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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Einleitung. -- Die napoleonische Zeit 1801 bis 1815.
Frankreichs selbst zu fördern, bedarf kaum besonderer Erwähnung,
waren doch das Eisen und die eisernen Waffen für seinen Ruhm und
seinen Ehrgeiz unentbehrlich. Deshalb suchte er auch in den eroberten
Ländern die bestehende Eisenindustrie zu schützen und zu fördern.
Nachdem durch den Frieden von Luneville 1801 das linke deutsche
Rheinufer mit Frankreich vereinigt worden war, wendete er den
Eisenwerken der Eifel und des Saargebietes grosse Aufmerksamkeit
zu und bemühte sich, die Solinger und Remscheider Industrie in das
Saargebiet zu verpflanzen. Was Napoleons Klugheit aber gründete,
das zerstörte wieder sein Ehrgeiz. So nützlich für die Eisenindustrie
seine thatkräftige Hülfe war, so schädlich waren für dieselbe seine
fortwährenden Kriege. Darunter litten besonders die Grenzländer,
namentlich die deutschen, die unmittelbar durch den Krieg getroffen
wurden, dann aber auch die französische Industrie selbst, welcher
durch die unaufhörlichen Truppenaushebungen die Arbeitskräfte in
einer Weise entzogen wurden, dass sie gar nicht mehr im stande war,
die übernommenen Lieferungen auszuführen. Am verderblichsten
wirkte sein Cäsarenwahn durch eine Massregel, welche die ganze
civilisierte Welt in Mitleidenschaft zog, die Kontinentalsperre.
Den Zweck dieses thörichten Einfuhrverbots, Englands Handel und
Industrie zu Grunde zu richten, erreichte er nicht; wohl aber bereitete
er sich dadurch das eigene Verderben, denn das Vexatorische dieses
widersinnigen Zwanges veranlasste schliesslich 1810 Russland, dieselbe
zu brechen und sich mit England zu verbünden, was Napoleons Feld-
zug nach Russland veranlasste, welcher der Anfang seines Endes wurde.
Durch diese Handelssperre wurden ausserdem die Länder des euro-
päischen Kontinents weit mehr geschädigt als England, denn dieses
hatte bereits einen so gewaltigen Vorsprung in seiner industriellen
Entwickelung und eine so gesicherte Macht zur See, dass es viel eher
wie der Kontinent die Folgen derselben überwinden konnte. Auf sich
selbst angewiesen, entwickelte England seine reichen Hülfsquellen und
sein grossartiges Maschinenwesen mit doppelter Energie und es machte
sich nicht nur unabhängig, sondern gewann noch einen viel grösseren
Vorsprung auf technischem Gebiet. Die Staaten des Kontinents hatten
nicht nur den materiellen Schaden, welchen die Kontinentalsperre
mit sich brachte, sondern auch den noch viel grösseren Nachteil, dass
sie, von England abgesperrt, an den grossen technischen Fortschritten
dieses Landes nicht teilnahmen und infolgedessen zurückblieben. Am
Ende des 18. Jahrhunderts hatte die kontinentale Industrie, namentlich
in Deutschland, einen hoffnungsvollen Aufschwung dadurch genommen,

Einleitung. — Die napoleonische Zeit 1801 bis 1815.
Frankreichs selbst zu fördern, bedarf kaum besonderer Erwähnung,
waren doch das Eisen und die eisernen Waffen für seinen Ruhm und
seinen Ehrgeiz unentbehrlich. Deshalb suchte er auch in den eroberten
Ländern die bestehende Eisenindustrie zu schützen und zu fördern.
Nachdem durch den Frieden von Luneville 1801 das linke deutsche
Rheinufer mit Frankreich vereinigt worden war, wendete er den
Eisenwerken der Eifel und des Saargebietes groſse Aufmerksamkeit
zu und bemühte sich, die Solinger und Remscheider Industrie in das
Saargebiet zu verpflanzen. Was Napoleons Klugheit aber gründete,
das zerstörte wieder sein Ehrgeiz. So nützlich für die Eisenindustrie
seine thatkräftige Hülfe war, so schädlich waren für dieselbe seine
fortwährenden Kriege. Darunter litten besonders die Grenzländer,
namentlich die deutschen, die unmittelbar durch den Krieg getroffen
wurden, dann aber auch die französische Industrie selbst, welcher
durch die unaufhörlichen Truppenaushebungen die Arbeitskräfte in
einer Weise entzogen wurden, daſs sie gar nicht mehr im stande war,
die übernommenen Lieferungen auszuführen. Am verderblichsten
wirkte sein Cäsarenwahn durch eine Maſsregel, welche die ganze
civilisierte Welt in Mitleidenschaft zog, die Kontinentalsperre.
Den Zweck dieses thörichten Einfuhrverbots, Englands Handel und
Industrie zu Grunde zu richten, erreichte er nicht; wohl aber bereitete
er sich dadurch das eigene Verderben, denn das Vexatorische dieses
widersinnigen Zwanges veranlaſste schlieſslich 1810 Ruſsland, dieselbe
zu brechen und sich mit England zu verbünden, was Napoleons Feld-
zug nach Ruſsland veranlaſste, welcher der Anfang seines Endes wurde.
Durch diese Handelssperre wurden auſserdem die Länder des euro-
päischen Kontinents weit mehr geschädigt als England, denn dieses
hatte bereits einen so gewaltigen Vorsprung in seiner industriellen
Entwickelung und eine so gesicherte Macht zur See, daſs es viel eher
wie der Kontinent die Folgen derselben überwinden konnte. Auf sich
selbst angewiesen, entwickelte England seine reichen Hülfsquellen und
sein groſsartiges Maschinenwesen mit doppelter Energie und es machte
sich nicht nur unabhängig, sondern gewann noch einen viel gröſseren
Vorsprung auf technischem Gebiet. Die Staaten des Kontinents hatten
nicht nur den materiellen Schaden, welchen die Kontinentalsperre
mit sich brachte, sondern auch den noch viel gröſseren Nachteil, daſs
sie, von England abgesperrt, an den groſsen technischen Fortschritten
dieses Landes nicht teilnahmen und infolgedessen zurückblieben. Am
Ende des 18. Jahrhunderts hatte die kontinentale Industrie, namentlich
in Deutschland, einen hoffnungsvollen Aufschwung dadurch genommen,

