestellt zu haben, nicht nur durch eigene Untersuchungen, sondern noch mehr durch die richtige Deutung und Auslegung eigener und fremder chemischer Arbeiten. Trotzdem blieb Vieles noch in Dunkel gehüllt. Die Erfahrung lehrte zwar im einzelnen Falle, was zu thun und was zu lassen war; aber daraus liess sich weder eine Regel ableiten, noch dafür die Begründung finden. Vielmehr zeigte es sich, dass das, was in einem Falle erfahrungsmässig richtig, im anderen Falle unrichtig war.
Die Kenntnis des Hüttenmannes bestand aus einer grossen Menge lokaler Erfahrungen, die sich oft zu widersprechen schienen, für die das einheitliche Band fehlte. So verhielt es sich mit der Lehre von der Schlackenbildung, mit der Lehre von der Beschickung und den Zuschlägen, die eng damit zusammen- hing. Die Erfahrung hatte auf jeder Hütte die beste Beschickungs- art wohl ermittelt, mit jeder neuen Erzsorte fing aber das Pro- bieren, das Tasten im Dunkeln von neuem an, denn es fehlte noch die richtige chemische Erklärung der Schlacken. Man betrachtete damals noch Kieselsäure, Thon, Kalk und Magnesia als verschiedene Arten von Erden; hat sich doch die Bezeichnung Kieselerde, Thon- erde, Kalkerde, Talkerde bis heute dafür erhalten. Man sah im Quarz ebenso eine Erde wie im Kalk und betrachtete die Thonerde als diesen gleichartig. Das war noch das alte Erbteil der Unwissen- heit aus einer früheren Periode. Man hatte keine Ahnung, dass die Kieselerde die Rolle einer Säure spielt, während dem Kalk die Rolle einer Base zukommt. Man fragte nicht danach, ob der Thon ein zusammengesetzter Körper, ein Silikat sei. Der Begriff Erde genügte. Zwar wusste man, dass ein Zuschlag von Kalk die Schmelzung der meisten Erze erleichtert; auch hatte man Versuche gemacht, die Erden nach Gewichtsteilen gemischt zu schmelzen und hatte gefunden, dass gewisse Mischungen leichter schmelzbar sind, sowie dass namentlich oft der Zusatz von zwei Erden, an Stelle von einer, die Schmelzung befördert. Aber allen diesen Erfahrungen fehlte die chemische Begründung, weil man weder die verschmolzenen Erze noch die gebildeten Schlacken analysiert hatte. Die von Achard, Bergman, Chaptal, Cramer, Ehrmann, Gellert, Gerhard, Gilbert, Guyton de Morveau, Hom- berg, Kirwan, Klaproth, Lampadius, Lavoisier, Lelievre, Marggraf, Poerner, Tiemann, Wiegleb u. a. angestellten Schmelz- versuche im kleinen waren immerhin schätzbar und deuteten wenigstens
1801 bis 1815. — Schlackenbildung.
Auffassung und Beurteilung der hüttenmännischen Prozesse bereits erlangt hatte, und Karsten gebührt kein geringer Anteil an dem Ruhme, die Hüttenkunde auf feste chemische Grundlage gestellt zu haben, nicht nur durch eigene Untersuchungen, sondern noch mehr durch die richtige Deutung und Auslegung eigener und fremder chemischer Arbeiten. Trotzdem blieb Vieles noch in Dunkel gehüllt. Die Erfahrung lehrte zwar im einzelnen Falle, was zu thun und was zu lassen war; aber daraus lieſs sich weder eine Regel ableiten, noch dafür die Begründung finden. Vielmehr zeigte es sich, daſs das, was in einem Falle erfahrungsmäſsig richtig, im anderen Falle unrichtig war.
