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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Einleitung 1816 bis 1830.
je kleiner das Ländchen, je versessener war es auf seine Zollgrenzen
und seine Schlagbäume, durch welche die Souveränität des Landes-
fürsten einen sichtbaren Ausdruck erhielt. Handel und Wandel litten
schwer unter diesem System und die Eisenindustrie konnte sich unter
diesen Verhältnissen aus den ererbten kleinlichen Zuständen nicht
herausarbeiten. Obgleich von Jahr zu Jahr das Bedürfnis nach einer
Zollvereinigung mehr hervortrat, geschah doch nichts; die ganze
Periode verstrich, ohne dass an diesem erbärmlichen, viel verspotteten,
verderblichen Zustande etwas gebessert worden wäre. Unter diesen
Umständen konnten auch die technischen Fortschritte nur gering sein.
An der Erkenntnis des Besseren fehlte es nicht. Es ist ja schon
vordem charakteristisch für die Deutschen gewesen, dass sie in der
Theorie immer auf der höchsten Höhe wandelten, wenn ihre Praxis
die armseligste war.

Zwei Ereignisse von ungeheurer Tragweite für die Geschichte der
Eisenindustrie fallen in diesen Zeitabschnitt, die Erfindung der Eisen-
bahnen mit Lokomotivbetrieb und die Einführung des erhitzten Windes
bei den Schmelzprozessen, insbesondere bei den Eisenhochöfen. Diese
beiden Erfindungen gehören zu den wichtigsten Kulturfortschritten
der Menschheit.

Welche Umwälzungen die Einführung der Lokomotivbahnen,
schlechthin Eisenbahnen genannt, zur Folge hatten, wissen wir alle.
Es wird uns fast schwer, sich Handel und Industrie ohne dieses
wichtigste Verkehrsmittel zu denken. Die Eisenbahnen haben die
Entfernungen verkürzt, die Menschen näher zusammengebracht, eiserne
Bande der Völkervereinigung und hoffentlich auch des Völkerfriedens
um die Erde geschlungen. Durch die modernen Verkehrsmittel, unter
denen die Eisenbahnen die wichtigste Stelle einnehmen, sind wir dem
Kosmopolitismus, der Familiengemeinschaft des Menschengeschlechtes,
näher gerückt worden. Der Austausch der materiellen Güter, welche
die Eisenbahnen und Dampfschiffe vermitteln, bedingt einen Austausch
der geistigen Güter, welche die charakteristischste Erscheinung des
19. Jahrhunderts geworden ist.

Die Eisenbahnen sind Kinder der Eisenindustrie, dies bezeugt
schon ihr Name. Ohne dass die Eisenindustrie vorher die hohe Aus-
bildung erlangt hätte, welche den Bau der eisernen Schienenbahnen,
der eisernen Dampfkessel, der eisernen Lokomotiven ermöglicht hätten,
wäre die Erfindung nicht ins Leben getreten. Umgekehrt aber haben
die Eisenbahnen die Eisenindustrie in einer Weise gefördert, dass
damit vielleicht nur die Erfindung der Dampfmaschine, von der die

Einleitung 1816 bis 1830.
je kleiner das Ländchen, je versessener war es auf seine Zollgrenzen
und seine Schlagbäume, durch welche die Souveränität des Landes-
fürsten einen sichtbaren Ausdruck erhielt. Handel und Wandel litten
schwer unter diesem System und die Eisenindustrie konnte sich unter
diesen Verhältnissen aus den ererbten kleinlichen Zuständen nicht
herausarbeiten. Obgleich von Jahr zu Jahr das Bedürfnis nach einer
Zollvereinigung mehr hervortrat, geschah doch nichts; die ganze
Periode verstrich, ohne daſs an diesem erbärmlichen, viel verspotteten,
verderblichen Zustande etwas gebessert worden wäre. Unter diesen
Umständen konnten auch die technischen Fortschritte nur gering sein.
An der Erkenntnis des Besseren fehlte es nicht. Es ist ja schon
vordem charakteristisch für die Deutschen gewesen, daſs sie in der
Theorie immer auf der höchsten Höhe wandelten, wenn ihre Praxis
die armseligste war.

Zwei Ereignisse von ungeheurer Tragweite für die Geschichte der
Eisenindustrie fallen in diesen Zeitabschnitt, die Erfindung der Eisen-
bahnen mit Lokomotivbetrieb und die Einführung des erhitzten Windes
bei den Schmelzprozessen, insbesondere bei den Eisenhochöfen. Diese
beiden Erfindungen gehören zu den wichtigsten Kulturfortschritten
der Menschheit.

