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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Chemie 1801 bis 1815.
brennung begriffen hatte, war es nicht mehr schwer, die meisten
hüttenmännischen Operationen zu erklären. Über die geheimnisvolle
Natur des Eisens in seinen verschiedenen Zuständen hatte die klas-
sische Untersuchung von Vandermonde, Berthollet und Monge
Aufschluss verschafft, und es war nun die Aufgabe der Praxis, diese
theoretischen Entdeckungen zu verwerten. Dies schien vielen eine
leichte Aufgabe zu sein, besonders den Theoretikern, welche dem
praktischen Leben fern standen und nichts ahnten von der Mannig-
faltigkeit der Erscheinungen, mit welchen der Hüttenmann zu thun
hatte, dem Labyrinth, durch welches bis dahin nur der Ariadnefaden
der Erfahrung hindurchgeführt hatte. Unter diesen war es zunächst
Clouet, welcher ganz logisch schloss: wenn Schmiedeeisen, Stahl und
Stabeisen nur Verbindungen von Eisen mit mehr oder weniger Kohlen-
stoff sind, so muss man sie leicht bereiten können, wenn man nur
reines Eisen mit mehr oder weniger Kohle im Tiegel zusammen-
schmilzt 1). Da seine Versuche im kleinen seinen theoretischen Vor-
aussetzungen entsprachen, so war er schnell damit fertig, darauf ein
neues Fabrikationsverfahren aufzubauen, welches namentlich für die
Bereitung des Gussstahles -- das behütete Geheimnis der Engländer --
höchst einfach und höchst lohnend zu sein schien. Man brauchte nur
das entsprechende Quantum Kohlen abzuwiegen und mit dem Eisen
im Tiegel bei genügender Hitze einzuschmelzen, um Gussstahl zu
erhalten. Hierdurch sparte man die langwierige Cementation und
hatte es weit mehr in der Hand, einen härteren oder weicheren Stahl
zu erzeugen. Dies bewährte sich aber bei der Ausführung im grossen
durchaus nicht. Falsche Beobachtungen führten Clouet noch zu
weiteren Irrtümern. Er fand, dass die Verwandtschaft des Eisens
zum Kohlenstoff mit der Hitze zunahm, und da er beim Zusammen-
schmelzen von Eisen mit Kalk und Thon ohne Zusatz von Kohle ein
stahlartiges Produkt erhielt, so behauptete er, dass bei hochgesteigerter
Temperatur die Verwandtschaft des Eisens zum Kohlenstoff so gross
sei, dass sie sogar die Verwandtschaft des Sauerstoffes zum Kohlen-
stoff überträfe und deshalb die Kohlensäure zersetze, indem das
Eisen derselben den Kohlenstoff entziehe. Hierauf begründete er ein
weiteres, noch einfacheres Verfahren der Gussstahlbereitung, welches
wohl hauptsächlich durch seine Absonderlichkeit das grösste Aufsehen
erregte. Eine weitere irrige Angabe Clouets war die, dass sich
Eisen mit Glas zu einem Stoffe verbinde, den er fonte particuliere

1) Siehe Journal des Mines, Nr. XLIX, an VII (1799), p. 3.

Chemie 1801 bis 1815.
brennung begriffen hatte, war es nicht mehr schwer, die meisten
hüttenmännischen Operationen zu erklären. Über die geheimnisvolle
Natur des Eisens in seinen verschiedenen Zuständen hatte die klas-
sische Untersuchung von Vandermonde, Berthollet und Monge
Aufschluſs verschafft, und es war nun die Aufgabe der Praxis, diese
theoretischen Entdeckungen zu verwerten. Dies schien vielen eine
leichte Aufgabe zu sein, besonders den Theoretikern, welche dem
praktischen Leben fern standen und nichts ahnten von der Mannig-
faltigkeit der Erscheinungen, mit welchen der Hüttenmann zu thun
hatte, dem Labyrinth, durch welches bis dahin nur der Ariadnefaden
der Erfahrung hindurchgeführt hatte. Unter diesen war es zunächst
Clouet, welcher ganz logisch schloſs: wenn Schmiedeeisen, Stahl und
Stabeisen nur Verbindungen von Eisen mit mehr oder weniger Kohlen-
stoff sind, so muſs man sie leicht bereiten können, wenn man nur
reines Eisen mit mehr oder weniger Kohle im Tiegel zusammen-
schmilzt 1). Da seine Versuche im kleinen seinen theoretischen Vor-
aussetzungen entsprachen, so war er schnell damit fertig, darauf ein
neues Fabrikationsverfahren aufzubauen, welches namentlich für die
Bereitung des Guſsstahles — das behütete Geheimnis der Engländer —
höchst einfach und höchst lohnend zu sein schien. Man brauchte nur
das entsprechende Quantum Kohlen abzuwiegen und mit dem Eisen
im Tiegel bei genügender Hitze einzuschmelzen, um Guſsstahl zu
erhalten. Hierdurch sparte man die langwierige Cementation und
hatte es weit mehr in der Hand, einen härteren oder weicheren Stahl
zu erzeugen. Dies bewährte sich aber bei der Ausführung im groſsen
durchaus nicht. Falsche Beobachtungen führten Clouet noch zu
weiteren Irrtümern. Er fand, daſs die Verwandtschaft des Eisens
zum Kohlenstoff mit der Hitze zunahm, und da er beim Zusammen-
schmelzen von Eisen mit Kalk und Thon ohne Zusatz von Kohle ein
stahlartiges Produkt erhielt, so behauptete er, daſs bei hochgesteigerter
Temperatur die Verwandtschaft des Eisens zum Kohlenstoff so groſs
sei, daſs sie sogar die Verwandtschaft des Sauerstoffes zum Kohlen-
stoff überträfe und deshalb die Kohlensäure zersetze, indem das
Eisen derselben den Kohlenstoff entziehe. Hierauf begründete er ein
weiteres, noch einfacheres Verfahren der Guſsstahlbereitung, welches
wohl hauptsächlich durch seine Absonderlichkeit das gröſste Aufsehen
erregte. Eine weitere irrige Angabe Clouets war die, daſs sich
Eisen mit Glas zu einem Stoffe verbinde, den er fonte particulière

