Aus Duleaus Versuchen ergiebt sich der Elasticitätsmodul (M) für französisches Stabeisen für den Quadratmillimeter im Mittel zu 20000 kg, welches für den preussischen Quadratzoll 29252000 Pfd. ergiebt. Tredgolds Elasticitätsmodul für englische Eisensorten be- rechnet sich im Mittel auf 27398000 preussische Pfund. Lagerhjelms sorgfältige Versuche ergaben 1) für
ungegärbtes schwedisches Stabeisen gewalzt M = 30180420 Pfd.
Weit zahlreicher waren die Versuche über die absolute Festig- keit, die Ermittelung der Belastung, bei welcher ein Eisenstab zer- reisst. Musschenbroeks ältere Versuche haben wir früher schon erwähnt (Bd. III, S. 83). Aus Soufflots Versuchen zog Rondelet folgende Schlüsse 2):
1. Stabeisen, welches nicht umgeschmiedet ist, besitzt eine um so grössere Festigkeit, je feinkörniger der Bruch ist.
2. Grobkörniges, nicht umgeschmiedetes Stabeisen besitzt kaum die Hälfte der Festigkeit des feinkörnigen Eisens.
3. Alles Stabeisen erhält durch Umschmieden grössere Festigkeit.
4. Das Eisen widerstrebt den Einwirkungen des Hammers oder der dehnenden Kraft im Verhältnis seiner Dicke.
5. Weil dieser Widerstand nach der Mitte des Stabes zunimmt, oder vielmehr, weil sich die dehnende Kraft im Verhältnis zur Dicke des Stabes immer weniger wirksam in der Mitte zeigen kann, so muss diese dehnende Kraft beim Schmieden oder Recken des Eisens im geraden Verhältnis zu seiner Oberfläche und zu seiner Dicke stehen.
6. Das festeste Stabeisen ist das sehnige. Ganz sehniges Eisen besitzt viermal soviel Festigkeit als grobkörniges, dreimal soviel Festigkeit als das Stabeisen von mittlerem Korn und doppelt soviel als das feinkörnige.
Rondelet fügt hinzu, dass die Italiener die Vorzüge des dünnen Eisens wohl kannten und sich ausserordentlich dünn geschmiedeten Eisens bedienten, um ihre ungemein schwachen hölzernen Gerüste, welche ebenso sehr durch die Kühnheit als durch die Solidität in der Ausführung in Erstaunen setzten, zu verbinden und zu befestigen.
1) Nach Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde. Bd. I, S. 221.
2) Siehe Rondelet, a. a. O., und Karstens Archiv für Bergbau und Hütten- wesen, Bd. X, S. 29.
Die Physik des Eisens 1816 bis 1830.
Aus Duleaus Versuchen ergiebt sich der Elasticitätsmodul (M) für französisches Stabeisen für den Quadratmillimeter im Mittel zu 20000 kg, welches für den preuſsischen Quadratzoll 29252000 Pfd. ergiebt. Tredgolds Elasticitätsmodul für englische Eisensorten be- rechnet sich im Mittel auf 27398000 preuſsische Pfund. Lagerhjelms sorgfältige Versuche ergaben 1) für
ungegärbtes schwedisches Stabeisen gewalzt M = 30180420 Pfd.
Weit zahlreicher waren die Versuche über die absolute Festig- keit, die Ermittelung der Belastung, bei welcher ein Eisenstab zer- reiſst. Musschenbroeks ältere Versuche haben wir früher schon erwähnt (Bd. III, S. 83). Aus Soufflots Versuchen zog Rondelet folgende Schlüsse 2):
1. Stabeisen, welches nicht umgeschmiedet ist, besitzt eine um so gröſsere Festigkeit, je feinkörniger der Bruch ist.
2. Grobkörniges, nicht umgeschmiedetes Stabeisen besitzt kaum die Hälfte der Festigkeit des feinkörnigen Eisens.
3. Alles Stabeisen erhält durch Umschmieden gröſsere Festigkeit.
4. Das Eisen widerstrebt den Einwirkungen des Hammers oder der dehnenden Kraft im Verhältnis seiner Dicke.
5. Weil dieser Widerstand nach der Mitte des Stabes zunimmt, oder vielmehr, weil sich die dehnende Kraft im Verhältnis zur Dicke des Stabes immer weniger wirksam in der Mitte zeigen kann, so muſs diese dehnende Kraft beim Schmieden oder Recken des Eisens im geraden Verhältnis zu seiner Oberfläche und zu seiner Dicke stehen.
