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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
Leben Die Franzosen lohnten ihm sein Martyrium für ihre heilige
Sache, indem sie ihn zum lebenslänglichen Mitgliede des Konvents
erwählten, aber in England fand er keine bleibende Stätte mehr, so
dass er 1794 nach Amerika auswanderte, wo er sich an den Quellen
des Susquehannah in Northumberland niederliess, bis zu seinem
Tode 1804 mit der Abfassung chemischer und mehr noch theologischer
Schriften unablässig beschäftigt.

Seine grossen Verdienste für die Chemie beruhen auf der Ent-
deckung der meisten wichtigen Gasarten. Waren seine Untersuchungen
nicht so gründlich wie die von Black und Cavendish, so waren
sie um so vielseitiger. Er hat die Lehre von den Gasen mehr
bereichert als irgend ein anderer Naturforscher, und seine Methode,
gasartige Substanzen zu untersuchen, bildet noch heute die Grund-
lage solcher Untersuchungen. Er wendete zuerst Quecksilber statt
Wasser als Sperrflüssigkeit an, wodurch er im stande war, alle Gas-
arten, welche vom Wasser absorbiert oder zersetzt werden, zu unter-
suchen. Wir können hier nur einzelnes von seinen Arbeiten erwähnen.

Die bedeutendste Entdeckung Pristleys war die des Sauerstoff-
gases
, welches er zuerst 1774 aus dem roten Quecksilberoxyd durch
Erhitzen abschied. Diese Entdeckung bildete die hauptsächliche
Grundlage für das Lehrgebäude der modernen Chemie. Er erkannte
in dem neuen Gas eine Luftart, welche das Verbrennen und das
Atmen länger und lebhafter zu unterhalten vermag als eine gleiche
Menge gewöhnlicher Luft; die wichtigen Schlussfolgerungen aus dieser
Entdeckung zog aber Pristley selbst nicht, diese zog ein anderer,
der Franzose Lavoisier, welcher dadurch der Begründer der modernen
Chemie geworden ist.

Antoine Laurent Lavoisier, 1743 zu Paris als Sohn reicher
Eltern geboren, erhielt eine vortreffliche Erziehung. Sein Vater regte
die Liebe zu den Naturwissenschaften in ihm an; Mathematik und
Chemie bildeten sein Hauptstudium. In seinem 21. Jahre erwarb
er bereits einen grossen Preis, welchen die Regierung für die Lösung
der Frage wegen der besten Strassenbeleuchtung einer grossen Stadt
ausgesetzt hatte. Dies hatte die weitere Folge, dass er schon 1768,
erst 25 Jahre alt, zum Mitgliede der Akademie zu Paris ernannt
wurde. Seit dieser Zeit widmete er sich ganz dem Studium der
Chemie. Um sich die Mittel für die grossen Untersuchungen, die
ihm vorschwebten, zu sichern, bewarb er sich um die einträgliche
Stelle eines Generalpächters, welche er auch erhielt. Durch diese
Stellung in das öffentliche Leben eingeführt, wurde ihm oft Gelegen-

Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
Leben Die Franzosen lohnten ihm sein Martyrium für ihre heilige
Sache, indem sie ihn zum lebenslänglichen Mitgliede des Konvents
erwählten, aber in England fand er keine bleibende Stätte mehr, so
daſs er 1794 nach Amerika auswanderte, wo er sich an den Quellen
des Susquehannah in Northumberland niederlieſs, bis zu seinem
Tode 1804 mit der Abfassung chemischer und mehr noch theologischer
Schriften unablässig beschäftigt.

Seine groſsen Verdienste für die Chemie beruhen auf der Ent-
deckung der meisten wichtigen Gasarten. Waren seine Untersuchungen
nicht so gründlich wie die von Black und Cavendish, so waren
sie um so vielseitiger. Er hat die Lehre von den Gasen mehr
bereichert als irgend ein anderer Naturforscher, und seine Methode,
gasartige Substanzen zu untersuchen, bildet noch heute die Grund-
lage solcher Untersuchungen. Er wendete zuerst Quecksilber statt
Wasser als Sperrflüssigkeit an, wodurch er im stande war, alle Gas-
arten, welche vom Wasser absorbiert oder zersetzt werden, zu unter-
suchen. Wir können hier nur einzelnes von seinen Arbeiten erwähnen.

