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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
fasste sie nach dem letzten Durchgange ein dritter Arbeiter und bog
und schlug sie zusammen. Die Stürze wurden in Hahnebrei getaucht,
oft zwei- und dreifach ineinandergesteckt, worauf die Bearbeitung
unter den Schichtwalzen folgte. Grosse Bleche walzte man ohne
Zusammenschlagen durch. Nach jedem Durchgange wurde der Glüh-
span abgeschlagen.

Bei guter Arbeit gaben 100 Ctr. Blechstäbe 72 Ctr. Blech bei
22 Ctr. Abschnitzel. Auf 1 Ctr. Blech rechnete man 4 bis 5 Kbfss.
Steinkohlen.

In der Weissblechfabrikation hatte die englische Industrie
die deutsche weit überflügelt, namentlich in der Verzinnung. Die
englischen verzinnten Bleche zeigten einen hohen spiegelartigen Glanz,
während der deutsche Zinnspiegel wolkig und ungleich war. Versuche,
die gleichförmigen glänzenden Flächen dadurch zu erreichen, dass
man die Bleche nach dem Verzinnen durch glatte Walzen gehen
liess, hatten nicht den gewünschten Erfolg.

Zum Beizen verwendete man seit 1806 statt der früher gebräuch-
lichen sauren Hefe oder Essigsäure verdünnte Schwefelsäure, welche
besser wirkte. Um den Glühspan recht mürbe zu machen, erhitzte man
bis zur beginnenden Rotglühhitze, was die Schwefelsäure ertrug,
während die Pflanzensäuren zersetzt wurden. Nach dem Glühen, das in
ansteigenden Flammöfen geschah, wurden die gebeizten Bleche kalt
gewalzt, wodurch der meiste Glühspan absprang. Da die Bleche
durch das Walzen spröde geworden waren, wurden sie nochmals in
einem verschlossenen Muffelofen geglüht und noch einmal nass gebeizt.
Eine reine Beize war das erste Erfordernis für einen guten Zinn-
spiegel. Das zweite Erfordernis war eine zweckmässige Art der Ver-
zinnung. Dazu gehörte namentlich, dass das letzte Verzinnen in der Durch-
führpfanne mit reinstem Zinn, unter einer Decke von abgeschäumtem
Talg, dem man 1/25 Salmiak zuzusetzen pflegte, geschah. Die durch-
geführten Bleche liess man in der Talgpfanne erkalten.

J. C. Fischer giebt eine kurze, aber gute Beschreibung der
englischen Weissblechfabrikation, wie er sie 1814 zu Rotherham
bei Sheffield gesehen hatte 1). Das bis 3/4 Zoll dick geschmiedete
Eisen wurde in derselben Länge, als wie die Bleche breit werden
sollten, abgeschnitten, im Glühofen gewärmt und unter 10 Zoll dicken
gegossenen Hartwalzen 2) ausgewalzt. Fingen die Bleche an dünn zu

1) Fischer, Tagebuch, a. a. O., S. 168.
2) Fischer sagt ausdrücklich "case hardened"; dann waren sie aber wohl
geschmiedet und nicht gegossen.

Stabeisenbereitung 1801 bis 1815.
faſste sie nach dem letzten Durchgange ein dritter Arbeiter und bog
und schlug sie zusammen. Die Stürze wurden in Hahnebrei getaucht,
oft zwei- und dreifach ineinandergesteckt, worauf die Bearbeitung
unter den Schichtwalzen folgte. Groſse Bleche walzte man ohne
Zusammenschlagen durch. Nach jedem Durchgange wurde der Glüh-
span abgeschlagen.

Bei guter Arbeit gaben 100 Ctr. Blechstäbe 72 Ctr. Blech bei
22 Ctr. Abschnitzel. Auf 1 Ctr. Blech rechnete man 4 bis 5 Kbfſs.
Steinkohlen.

In der Weiſsblechfabrikation hatte die englische Industrie
die deutsche weit überflügelt, namentlich in der Verzinnung. Die
englischen verzinnten Bleche zeigten einen hohen spiegelartigen Glanz,
während der deutsche Zinnspiegel wolkig und ungleich war. Versuche,
die gleichförmigen glänzenden Flächen dadurch zu erreichen, daſs
man die Bleche nach dem Verzinnen durch glatte Walzen gehen
lieſs, hatten nicht den gewünschten Erfolg.

