Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Chemie.
der erdigen Grundmasse sich bilde. Das Roheisen ist eine noch un-
reine Form des Eisens, welches noch nicht vollständig von den in
den Erzen enthaltenen erdigen Beimengungen getrennt ist. Als
wesentlichen Bestandteil enthält es eine beträchtliche Beimengung
schweflig-salziger Materie. Nach Reaumurs Auffassung bilden Guss-
eisen, Stahl und Schmiedeisen eine Reihe von reiner Eisensubstanz
als Grundmasse, verbunden mit mehr oder weniger schweflig-salziger
Materie, und zwar in der Weise, dass Gusseisen davon am meisten,
Schmiedeisen davon am wenigsten enthält und der Stahl in der
Mitte zwischen beiden steht. Gusseisen lässt sich durch Abscheiden
der schweflig-salzigen Materie erst in Stahl und dann in Eisen über-
führen, während weiches Eisen durch Hinzufügung von schweflig-
salziger Materie Stahl wird und durch Überschuss dieser Beimengung
in Gusseisen übergeht. Reaumurs Auffassung stimmt also ganz mit
unserer heutigen Theorie überein, wenn wir nur statt schweflig-
salziger Materie Kohlenstoff setzen. Die Übereinstimmung tritt noch
deutlicher hervor, wenn wir ins Auge fassen, dass Reaumur unter
Schwefel nicht das Element in unserem Sinne, sondern den brenn-
baren Teil der Holzkohle, des Russes u. s. w. verstand.

Die Rolle, die er dem Salz zuschreibt, ist weniger verständlich.
Auch die salzige Beimengung denkt er sich flüchtig. Sie dringt mit
dem Schwefel in die Poren des Eisens ein. An einer Stelle sagt er,
das Salz vermittle die Verflüchtigung und die Aufnahme der schwef-
ligen Substanz. Er teilt ihm also nur eine vermittelnde Rolle zu;
dennoch hält er es für einen wesentlichen Bestandteil, weshalb er
seinem Cementirpulver, dessen wichtigster Bestandteil Kohle ist, Salz
beimischt, obgleich er zugiebt, dass Holzkohlenpulver allein die Um-
wandlung von Schmiedeisen in Stahl durch Cementation bewirken
kann. Aus theoretischen Gründen, die den irrigen chemischen An-
sichten der damaligen Zeit entspringen, kann Reaumur der salzigen
Beimengung bei den verschiedenen Eisenarten nicht entbehren, und
sie spielt eine wichtige Rolle bei seiner Erklärung der Härtung des
Stahles. Eisen hat, nach seiner Ansicht, eine gewisse Verwandtschaft
zu der schwefligen und salzigen Materie. Glüht man deshalb Eisen
in Substanzen, welche einen Überschuss dieser Materien enthalten
und sie deshalb leicht abgeben (den Cementirpulvern), so nimmt das
Eisen dieselben in sich auf. Umgekehrt giebt es Substanzen, welche
eine stärkere Verwandtschaft zu der schwefligen und salzigen Materie
haben, welche deshalb, wenn man Stahl oder Gusseisen in diesen
glüht, diese weich machen (adoucieren), indem sie denselben die be-

Chemie.
der erdigen Grundmasse sich bilde. Das Roheisen ist eine noch un-
reine Form des Eisens, welches noch nicht vollständig von den in
den Erzen enthaltenen erdigen Beimengungen getrennt ist. Als
wesentlichen Bestandteil enthält es eine beträchtliche Beimengung
schweflig-salziger Materie. Nach Reaumurs Auffassung bilden Guſs-
eisen, Stahl und Schmiedeisen eine Reihe von reiner Eisensubstanz
als Grundmasse, verbunden mit mehr oder weniger schweflig-salziger
Materie, und zwar in der Weise, daſs Guſseisen davon am meisten,
Schmiedeisen davon am wenigsten enthält und der Stahl in der
Mitte zwischen beiden steht. Guſseisen läſst sich durch Abscheiden
der schweflig-salzigen Materie erst in Stahl und dann in Eisen über-
führen, während weiches Eisen durch Hinzufügung von schweflig-
salziger Materie Stahl wird und durch Überschuſs dieser Beimengung
in Guſseisen übergeht. Reaumurs Auffassung stimmt also ganz mit
unserer heutigen Theorie überein, wenn wir nur statt schweflig-
salziger Materie Kohlenstoff setzen. Die Übereinstimmung tritt noch
deutlicher hervor, wenn wir ins Auge fassen, daſs Reaumur unter
Schwefel nicht das Element in unserem Sinne, sondern den brenn-
baren Teil der Holzkohle, des Ruſses u. s. w. verstand.

