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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Chemie 1801 bis 1815.
holte 1). Dieser fand, dass die Ergebnisse den Erwartungen durchaus
nicht immer entsprachen, indem noch viele andere Faktoren das
Resultat beeinflussten.

Wichtiger waren die Versuche David Mushets. Mushet war
der erste englische Fachschriftsteller auf dem Gebiete des Eisen-
hüttenwesens. Dieser Umstand, wie die Bedeutung seiner zahlreichen
Versuche, rechtfertigen eine kurze Beschreibung seines Lebensganges 2).
David Mushet wurde 1772 zu Dalkeith bei Edinburg geboren.
Er wuchs im Hüttengewerbe als Metallgiesser auf. Im 19. Lebens-
jahre trat er als Beamter bei dem Clyde-Eisenwerke, das damals nur
zwei Hochöfen hatte, ein und zwar als Buchhalter. Sein Interesse
an dem technischen Betriebe war aber so gross, dass er alle freie
Zeit zu Experimenten verwendete, hauptsächlich zu Schmelzversuchen
in Tiegeln. Dadurch wurde er nach einigen Jahren der geübteste
Probierer auf dem Werke, so dass, wenn irgend eine Frage bezüg-
lich der Möllerung oder neuer Erze auftauchte, man den Buchhalter
holte. Dafür erhielt er die Erlaubnis, die Probieröfen des Direktors
für seine Versuche benutzen zu dürfen. Dies that er, indem er
gleichzeitig den Sohn des Direktors im Probieren unterrichtete. Da
er den Tag über beschäftigt war, arbeitete er nachts meist bis 2 oder
3 Uhr, schlief dann rasch, indem er sich um 1/26 Uhr von dem Maschi-
nisten wecken liess, um um 6 Uhr wieder pünktlich auf seinem
Bureau zu sein. Dieser eiserne Fleiss war charakteristisch für
Mushet. Er baute sich 2 engl. Meilen von den Clyde-works einen
eigenen Ofen für seine Experimente, wo er nachts arbeitete. Sein
Treiben missfiel aber seinen Vorgesetzten, die ihn für einen anmassen-
den Besserwisser ansahen, und eines schönen Tages liess der Betriebs-
leiter des Werkes Mushets sämtliche Versuchsöfen zerstören mit
dem Befehl, dass sie nicht wieder aufgebaut werden dürften. Dieses
verleidete ihm seine Stellung auf der Clydehütte, nicht aber seine
wissenschaftlichen Arbeiten, deren Ergebnisse er jetzt anfing, in einer
Reihe von Aufsätzen in dem Philosophical Magazine zu veröffentlichen.
Von grosser Wichtigkeit wurde auch in der Folge seine Entdeckung des
black-band, jenes schwarzen Kohleneisensteins, auf dem sich die gross-
artige Hochofenindustrie Schottlands später entwickelte, im Jahre 1801.
Mushet war der erste Engländer, welcher versuchte, der für Eng-
land so wichtigen Eisenindustrie eine wissenschaftliche Grundlage zu

1) Siehe Crells Chem. Annalen 1803, I, S. 235 u. 293.
2) Siehe Mushets Papers on Iron and Steel, London 1840.

Chemie 1801 bis 1815.
holte 1). Dieser fand, daſs die Ergebnisse den Erwartungen durchaus
nicht immer entsprachen, indem noch viele andere Faktoren das
Resultat beeinfluſsten.