1) Siehe Journal des Mines, Nr. XLIX, an VII (1799), p. 3.
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[21/0037] Chemie 1801 bis 1815. brennung begriffen hatte, war es nicht mehr schwer, die meisten hüttenmännischen Operationen zu erklären. Über die geheimnisvolle Natur des Eisens in seinen verschiedenen Zuständen hatte die klas- sische Untersuchung von Vandermonde, Berthollet und Monge Aufschluſs verschafft, und es war nun die Aufgabe der Praxis, diese theoretischen Entdeckungen zu verwerten. Dies schien vielen eine leichte Aufgabe zu sein, besonders den Theoretikern, welche dem praktischen Leben fern standen und nichts ahnten von der Mannig- faltigkeit der Erscheinungen, mit welchen der Hüttenmann zu thun hatte, dem Labyrinth, durch welches bis dahin nur der Ariadnefaden der Erfahrung hindurchgeführt hatte. Unter diesen war es zunächst Clouet, welcher ganz logisch schloſs: wenn Schmiedeeisen, Stahl und Stabeisen nur Verbindungen von Eisen mit mehr oder weniger Kohlen- stoff sind, so muſs man sie leicht bereiten können, wenn man nur reines Eisen mit mehr oder weniger Kohle im Tiegel zusammen- schmilzt 1). Da seine Versuche im kleinen seinen theoretischen Vor- aussetzungen entsprachen, so war er schnell damit fertig, darauf ein neues Fabrikationsverfahren aufzubauen, welches namentlich für die Bereitung des Guſsstahles — das behütete Geheimnis der Engländer — höchst einfach und höchst lohnend zu sein schien. Man brauchte nur das entsprechende Quantum Kohlen abzuwiegen und mit dem Eisen im Tiegel bei genügender Hitze einzuschmelzen, um Guſsstahl zu erhalten. Hierdurch sparte man die langwierige Cementation und hatte es weit mehr in der Hand, einen härteren oder weicheren Stahl zu erzeugen. Dies bewährte sich aber bei der Ausführung im groſsen durchaus nicht. Falsche Beobachtungen führten Clouet noch zu weiteren Irrtümern. Er fand, daſs die Verwandtschaft des Eisens zum Kohlenstoff mit der Hitze zunahm, und da er beim Zusammen- schmelzen von Eisen mit Kalk und Thon ohne Zusatz von Kohle ein stahlartiges Produkt erhielt, so behauptete er, daſs bei hochgesteigerter Temperatur die Verwandtschaft des Eisens zum Kohlenstoff so groſs sei, daſs sie sogar die Verwandtschaft des Sauerstoffes zum Kohlen- stoff überträfe und deshalb die Kohlensäure zersetze, indem das Eisen derselben den Kohlenstoff entziehe. Hierauf begründete er ein weiteres, noch einfacheres Verfahren der Guſsstahlbereitung, welches wohl hauptsächlich durch seine Absonderlichkeit das gröſste Aufsehen erregte. Eine weitere irrige Angabe Clouets war die, daſs sich Eisen mit Glas zu einem Stoffe verbinde, den er fonte particulière 1) Siehe Journal des Mines, Nr. XLIX, an VII (1799), p. 3.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/37>, abgerufen am 24.11.2024.