Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.

Vandermonde, Berthollet und Monge.

Ein weittragender Umschwung in den Grundanschauungen über
die chemischen Vorgänge vollzog sich im letzten Viertel des 18. Jahr-
hunderts. Die Lehre vom Phlogiston beherrschte noch die Chemie
und kaum einen praktischen Zweig derselben in dem Masse, wie die
Metallurgie, während doch keiner so augenscheinlich auf das Wider-
sinnige der Grundannahme, dass die Verkalkung das Austreten einer
Substanz, also eine Trennung, die Reduktion aber das Eintreten eines
Stoffes, des Phlogiston, also eine Verbindung sei, hinführen musste.
Man sollte glauben, jeder metallurgische Vorgang hätte die Unrichtig-
keit der Annahme erweisen müssen, sobald man nur einmal die Wage
zur Hand nahm, sobald man die Frage stellte, findet eine Gewichtszu-
oder -abnahme statt? Die Treibarbeit war doch beispielsweise ein
so einfacher und so bekannter Prozess. Wie deutlich lag es vor Augen,
dass bei der Umwandlung des metallischen Bleies in Glätte eine
Gewichtsvermehrung statt hat, dass also doch etwas hinzutreten und
nichts austreten musste. Aber solche Gewalt hatte die Theorie über
die Geister, dass man das Mittel, welches allein hierüber Aufschluss
geben konnte, die Wage, geflissentlich anzuwenden vermied, und die
Gewichtszunahme, wenn man sie anerkennen musste, als etwas Zufälliges
hinzustellen versuchte.

Als man dann die sich immer mehr häufenden Thatsachen, dass
bei der Verbrennung stets eine Gewichtszunahme, bei der Reduktion
eine Gewichtsabnahme statt hatte, nicht länger übersehen konnte
und sie anerkennen musste, suchte man durch geschraubte Erklärungen
von dem Wesen und der Natur des Brennbaren die Theorie zu retten,
bis endlich der morsche Bau unter dem Druck des Belastungs-
materials zusammenbrach.

Die unhaltbare Phlogistontheorie gestürzt zu haben, ist das
unbestreitbare Verdienst des französischen Chemikers Lavoisier,
dessen Waffe die Wage war, und der aus seinen grundlegenden
Beobachtungen und Entdeckungen auch gleich die richtigen weit-
gehenden Schlussfolgerungen zu ziehen vermochte.

Die entscheidende Entdeckung des Sauerstoffs, die richtige Erklärung
der Verbrennungsprozesse, der Sturz der Lehre vom Phlogiston bilden
den wichtigsten Abschnitt in der Geschichte der Chemie und gehören

Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.

Vandermonde, Berthollet und Monge.

Ein weittragender Umschwung in den Grundanschauungen über
die chemischen Vorgänge vollzog sich im letzten Viertel des 18. Jahr-
hunderts. Die Lehre vom Phlogiston beherrschte noch die Chemie
und kaum einen praktischen Zweig derselben in dem Maſse, wie die
Metallurgie, während doch keiner so augenscheinlich auf das Wider-
sinnige der Grundannahme, daſs die Verkalkung das Austreten einer
Substanz, also eine Trennung, die Reduktion aber das Eintreten eines
Stoffes, des Phlogiston, also eine Verbindung sei, hinführen muſste.
Man sollte glauben, jeder metallurgische Vorgang hätte die Unrichtig-
keit der Annahme erweisen müssen, sobald man nur einmal die Wage
zur Hand nahm, sobald man die Frage stellte, findet eine Gewichtszu-
oder -abnahme statt? Die Treibarbeit war doch beispielsweise ein
so einfacher und so bekannter Prozeſs. Wie deutlich lag es vor Augen,
daſs bei der Umwandlung des metallischen Bleies in Glätte eine
Gewichtsvermehrung statt hat, daſs also doch etwas hinzutreten und
nichts austreten muſste. Aber solche Gewalt hatte die Theorie über
die Geister, daſs man das Mittel, welches allein hierüber Aufschluſs
geben konnte, die Wage, geflissentlich anzuwenden vermied, und die
Gewichtszunahme, wenn man sie anerkennen muſste, als etwas Zufälliges
hinzustellen versuchte.

Als man dann die sich immer mehr häufenden Thatsachen, daſs
bei der Verbrennung stets eine Gewichtszunahme, bei der Reduktion
eine Gewichtsabnahme statt hatte, nicht länger übersehen konnte
und sie anerkennen muſste, suchte man durch geschraubte Erklärungen
von dem Wesen und der Natur des Brennbaren die Theorie zu retten,
bis endlich der morsche Bau unter dem Druck des Belastungs-
materials zusammenbrach.

Die unhaltbare Phlogistontheorie gestürzt zu haben, ist das
unbestreitbare Verdienst des französischen Chemikers Lavoisier,
dessen Waffe die Wage war, und der aus seinen grundlegenden
Beobachtungen und Entdeckungen auch gleich die richtigen weit-
gehenden Schluſsfolgerungen zu ziehen vermochte.