6. Das festeste Stabeisen ist das sehnige. Ganz sehniges Eisen besitzt viermal soviel Festigkeit als grobkörniges, dreimal soviel Festigkeit als das Stabeisen von mittlerem Korn und doppelt soviel als das feinkörnige.
Rondelet fügt hinzu, daſs die Italiener die Vorzüge des dünnen Eisens wohl kannten und sich auſserordentlich dünn geschmiedeten Eisens bedienten, um ihre ungemein schwachen hölzernen Gerüste, welche ebenso sehr durch die Kühnheit als durch die Solidität in der Ausführung in Erstaunen setzten, zu verbinden und zu befestigen.
1) Nach Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde. Bd. I, S. 221.
2) Siehe Rondelet, a. a. O., und Karstens Archiv für Bergbau und Hütten- wesen, Bd. X, S. 29.
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Die Physik des Eisens 1816 bis 1830.
Aus Duleaus Versuchen ergiebt sich der Elasticitätsmodul (M)
für französisches Stabeisen für den Quadratmillimeter im Mittel zu
20000 kg, welches für den preuſsischen Quadratzoll 29252000 Pfd.
ergiebt. Tredgolds Elasticitätsmodul für englische Eisensorten be-
rechnet sich im Mittel auf 27398000 preuſsische Pfund. Lagerhjelms
sorgfältige Versuche ergaben 1) für
ungegärbtes schwedisches Stabeisen gewalzt M = 30180420 Pfd.
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„ „ „ geschmiedet „ = 29052180 „
englisches Ankerbaueisen beste Sorte = 29334230 „
Weit zahlreicher waren die Versuche über die absolute Festig-
keit, die Ermittelung der Belastung, bei welcher ein Eisenstab zer-
reiſst. Musschenbroeks ältere Versuche haben wir früher schon
erwähnt (Bd. III, S. 83). Aus Soufflots Versuchen zog Rondelet
folgende Schlüsse 2):
1. Stabeisen, welches nicht umgeschmiedet ist, besitzt eine um
so gröſsere Festigkeit, je feinkörniger der Bruch ist.
2. Grobkörniges, nicht umgeschmiedetes Stabeisen besitzt kaum
die Hälfte der Festigkeit des feinkörnigen Eisens.
3. Alles Stabeisen erhält durch Umschmieden gröſsere Festigkeit.
4. Das Eisen widerstrebt den Einwirkungen des Hammers oder
der dehnenden Kraft im Verhältnis seiner Dicke.
5. Weil dieser Widerstand nach der Mitte des Stabes zunimmt,
oder vielmehr, weil sich die dehnende Kraft im Verhältnis zur Dicke
des Stabes immer weniger wirksam in der Mitte zeigen kann, so muſs
diese dehnende Kraft beim Schmieden oder Recken des Eisens im
geraden Verhältnis zu seiner Oberfläche und zu seiner Dicke stehen.
6. Das festeste Stabeisen ist das sehnige. Ganz sehniges Eisen
besitzt viermal soviel Festigkeit als grobkörniges, dreimal soviel
Festigkeit als das Stabeisen von mittlerem Korn und doppelt soviel
als das feinkörnige.
Rondelet fügt hinzu, daſs die Italiener die Vorzüge des dünnen
Eisens wohl kannten und sich auſserordentlich dünn geschmiedeten
Eisens bedienten, um ihre ungemein schwachen hölzernen Gerüste,
welche ebenso sehr durch die Kühnheit als durch die Solidität in
der Ausführung in Erstaunen setzten, zu verbinden und zu befestigen.
1) Nach Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde. Bd. I, S. 221.
2) Siehe Rondelet, a. a. O., und Karstens Archiv für Bergbau und Hütten-
wesen, Bd. X, S. 29.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/226>, abgerufen am 27.11.2024.
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