Die Kenntnis des Hüttenmannes bestand aus einer groſsen Menge lokaler Erfahrungen, die sich oft zu widersprechen schienen, für die das einheitliche Band fehlte. So verhielt es sich mit der Lehre von der Schlackenbildung, mit der Lehre von der Beschickung und den Zuschlägen, die eng damit zusammen- hing. Die Erfahrung hatte auf jeder Hütte die beste Beschickungs- art wohl ermittelt, mit jeder neuen Erzsorte fing aber das Pro- bieren, das Tasten im Dunkeln von neuem an, denn es fehlte noch die richtige chemische Erklärung der Schlacken. Man betrachtete damals noch Kieselsäure, Thon, Kalk und Magnesia als verschiedene Arten von Erden; hat sich doch die Bezeichnung Kieselerde, Thon- erde, Kalkerde, Talkerde bis heute dafür erhalten. Man sah im Quarz ebenso eine Erde wie im Kalk und betrachtete die Thonerde als diesen gleichartig. Das war noch das alte Erbteil der Unwissen- heit aus einer früheren Periode. Man hatte keine Ahnung, daſs die Kieselerde die Rolle einer Säure spielt, während dem Kalk die Rolle einer Base zukommt. Man fragte nicht danach, ob der Thon ein zusammengesetzter Körper, ein Silikat sei. Der Begriff Erde genügte. Zwar wuſste man, daſs ein Zuschlag von Kalk die Schmelzung der meisten Erze erleichtert; auch hatte man Versuche gemacht, die Erden nach Gewichtsteilen gemischt zu schmelzen und hatte gefunden, daſs gewisse Mischungen leichter schmelzbar sind, sowie daſs namentlich oft der Zusatz von zwei Erden, an Stelle von einer, die Schmelzung befördert. Aber allen diesen Erfahrungen fehlte die chemische Begründung, weil man weder die verschmolzenen Erze noch die gebildeten Schlacken analysiert hatte. Die von Achard, Bergman, Chaptal, Cramer, Ehrmann, Gellert, Gerhard, Gilbert, Guyton de Morveau, Hom- berg, Kirwan, Klaproth, Lampadius, Lavoisier, Lelièvre, Marggraf, Poerner, Tiemann, Wiegleb u. a. angestellten Schmelz- versuche im kleinen waren immerhin schätzbar und deuteten wenigstens
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1801 bis 1815. — Schlackenbildung.
Auffassung und Beurteilung der hüttenmännischen Prozesse bereits
erlangt hatte, und Karsten gebührt kein geringer Anteil an dem
Ruhme, die Hüttenkunde auf feste chemische Grundlage gestellt zu
haben, nicht nur durch eigene Untersuchungen, sondern noch mehr
durch die richtige Deutung und Auslegung eigener und fremder
chemischer Arbeiten. Trotzdem blieb Vieles noch in Dunkel gehüllt.
Die Erfahrung lehrte zwar im einzelnen Falle, was zu thun und was
zu lassen war; aber daraus lieſs sich weder eine Regel ableiten, noch
dafür die Begründung finden. Vielmehr zeigte es sich, daſs das, was in
einem Falle erfahrungsmäſsig richtig, im anderen Falle unrichtig war.
Die Kenntnis des Hüttenmannes bestand aus einer groſsen
Menge lokaler Erfahrungen, die sich oft zu widersprechen
schienen, für die das einheitliche Band fehlte. So verhielt es sich
mit der Lehre von der Schlackenbildung, mit der Lehre von
der Beschickung und den Zuschlägen, die eng damit zusammen-
hing. Die Erfahrung hatte auf jeder Hütte die beste Beschickungs-
art wohl ermittelt, mit jeder neuen Erzsorte fing aber das Pro-
bieren, das Tasten im Dunkeln von neuem an, denn es fehlte noch
die richtige chemische Erklärung der Schlacken. Man betrachtete
damals noch Kieselsäure, Thon, Kalk und Magnesia als verschiedene
Arten von Erden; hat sich doch die Bezeichnung Kieselerde, Thon-
erde, Kalkerde, Talkerde bis heute dafür erhalten. Man sah im
Quarz ebenso eine Erde wie im Kalk und betrachtete die Thonerde
als diesen gleichartig. Das war noch das alte Erbteil der Unwissen-
heit aus einer früheren Periode. Man hatte keine Ahnung, daſs die
Kieselerde die Rolle einer Säure spielt, während dem Kalk die Rolle
einer Base zukommt. Man fragte nicht danach, ob der Thon ein
zusammengesetzter Körper, ein Silikat sei. Der Begriff Erde genügte.
Zwar wuſste man, daſs ein Zuschlag von Kalk die Schmelzung der
meisten Erze erleichtert; auch hatte man Versuche gemacht, die Erden
nach Gewichtsteilen gemischt zu schmelzen und hatte gefunden, daſs
gewisse Mischungen leichter schmelzbar sind, sowie daſs namentlich oft
der Zusatz von zwei Erden, an Stelle von einer, die Schmelzung befördert.
Aber allen diesen Erfahrungen fehlte die chemische Begründung, weil
man weder die verschmolzenen Erze noch die gebildeten Schlacken
analysiert hatte. Die von Achard, Bergman, Chaptal, Cramer,
Ehrmann, Gellert, Gerhard, Gilbert, Guyton de Morveau, Hom-
berg, Kirwan, Klaproth, Lampadius, Lavoisier, Lelièvre,
Marggraf, Poerner, Tiemann, Wiegleb u. a. angestellten Schmelz-
versuche im kleinen waren immerhin schätzbar und deuteten wenigstens
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/64>, abgerufen am 18.12.2024.
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