Die bedeutendste Entdeckung Pristleys war die des Sauerstoff-
gases
, welches er zuerst 1774 aus dem roten Quecksilberoxyd durch
Erhitzen abschied. Diese Entdeckung bildete die hauptsächliche
Grundlage für das Lehrgebäude der modernen Chemie. Er erkannte
in dem neuen Gas eine Luftart, welche das Verbrennen und das
Atmen länger und lebhafter zu unterhalten vermag als eine gleiche
Menge gewöhnlicher Luft; die wichtigen Schluſsfolgerungen aus dieser
Entdeckung zog aber Pristley selbst nicht, diese zog ein anderer,
der Franzose Lavoisier, welcher dadurch der Begründer der modernen
Chemie geworden ist.

Antoine Laurent Lavoisier, 1743 zu Paris als Sohn reicher
Eltern geboren, erhielt eine vortreffliche Erziehung. Sein Vater regte
die Liebe zu den Naturwissenschaften in ihm an; Mathematik und
Chemie bildeten sein Hauptstudium. In seinem 21. Jahre erwarb
er bereits einen groſsen Preis, welchen die Regierung für die Lösung
der Frage wegen der besten Straſsenbeleuchtung einer groſsen Stadt
ausgesetzt hatte. Dies hatte die weitere Folge, daſs er schon 1768,
erst 25 Jahre alt, zum Mitgliede der Akademie zu Paris ernannt
wurde. Seit dieser Zeit widmete er sich ganz dem Studium der
Chemie. Um sich die Mittel für die groſsen Untersuchungen, die
ihm vorschwebten, zu sichern, bewarb er sich um die einträgliche
Stelle eines Generalpächters, welche er auch erhielt. Durch diese
Stellung in das öffentliche Leben eingeführt, wurde ihm oft Gelegen-

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[630/0644] Lavoisier und die antiphlogistische Chemie. Leben Die Franzosen lohnten ihm sein Martyrium für ihre heilige Sache, indem sie ihn zum lebenslänglichen Mitgliede des Konvents erwählten, aber in England fand er keine bleibende Stätte mehr, so daſs er 1794 nach Amerika auswanderte, wo er sich an den Quellen des Susquehannah in Northumberland niederlieſs, bis zu seinem Tode 1804 mit der Abfassung chemischer und mehr noch theologischer Schriften unablässig beschäftigt. Seine groſsen Verdienste für die Chemie beruhen auf der Ent- deckung der meisten wichtigen Gasarten. Waren seine Untersuchungen nicht so gründlich wie die von Black und Cavendish, so waren sie um so vielseitiger. Er hat die Lehre von den Gasen mehr bereichert als irgend ein anderer Naturforscher, und seine Methode, gasartige Substanzen zu untersuchen, bildet noch heute die Grund- lage solcher Untersuchungen. Er wendete zuerst Quecksilber statt Wasser als Sperrflüssigkeit an, wodurch er im stande war, alle Gas- arten, welche vom Wasser absorbiert oder zersetzt werden, zu unter- suchen. Wir können hier nur einzelnes von seinen Arbeiten erwähnen. Die bedeutendste Entdeckung Pristleys war die des Sauerstoff- gases, welches er zuerst 1774 aus dem roten Quecksilberoxyd durch Erhitzen abschied. Diese Entdeckung bildete die hauptsächliche Grundlage für das Lehrgebäude der modernen Chemie. Er erkannte in dem neuen Gas eine Luftart, welche das Verbrennen und das Atmen länger und lebhafter zu unterhalten vermag als eine gleiche Menge gewöhnlicher Luft; die wichtigen Schluſsfolgerungen aus dieser Entdeckung zog aber Pristley selbst nicht, diese zog ein anderer, der Franzose Lavoisier, welcher dadurch der Begründer der modernen Chemie geworden ist. Antoine Laurent Lavoisier, 1743 zu Paris als Sohn reicher Eltern geboren, erhielt eine vortreffliche Erziehung. Sein Vater regte die Liebe zu den Naturwissenschaften in ihm an; Mathematik und Chemie bildeten sein Hauptstudium. In seinem 21. Jahre erwarb er bereits einen groſsen Preis, welchen die Regierung für die Lösung der Frage wegen der besten Straſsenbeleuchtung einer groſsen Stadt ausgesetzt hatte. Dies hatte die weitere Folge, daſs er schon 1768, erst 25 Jahre alt, zum Mitgliede der Akademie zu Paris ernannt wurde. Seit dieser Zeit widmete er sich ganz dem Studium der Chemie. Um sich die Mittel für die groſsen Untersuchungen, die ihm vorschwebten, zu sichern, bewarb er sich um die einträgliche Stelle eines Generalpächters, welche er auch erhielt. Durch diese Stellung in das öffentliche Leben eingeführt, wurde ihm oft Gelegen-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 630. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/644>, abgerufen am 22.11.2024.