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[8/0024] Einleitung. — Die napoleonische Zeit 1801 bis 1815. Frankreichs selbst zu fördern, bedarf kaum besonderer Erwähnung, waren doch das Eisen und die eisernen Waffen für seinen Ruhm und seinen Ehrgeiz unentbehrlich. Deshalb suchte er auch in den eroberten Ländern die bestehende Eisenindustrie zu schützen und zu fördern. Nachdem durch den Frieden von Luneville 1801 das linke deutsche Rheinufer mit Frankreich vereinigt worden war, wendete er den Eisenwerken der Eifel und des Saargebietes groſse Aufmerksamkeit zu und bemühte sich, die Solinger und Remscheider Industrie in das Saargebiet zu verpflanzen. Was Napoleons Klugheit aber gründete, das zerstörte wieder sein Ehrgeiz. So nützlich für die Eisenindustrie seine thatkräftige Hülfe war, so schädlich waren für dieselbe seine fortwährenden Kriege. Darunter litten besonders die Grenzländer, namentlich die deutschen, die unmittelbar durch den Krieg getroffen wurden, dann aber auch die französische Industrie selbst, welcher durch die unaufhörlichen Truppenaushebungen die Arbeitskräfte in einer Weise entzogen wurden, daſs sie gar nicht mehr im stande war, die übernommenen Lieferungen auszuführen. Am verderblichsten wirkte sein Cäsarenwahn durch eine Maſsregel, welche die ganze civilisierte Welt in Mitleidenschaft zog, die Kontinentalsperre. Den Zweck dieses thörichten Einfuhrverbots, Englands Handel und Industrie zu Grunde zu richten, erreichte er nicht; wohl aber bereitete er sich dadurch das eigene Verderben, denn das Vexatorische dieses widersinnigen Zwanges veranlaſste schlieſslich 1810 Ruſsland, dieselbe zu brechen und sich mit England zu verbünden, was Napoleons Feld- zug nach Ruſsland veranlaſste, welcher der Anfang seines Endes wurde. Durch diese Handelssperre wurden auſserdem die Länder des euro- päischen Kontinents weit mehr geschädigt als England, denn dieses hatte bereits einen so gewaltigen Vorsprung in seiner industriellen Entwickelung und eine so gesicherte Macht zur See, daſs es viel eher wie der Kontinent die Folgen derselben überwinden konnte. Auf sich selbst angewiesen, entwickelte England seine reichen Hülfsquellen und sein groſsartiges Maschinenwesen mit doppelter Energie und es machte sich nicht nur unabhängig, sondern gewann noch einen viel gröſseren Vorsprung auf technischem Gebiet. Die Staaten des Kontinents hatten nicht nur den materiellen Schaden, welchen die Kontinentalsperre mit sich brachte, sondern auch den noch viel gröſseren Nachteil, daſs sie, von England abgesperrt, an den groſsen technischen Fortschritten dieses Landes nicht teilnahmen und infolgedessen zurückblieben. Am Ende des 18. Jahrhunderts hatte die kontinentale Industrie, namentlich in Deutschland, einen hoffnungsvollen Aufschwung dadurch genommen,

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/24>, abgerufen am 18.04.2024.