Wichtiger waren die Versuche David Mushets. Mushet war
der erste englische Fachschriftsteller auf dem Gebiete des Eisen-
hüttenwesens. Dieser Umstand, wie die Bedeutung seiner zahlreichen
Versuche, rechtfertigen eine kurze Beschreibung seines Lebensganges 2).
David Mushet wurde 1772 zu Dalkeith bei Edinburg geboren.
Er wuchs im Hüttengewerbe als Metallgieſser auf. Im 19. Lebens-
jahre trat er als Beamter bei dem Clyde-Eisenwerke, das damals nur
zwei Hochöfen hatte, ein und zwar als Buchhalter. Sein Interesse
an dem technischen Betriebe war aber so groſs, daſs er alle freie
Zeit zu Experimenten verwendete, hauptsächlich zu Schmelzversuchen
in Tiegeln. Dadurch wurde er nach einigen Jahren der geübteste
Probierer auf dem Werke, so daſs, wenn irgend eine Frage bezüg-
lich der Möllerung oder neuer Erze auftauchte, man den Buchhalter
holte. Dafür erhielt er die Erlaubnis, die Probieröfen des Direktors
für seine Versuche benutzen zu dürfen. Dies that er, indem er
gleichzeitig den Sohn des Direktors im Probieren unterrichtete. Da
er den Tag über beschäftigt war, arbeitete er nachts meist bis 2 oder
3 Uhr, schlief dann rasch, indem er sich um ½6 Uhr von dem Maschi-
nisten wecken lieſs, um um 6 Uhr wieder pünktlich auf seinem
Bureau zu sein. Dieser eiserne Fleiſs war charakteristisch für
Mushet. Er baute sich 2 engl. Meilen von den Clyde-works einen
eigenen Ofen für seine Experimente, wo er nachts arbeitete. Sein
Treiben miſsfiel aber seinen Vorgesetzten, die ihn für einen anmaſsen-
den Besserwisser ansahen, und eines schönen Tages lieſs der Betriebs-
leiter des Werkes Mushets sämtliche Versuchsöfen zerstören mit
dem Befehl, daſs sie nicht wieder aufgebaut werden dürften. Dieses
verleidete ihm seine Stellung auf der Clydehütte, nicht aber seine
wissenschaftlichen Arbeiten, deren Ergebnisse er jetzt anfing, in einer
Reihe von Aufsätzen in dem Philosophical Magazine zu veröffentlichen.
Von groſser Wichtigkeit wurde auch in der Folge seine Entdeckung des
black-band, jenes schwarzen Kohleneisensteins, auf dem sich die groſs-
artige Hochofenindustrie Schottlands später entwickelte, im Jahre 1801.
Mushet war der erste Engländer, welcher versuchte, der für Eng-
land so wichtigen Eisenindustrie eine wissenschaftliche Grundlage zu

1) Siehe Crells Chem. Annalen 1803, I, S. 235 u. 293.
2) Siehe Mushets Papers on Iron and Steel, London 1840.
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[23/0039] Chemie 1801 bis 1815. holte 1). Dieser fand, daſs die Ergebnisse den Erwartungen durchaus nicht immer entsprachen, indem noch viele andere Faktoren das Resultat beeinfluſsten. Wichtiger waren die Versuche David Mushets. Mushet war der erste englische Fachschriftsteller auf dem Gebiete des Eisen- hüttenwesens. Dieser Umstand, wie die Bedeutung seiner zahlreichen Versuche, rechtfertigen eine kurze Beschreibung seines Lebensganges 2). David Mushet wurde 1772 zu Dalkeith bei Edinburg geboren. Er wuchs im Hüttengewerbe als Metallgieſser auf. Im 19. Lebens- jahre trat er als Beamter bei dem Clyde-Eisenwerke, das damals nur zwei Hochöfen hatte, ein und zwar als Buchhalter. Sein Interesse an dem technischen Betriebe war aber so groſs, daſs er alle freie Zeit zu Experimenten verwendete, hauptsächlich zu Schmelzversuchen in Tiegeln. Dadurch wurde er nach einigen Jahren der geübteste Probierer auf dem Werke, so daſs, wenn irgend eine Frage bezüg- lich der Möllerung oder neuer Erze auftauchte, man den Buchhalter holte. Dafür erhielt er die Erlaubnis, die Probieröfen des Direktors für seine Versuche benutzen zu dürfen. Dies that er, indem er gleichzeitig den Sohn des Direktors im Probieren unterrichtete. Da er den Tag über beschäftigt war, arbeitete er nachts meist bis 2 oder 3 Uhr, schlief dann rasch, indem er sich um ½6 Uhr von dem Maschi- nisten wecken lieſs, um um 6 Uhr wieder pünktlich auf seinem Bureau zu sein. Dieser eiserne Fleiſs war charakteristisch für Mushet. Er baute sich 2 engl. Meilen von den Clyde-works einen eigenen Ofen für seine Experimente, wo er nachts arbeitete. Sein Treiben miſsfiel aber seinen Vorgesetzten, die ihn für einen anmaſsen- den Besserwisser ansahen, und eines schönen Tages lieſs der Betriebs- leiter des Werkes Mushets sämtliche Versuchsöfen zerstören mit dem Befehl, daſs sie nicht wieder aufgebaut werden dürften. Dieses verleidete ihm seine Stellung auf der Clydehütte, nicht aber seine wissenschaftlichen Arbeiten, deren Ergebnisse er jetzt anfing, in einer Reihe von Aufsätzen in dem Philosophical Magazine zu veröffentlichen. Von groſser Wichtigkeit wurde auch in der Folge seine Entdeckung des black-band, jenes schwarzen Kohleneisensteins, auf dem sich die groſs- artige Hochofenindustrie Schottlands später entwickelte, im Jahre 1801. Mushet war der erste Engländer, welcher versuchte, der für Eng- land so wichtigen Eisenindustrie eine wissenschaftliche Grundlage zu 1) Siehe Crells Chem. Annalen 1803, I, S. 235 u. 293. 2) Siehe Mushets Papers on Iron and Steel, London 1840.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/39>, abgerufen am 18.04.2024.