Welche Umwälzungen die Einführung der Lokomotivbahnen,
schlechthin Eisenbahnen genannt, zur Folge hatten, wissen wir alle.
Es wird uns fast schwer, sich Handel und Industrie ohne dieses
wichtigste Verkehrsmittel zu denken. Die Eisenbahnen haben die
Entfernungen verkürzt, die Menschen näher zusammengebracht, eiserne
Bande der Völkervereinigung und hoffentlich auch des Völkerfriedens
um die Erde geschlungen. Durch die modernen Verkehrsmittel, unter
denen die Eisenbahnen die wichtigste Stelle einnehmen, sind wir dem
Kosmopolitismus, der Familiengemeinschaft des Menschengeschlechtes,
näher gerückt worden. Der Austausch der materiellen Güter, welche
die Eisenbahnen und Dampfschiffe vermitteln, bedingt einen Austausch
der geistigen Güter, welche die charakteristischste Erscheinung des
19. Jahrhunderts geworden ist.

Die Eisenbahnen sind Kinder der Eisenindustrie, dies bezeugt
schon ihr Name. Ohne daſs die Eisenindustrie vorher die hohe Aus-
bildung erlangt hätte, welche den Bau der eisernen Schienenbahnen,
der eisernen Dampfkessel, der eisernen Lokomotiven ermöglicht hätten,
wäre die Erfindung nicht ins Leben getreten. Umgekehrt aber haben
die Eisenbahnen die Eisenindustrie in einer Weise gefördert, daſs
damit vielleicht nur die Erfindung der Dampfmaschine, von der die

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[203/0219] Einleitung 1816 bis 1830. je kleiner das Ländchen, je versessener war es auf seine Zollgrenzen und seine Schlagbäume, durch welche die Souveränität des Landes- fürsten einen sichtbaren Ausdruck erhielt. Handel und Wandel litten schwer unter diesem System und die Eisenindustrie konnte sich unter diesen Verhältnissen aus den ererbten kleinlichen Zuständen nicht herausarbeiten. Obgleich von Jahr zu Jahr das Bedürfnis nach einer Zollvereinigung mehr hervortrat, geschah doch nichts; die ganze Periode verstrich, ohne daſs an diesem erbärmlichen, viel verspotteten, verderblichen Zustande etwas gebessert worden wäre. Unter diesen Umständen konnten auch die technischen Fortschritte nur gering sein. An der Erkenntnis des Besseren fehlte es nicht. Es ist ja schon vordem charakteristisch für die Deutschen gewesen, daſs sie in der Theorie immer auf der höchsten Höhe wandelten, wenn ihre Praxis die armseligste war. Zwei Ereignisse von ungeheurer Tragweite für die Geschichte der Eisenindustrie fallen in diesen Zeitabschnitt, die Erfindung der Eisen- bahnen mit Lokomotivbetrieb und die Einführung des erhitzten Windes bei den Schmelzprozessen, insbesondere bei den Eisenhochöfen. Diese beiden Erfindungen gehören zu den wichtigsten Kulturfortschritten der Menschheit. Welche Umwälzungen die Einführung der Lokomotivbahnen, schlechthin Eisenbahnen genannt, zur Folge hatten, wissen wir alle. Es wird uns fast schwer, sich Handel und Industrie ohne dieses wichtigste Verkehrsmittel zu denken. Die Eisenbahnen haben die Entfernungen verkürzt, die Menschen näher zusammengebracht, eiserne Bande der Völkervereinigung und hoffentlich auch des Völkerfriedens um die Erde geschlungen. Durch die modernen Verkehrsmittel, unter denen die Eisenbahnen die wichtigste Stelle einnehmen, sind wir dem Kosmopolitismus, der Familiengemeinschaft des Menschengeschlechtes, näher gerückt worden. Der Austausch der materiellen Güter, welche die Eisenbahnen und Dampfschiffe vermitteln, bedingt einen Austausch der geistigen Güter, welche die charakteristischste Erscheinung des 19. Jahrhunderts geworden ist. Die Eisenbahnen sind Kinder der Eisenindustrie, dies bezeugt schon ihr Name. Ohne daſs die Eisenindustrie vorher die hohe Aus- bildung erlangt hätte, welche den Bau der eisernen Schienenbahnen, der eisernen Dampfkessel, der eisernen Lokomotiven ermöglicht hätten, wäre die Erfindung nicht ins Leben getreten. Umgekehrt aber haben die Eisenbahnen die Eisenindustrie in einer Weise gefördert, daſs damit vielleicht nur die Erfindung der Dampfmaschine, von der die

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/219>, abgerufen am 24.11.2024.