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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Puddelprozess.
Vaterland erwies, nur zum Fluch wurden, ein dunkler Fleck auf
Englands Ehrenschild.

Die reichen Hüttenbesitzer bemühten sich später durch Verkleinerung
von Corts Verdienst als Erfinder, ihre eigene Mitschuld an Corts
Behandlung zu beschönigen. Es ist richtig, dass die einzelnen Faktoren,
aus welchen sich Corts Prozess zusammensetzt, mehr oder weniger
bekannt waren; sein Verdienst besteht aber, abgesehen von den Ver-
besserungen im einzelnen, darin, dass er diese einzelnen Faktoren zu einem
vollendeten Ganzen zusammenfasste. Betrachten wir aber diese einzelnen
Faktoren, so war damals noch keiner so ausgebildet, wie es Corts
Prozess verlangte. Man hat angegeben, Payne habe schon 1728 ein
Patent für kannelierte Walzen erhalten. Das ist wohl richtig, aber
was waren das für Walzen? Payne wollte sie mit einem Windflügelrad
betreiben, das an der Wand des Gebäudes angebracht wurde! Wenn
dies überhaupt ausgeführt wurde, was nicht wahrscheinlich ist, so
müssen die Walzen Zwerge gewesen sein gegen die Walzwerke, wie
sie Cort anwendete. Auch Purnells Walzen von 1766 waren nicht
grösser gedacht, als die Walzen eines gewöhnlichen Schneidewerkes
und sollten mit denselben nur rotglühende, vorgeschmiedete Stäbe
gestreckt werden. Cort walzte schwere, einfach überschmiedete Luppen
in der Weissglut. Er selbst legt auf dieses letzte Moment in seiner
Patentbeschreibung besonderen Nachdruck und nennt es eine neue,
nie zuvor angewendete Erfindung. In einem Protokoll vom Jahre
1812 erklärte Samuel Homfray, der sonst Corts Erfindung in jeder
Weise zu verkleinern suchte, dass man vor Cort zwar schon weiss-
glühendes Eisen zu Platten ausgewalzt habe, aber nicht zu Schienen. Die
zweite Erfindung Corts war der im ersten Patent beschriebene Schweiss-
prozess, welchen Watts wichtiges Zeugnis für eine Neuheit erklärt.

Freilich war ja auch das Paketieren schon früher bekannt und
ebenso waren Flammöfen bekannt, aber diese besondere Kombination,
wie sie Cort in seinem ersten Patent beschrieben hat und wie sie
fast genau in derselben Weise noch heute in unseren Schweissöfen
betrieben wird, war neu, wie auch die Verbindung mit dem Walzwerk
neu war. Der Flammofen selbst wird von Cort nicht für etwas Neues
ausgegeben, wohl aber das eigentliche Verpuddeln.

Die Cranages hatten 1766 einen Prozess patentiert bekommen,
der insofern ähnlich war, als die Operation in einem Flammofen mit
Steinkohlenfeuer ausgeführt wurde. Von einem Verkochen und Durch-
rühren (puddling) der Masse in der von Cort angegebenen Weise,
wovon der Prozess seinen Namen erhalten hat, war nicht die Rede.


Puddelprozeſs.
Vaterland erwies, nur zum Fluch wurden, ein dunkler Fleck auf
Englands Ehrenschild.

Die reichen Hüttenbesitzer bemühten sich später durch Verkleinerung
von Corts Verdienst als Erfinder, ihre eigene Mitschuld an Corts
Behandlung zu beschönigen. Es ist richtig, daſs die einzelnen Faktoren,
aus welchen sich Corts Prozeſs zusammensetzt, mehr oder weniger
bekannt waren; sein Verdienst besteht aber, abgesehen von den Ver-
besserungen im einzelnen, darin, daſs er diese einzelnen Faktoren zu einem
vollendeten Ganzen zusammenfaſste. Betrachten wir aber diese einzelnen
Faktoren, so war damals noch keiner so ausgebildet, wie es Corts
Prozeſs verlangte. Man hat angegeben, Payne habe schon 1728 ein
Patent für kannelierte Walzen erhalten. Das ist wohl richtig, aber
was waren das für Walzen? Payne wollte sie mit einem Windflügelrad
betreiben, das an der Wand des Gebäudes angebracht wurde! Wenn
dies überhaupt ausgeführt wurde, was nicht wahrscheinlich ist, so
müssen die Walzen Zwerge gewesen sein gegen die Walzwerke, wie
sie Cort anwendete. Auch Purnells Walzen von 1766 waren nicht
gröſser gedacht, als die Walzen eines gewöhnlichen Schneidewerkes
und sollten mit denselben nur rotglühende, vorgeschmiedete Stäbe
gestreckt werden. Cort walzte schwere, einfach überschmiedete Luppen
in der Weiſsglut. Er selbst legt auf dieses letzte Moment in seiner
Patentbeschreibung besonderen Nachdruck und nennt es eine neue,
nie zuvor angewendete Erfindung. In einem Protokoll vom Jahre
1812 erklärte Samuel Homfray, der sonst Corts Erfindung in jeder
Weise zu verkleinern suchte, daſs man vor Cort zwar schon weiſs-
glühendes Eisen zu Platten ausgewalzt habe, aber nicht zu Schienen. Die
zweite Erfindung Corts war der im ersten Patent beschriebene Schweiſs-
prozeſs, welchen Watts wichtiges Zeugnis für eine Neuheit erklärt.