Zum Beizen verwendete man seit 1806 statt der früher gebräuch-
lichen sauren Hefe oder Essigsäure verdünnte Schwefelsäure, welche
besser wirkte. Um den Glühspan recht mürbe zu machen, erhitzte man
bis zur beginnenden Rotglühhitze, was die Schwefelsäure ertrug,
während die Pflanzensäuren zersetzt wurden. Nach dem Glühen, das in
ansteigenden Flammöfen geschah, wurden die gebeizten Bleche kalt
gewalzt, wodurch der meiste Glühspan absprang. Da die Bleche
durch das Walzen spröde geworden waren, wurden sie nochmals in
einem verschlossenen Muffelofen geglüht und noch einmal naſs gebeizt.
Eine reine Beize war das erste Erfordernis für einen guten Zinn-
spiegel. Das zweite Erfordernis war eine zweckmäſsige Art der Ver-
zinnung. Dazu gehörte namentlich, daſs das letzte Verzinnen in der Durch-
führpfanne mit reinstem Zinn, unter einer Decke von abgeschäumtem
Talg, dem man 1/25 Salmiak zuzusetzen pflegte, geschah. Die durch-
geführten Bleche lieſs man in der Talgpfanne erkalten.

J. C. Fischer giebt eine kurze, aber gute Beschreibung der
englischen Weiſsblechfabrikation, wie er sie 1814 zu Rotherham
bei Sheffield gesehen hatte 1). Das bis ¾ Zoll dick geschmiedete
Eisen wurde in derselben Länge, als wie die Bleche breit werden
sollten, abgeschnitten, im Glühofen gewärmt und unter 10 Zoll dicken
gegossenen Hartwalzen 2) ausgewalzt. Fingen die Bleche an dünn zu

1) Fischer, Tagebuch, a. a. O., S. 168.
2) Fischer sagt ausdrücklich „case hardened“; dann waren sie aber wohl
geschmiedet und nicht gegossen.
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[127/0143] Stabeisenbereitung 1801 bis 1815. faſste sie nach dem letzten Durchgange ein dritter Arbeiter und bog und schlug sie zusammen. Die Stürze wurden in Hahnebrei getaucht, oft zwei- und dreifach ineinandergesteckt, worauf die Bearbeitung unter den Schichtwalzen folgte. Groſse Bleche walzte man ohne Zusammenschlagen durch. Nach jedem Durchgange wurde der Glüh- span abgeschlagen. Bei guter Arbeit gaben 100 Ctr. Blechstäbe 72 Ctr. Blech bei 22 Ctr. Abschnitzel. Auf 1 Ctr. Blech rechnete man 4 bis 5 Kbfſs. Steinkohlen. In der Weiſsblechfabrikation hatte die englische Industrie die deutsche weit überflügelt, namentlich in der Verzinnung. Die englischen verzinnten Bleche zeigten einen hohen spiegelartigen Glanz, während der deutsche Zinnspiegel wolkig und ungleich war. Versuche, die gleichförmigen glänzenden Flächen dadurch zu erreichen, daſs man die Bleche nach dem Verzinnen durch glatte Walzen gehen lieſs, hatten nicht den gewünschten Erfolg. Zum Beizen verwendete man seit 1806 statt der früher gebräuch- lichen sauren Hefe oder Essigsäure verdünnte Schwefelsäure, welche besser wirkte. Um den Glühspan recht mürbe zu machen, erhitzte man bis zur beginnenden Rotglühhitze, was die Schwefelsäure ertrug, während die Pflanzensäuren zersetzt wurden. Nach dem Glühen, das in ansteigenden Flammöfen geschah, wurden die gebeizten Bleche kalt gewalzt, wodurch der meiste Glühspan absprang. Da die Bleche durch das Walzen spröde geworden waren, wurden sie nochmals in einem verschlossenen Muffelofen geglüht und noch einmal naſs gebeizt. Eine reine Beize war das erste Erfordernis für einen guten Zinn- spiegel. Das zweite Erfordernis war eine zweckmäſsige Art der Ver- zinnung. Dazu gehörte namentlich, daſs das letzte Verzinnen in der Durch- führpfanne mit reinstem Zinn, unter einer Decke von abgeschäumtem Talg, dem man 1/25 Salmiak zuzusetzen pflegte, geschah. Die durch- geführten Bleche lieſs man in der Talgpfanne erkalten. J. C. Fischer giebt eine kurze, aber gute Beschreibung der englischen Weiſsblechfabrikation, wie er sie 1814 zu Rotherham bei Sheffield gesehen hatte 1). Das bis ¾ Zoll dick geschmiedete Eisen wurde in derselben Länge, als wie die Bleche breit werden sollten, abgeschnitten, im Glühofen gewärmt und unter 10 Zoll dicken gegossenen Hartwalzen 2) ausgewalzt. Fingen die Bleche an dünn zu 1) Fischer, Tagebuch, a. a. O., S. 168. 2) Fischer sagt ausdrücklich „case hardened“; dann waren sie aber wohl geschmiedet und nicht gegossen.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/143>, abgerufen am 08.05.2024.