Die Rolle, die er dem Salz zuschreibt, ist weniger verständlich.
Auch die salzige Beimengung denkt er sich flüchtig. Sie dringt mit
dem Schwefel in die Poren des Eisens ein. An einer Stelle sagt er,
das Salz vermittle die Verflüchtigung und die Aufnahme der schwef-
ligen Substanz. Er teilt ihm also nur eine vermittelnde Rolle zu;
dennoch hält er es für einen wesentlichen Bestandteil, weshalb er
seinem Cementirpulver, dessen wichtigster Bestandteil Kohle ist, Salz
beimischt, obgleich er zugiebt, daſs Holzkohlenpulver allein die Um-
wandlung von Schmiedeisen in Stahl durch Cementation bewirken
kann. Aus theoretischen Gründen, die den irrigen chemischen An-
sichten der damaligen Zeit entspringen, kann Reaumur der salzigen
Beimengung bei den verschiedenen Eisenarten nicht entbehren, und
sie spielt eine wichtige Rolle bei seiner Erklärung der Härtung des
Stahles. Eisen hat, nach seiner Ansicht, eine gewisse Verwandtschaft
zu der schwefligen und salzigen Materie. Glüht man deshalb Eisen
in Substanzen, welche einen Überschuſs dieser Materien enthalten
und sie deshalb leicht abgeben (den Cementirpulvern), so nimmt das
Eisen dieselben in sich auf. Umgekehrt giebt es Substanzen, welche
eine stärkere Verwandtschaft zu der schwefligen und salzigen Materie
haben, welche deshalb, wenn man Stahl oder Guſseisen in diesen
glüht, diese weich machen (adoucieren), indem sie denselben die be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0082" n="68"/><fw place="top" type="header">Chemie.</fw><lb/>
der erdigen Grundmasse sich bilde. Das Roheisen ist eine noch un-<lb/>
reine Form des Eisens, welches noch nicht vollständig von den in<lb/>
den Erzen enthaltenen erdigen Beimengungen getrennt ist. Als<lb/>
wesentlichen Bestandteil enthält es eine beträchtliche Beimengung<lb/>
schweflig-salziger Materie. Nach <hi rendition="#g">Reaumurs</hi> Auffassung bilden Gu&#x017F;s-<lb/>
eisen, Stahl und Schmiedeisen eine Reihe von reiner Eisensubstanz<lb/>
als Grundmasse, verbunden mit mehr oder weniger schweflig-salziger<lb/>
Materie, und zwar in der Weise, da&#x017F;s Gu&#x017F;seisen davon am meisten,<lb/>
Schmiedeisen davon am wenigsten enthält und der Stahl in der<lb/>
Mitte zwischen beiden steht. Gu&#x017F;seisen lä&#x017F;st sich durch Abscheiden<lb/>
der schweflig-salzigen Materie erst in Stahl und dann in Eisen über-<lb/>
führen, während weiches Eisen durch Hinzufügung von schweflig-<lb/>
salziger Materie Stahl wird und durch Überschu&#x017F;s dieser Beimengung<lb/>
in Gu&#x017F;seisen übergeht. <hi rendition="#g">Reaumurs</hi> Auffassung stimmt also ganz mit<lb/>
unserer heutigen Theorie überein, wenn wir nur statt schweflig-<lb/>
salziger Materie Kohlenstoff setzen. Die Übereinstimmung tritt noch<lb/>
deutlicher hervor, wenn wir ins Auge fassen, da&#x017F;s <hi rendition="#g">Reaumur</hi> unter<lb/>
Schwefel nicht das Element in unserem Sinne, sondern den brenn-<lb/>
baren Teil der Holzkohle, des Ru&#x017F;ses u. s. w. verstand.</p><lb/>
            <p>Die Rolle, die er dem Salz zuschreibt, ist weniger verständlich.<lb/>
Auch die salzige Beimengung denkt er sich flüchtig. Sie dringt mit<lb/>
dem Schwefel in die Poren des Eisens ein. An einer Stelle sagt er,<lb/>
das Salz vermittle die Verflüchtigung und die Aufnahme der schwef-<lb/>
ligen Substanz. Er teilt ihm also nur eine vermittelnde Rolle zu;<lb/>
dennoch hält er es für einen wesentlichen Bestandteil, weshalb er<lb/>
seinem Cementirpulver, dessen wichtigster Bestandteil Kohle ist, Salz<lb/>
beimischt, obgleich er zugiebt, da&#x017F;s Holzkohlenpulver allein die Um-<lb/>
wandlung von Schmiedeisen in Stahl durch Cementation bewirken<lb/>
kann. Aus theoretischen Gründen, die den irrigen chemischen An-<lb/>