Freilich war ja auch das Paketieren schon früher bekannt und
ebenso waren Flammöfen bekannt, aber diese besondere Kombination,
wie sie Cort in seinem ersten Patent beschrieben hat und wie sie
fast genau in derselben Weise noch heute in unseren Schweiſsöfen
betrieben wird, war neu, wie auch die Verbindung mit dem Walzwerk
neu war. Der Flammofen selbst wird von Cort nicht für etwas Neues
ausgegeben, wohl aber das eigentliche Verpuddeln.

Die Cranages hatten 1766 einen Prozeſs patentiert bekommen,
der insofern ähnlich war, als die Operation in einem Flammofen mit
Steinkohlenfeuer ausgeführt wurde. Von einem Verkochen und Durch-
rühren (puddling) der Masse in der von Cort angegebenen Weise,
wovon der Prozeſs seinen Namen erhalten hat, war nicht die Rede.


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[696/0710] Puddelprozeſs. Vaterland erwies, nur zum Fluch wurden, ein dunkler Fleck auf Englands Ehrenschild. Die reichen Hüttenbesitzer bemühten sich später durch Verkleinerung von Corts Verdienst als Erfinder, ihre eigene Mitschuld an Corts Behandlung zu beschönigen. Es ist richtig, daſs die einzelnen Faktoren, aus welchen sich Corts Prozeſs zusammensetzt, mehr oder weniger bekannt waren; sein Verdienst besteht aber, abgesehen von den Ver- besserungen im einzelnen, darin, daſs er diese einzelnen Faktoren zu einem vollendeten Ganzen zusammenfaſste. Betrachten wir aber diese einzelnen Faktoren, so war damals noch keiner so ausgebildet, wie es Corts Prozeſs verlangte. Man hat angegeben, Payne habe schon 1728 ein Patent für kannelierte Walzen erhalten. Das ist wohl richtig, aber was waren das für Walzen? Payne wollte sie mit einem Windflügelrad betreiben, das an der Wand des Gebäudes angebracht wurde! Wenn dies überhaupt ausgeführt wurde, was nicht wahrscheinlich ist, so müssen die Walzen Zwerge gewesen sein gegen die Walzwerke, wie sie Cort anwendete. Auch Purnells Walzen von 1766 waren nicht gröſser gedacht, als die Walzen eines gewöhnlichen Schneidewerkes und sollten mit denselben nur rotglühende, vorgeschmiedete Stäbe gestreckt werden. Cort walzte schwere, einfach überschmiedete Luppen in der Weiſsglut. Er selbst legt auf dieses letzte Moment in seiner Patentbeschreibung besonderen Nachdruck und nennt es eine neue, nie zuvor angewendete Erfindung. In einem Protokoll vom Jahre 1812 erklärte Samuel Homfray, der sonst Corts Erfindung in jeder Weise zu verkleinern suchte, daſs man vor Cort zwar schon weiſs- glühendes Eisen zu Platten ausgewalzt habe, aber nicht zu Schienen. Die zweite Erfindung Corts war der im ersten Patent beschriebene Schweiſs- prozeſs, welchen Watts wichtiges Zeugnis für eine Neuheit erklärt. Freilich war ja auch das Paketieren schon früher bekannt und ebenso waren Flammöfen bekannt, aber diese besondere Kombination, wie sie Cort in seinem ersten Patent beschrieben hat und wie sie fast genau in derselben Weise noch heute in unseren Schweiſsöfen betrieben wird, war neu, wie auch die Verbindung mit dem Walzwerk neu war. Der Flammofen selbst wird von Cort nicht für etwas Neues ausgegeben, wohl aber das eigentliche Verpuddeln. Die Cranages hatten 1766 einen Prozeſs patentiert bekommen, der insofern ähnlich war, als die Operation in einem Flammofen mit Steinkohlenfeuer ausgeführt wurde. Von einem Verkochen und Durch- rühren (puddling) der Masse in der von Cort angegebenen Weise, wovon der Prozeſs seinen Namen erhalten hat, war nicht die Rede.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 696. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/710>, abgerufen am 29.06.2024.