sichten der damaligen Zeit entspringen, kann <hi rendition="#g">Reaumur</hi> der salzigen<lb/>
Beimengung bei den verschiedenen Eisenarten nicht entbehren, und<lb/>
sie spielt eine wichtige Rolle bei seiner Erklärung der Härtung des<lb/>
Stahles. Eisen hat, nach seiner Ansicht, eine gewisse Verwandtschaft<lb/>
zu der schwefligen und salzigen Materie. Glüht man deshalb Eisen<lb/>
in Substanzen, welche einen Überschu&#x017F;s dieser Materien enthalten<lb/>
und sie deshalb leicht abgeben (den Cementirpulvern), so nimmt das<lb/>
Eisen dieselben in sich auf. Umgekehrt giebt es Substanzen, welche<lb/>
eine stärkere Verwandtschaft zu der schwefligen und salzigen Materie<lb/>
haben, welche deshalb, wenn man Stahl oder Gu&#x017F;seisen in diesen<lb/>
glüht, diese weich machen (adoucieren), indem sie denselben die be-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0082] Chemie. der erdigen Grundmasse sich bilde. Das Roheisen ist eine noch un- reine Form des Eisens, welches noch nicht vollständig von den in den Erzen enthaltenen erdigen Beimengungen getrennt ist. Als wesentlichen Bestandteil enthält es eine beträchtliche Beimengung schweflig-salziger Materie. Nach Reaumurs Auffassung bilden Guſs- eisen, Stahl und Schmiedeisen eine Reihe von reiner Eisensubstanz als Grundmasse, verbunden mit mehr oder weniger schweflig-salziger Materie, und zwar in der Weise, daſs Guſseisen davon am meisten, Schmiedeisen davon am wenigsten enthält und der Stahl in der Mitte zwischen beiden steht. Guſseisen läſst sich durch Abscheiden der schweflig-salzigen Materie erst in Stahl und dann in Eisen über- führen, während weiches Eisen durch Hinzufügung von schweflig- salziger Materie Stahl wird und durch Überschuſs dieser Beimengung in Guſseisen übergeht. Reaumurs Auffassung stimmt also ganz mit unserer heutigen Theorie überein, wenn wir nur statt schweflig- salziger Materie Kohlenstoff setzen. Die Übereinstimmung tritt noch deutlicher hervor, wenn wir ins Auge fassen, daſs Reaumur unter Schwefel nicht das Element in unserem Sinne, sondern den brenn- baren Teil der Holzkohle, des Ruſses u. s. w. verstand. Die Rolle, die er dem Salz zuschreibt, ist weniger verständlich. Auch die salzige Beimengung denkt er sich flüchtig. Sie dringt mit dem Schwefel in die Poren des Eisens ein. An einer Stelle sagt er, das Salz vermittle die Verflüchtigung und die Aufnahme der schwef- ligen Substanz. Er teilt ihm also nur eine vermittelnde Rolle zu; dennoch hält er es für einen wesentlichen Bestandteil, weshalb er seinem Cementirpulver, dessen wichtigster Bestandteil Kohle ist, Salz beimischt, obgleich er zugiebt, daſs Holzkohlenpulver allein die Um- wandlung von Schmiedeisen in Stahl durch Cementation bewirken kann. Aus theoretischen Gründen, die den irrigen chemischen An- sichten der damaligen Zeit entspringen, kann Reaumur der salzigen Beimengung bei den verschiedenen Eisenarten nicht entbehren, und sie spielt eine wichtige Rolle bei seiner Erklärung der Härtung des Stahles. Eisen hat, nach seiner Ansicht, eine gewisse Verwandtschaft zu der schwefligen und salzigen Materie. Glüht man deshalb Eisen in Substanzen, welche einen Überschuſs dieser Materien enthalten und sie deshalb leicht abgeben (den Cementirpulvern), so nimmt das Eisen dieselben in sich auf. Umgekehrt giebt es Substanzen, welche eine stärkere Verwandtschaft zu der schwefligen und salzigen Materie haben, welche deshalb, wenn man Stahl oder Guſseisen in diesen glüht, diese weich machen (adoucieren), indem sie denselben die be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/82
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/82>, abgerufen am 27.11.2024.