Die entscheidende Entdeckung des Sauerstoffs, die richtige Erklärung
der Verbrennungsprozesse, der Sturz der Lehre vom Phlogiston bilden
den wichtigsten Abschnitt in der Geschichte der Chemie und gehören

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0640" n="626"/>
            <fw place="top" type="header">Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.</fw><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.</hi> </head><lb/>
              <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Vandermonde, Berthollet und Monge</hi>.</hi> </p><lb/>
              <p>Ein weittragender Umschwung in den Grundanschauungen über<lb/>
die chemischen Vorgänge vollzog sich im letzten Viertel des 18. Jahr-<lb/>
hunderts. Die Lehre vom <hi rendition="#g">Phlogiston</hi> beherrschte noch die Chemie<lb/>
und kaum einen praktischen Zweig derselben in dem Ma&#x017F;se, wie die<lb/>
Metallurgie, während doch keiner so augenscheinlich auf das Wider-<lb/>
sinnige der Grundannahme, da&#x017F;s die Verkalkung das Austreten einer<lb/>
Substanz, also eine Trennung, die Reduktion aber das Eintreten eines<lb/>
Stoffes, des Phlogiston, also eine Verbindung sei, hinführen mu&#x017F;ste.<lb/>
Man sollte glauben, jeder metallurgische Vorgang hätte die Unrichtig-<lb/>
keit der Annahme erweisen müssen, sobald man nur einmal die Wage<lb/>
zur Hand nahm, sobald man die Frage stellte, findet eine Gewichtszu-<lb/>
oder -abnahme statt? Die Treibarbeit war doch beispielsweise ein<lb/>
so einfacher und so bekannter Proze&#x017F;s. Wie deutlich lag es vor Augen,<lb/>
da&#x017F;s bei der Umwandlung des metallischen Bleies in Glätte eine<lb/>
Gewichtsvermehrung statt hat, da&#x017F;s also doch etwas hinzutreten und<lb/>
nichts austreten mu&#x017F;ste. Aber solche Gewalt hatte die Theorie über<lb/>
die Geister, da&#x017F;s man das Mittel, welches allein hierüber Aufschlu&#x017F;s<lb/>
geben konnte, die Wage, geflissentlich anzuwenden vermied, und die<lb/>
Gewichtszunahme, wenn man sie anerkennen mu&#x017F;ste, als etwas Zufälliges<lb/>
hinzustellen versuchte.</p><lb/>
              <p>Als man dann die sich immer mehr häufenden Thatsachen, da&#x017F;s<lb/>
bei der Verbrennung stets eine Gewichtszunahme, bei der Reduktion<lb/>
eine Gewichtsabnahme statt hatte, nicht länger übersehen konnte<lb/>
und sie anerkennen mu&#x017F;ste, suchte man durch geschraubte Erklärungen<lb/>
von dem Wesen und der Natur des Brennbaren die Theorie zu retten,<lb/>
bis endlich der morsche Bau unter dem Druck des Belastungs-<lb/>
materials zusammenbrach.</p><lb/>
              <p>Die unhaltbare Phlogistontheorie gestürzt zu haben, ist das<lb/>
unbestreitbare Verdienst des französischen Chemikers <hi rendition="#g">Lavoisier</hi>,<lb/>
dessen Waffe die <hi rendition="#g">Wage</hi> war, und der aus seinen grundlegenden<lb/>
Beobachtungen und Entdeckungen auch gleich die richtigen weit-<lb/>
gehenden Schlu&#x017F;sfolgerungen zu ziehen vermochte.</p><lb/>
              <p>Die entscheidende Entdeckung des Sauerstoffs, die richtige Erklärung<lb/>
der Verbrennungsprozesse, der Sturz der Lehre vom Phlogiston bilden<lb/>
den wichtigsten Abschnitt in der Geschichte der Chemie und gehören<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[626/0640] Lavoisier und die antiphlogistische Chemie. Lavoisier und die antiphlogistische Chemie. Vandermonde, Berthollet und Monge. Ein weittragender Umschwung in den Grundanschauungen über die chemischen Vorgänge vollzog sich im letzten Viertel des 18. Jahr- hunderts. Die Lehre vom Phlogiston beherrschte noch die Chemie und kaum einen praktischen Zweig derselben in dem Maſse, wie die Metallurgie, während doch keiner so augenscheinlich auf das Wider- sinnige der Grundannahme, daſs die Verkalkung das Austreten einer Substanz, also eine Trennung, die Reduktion aber das Eintreten eines Stoffes, des Phlogiston, also eine Verbindung sei, hinführen muſste. Man sollte glauben, jeder metallurgische Vorgang hätte die Unrichtig- keit der Annahme erweisen müssen, sobald man nur einmal die Wage zur Hand nahm, sobald man die Frage stellte, findet eine Gewichtszu- oder -abnahme statt? Die Treibarbeit war doch beispielsweise ein so einfacher und so bekannter Prozeſs. Wie deutlich lag es vor Augen, daſs bei der Umwandlung des metallischen Bleies in Glätte eine Gewichtsvermehrung statt hat, daſs also doch etwas hinzutreten und nichts austreten muſste. Aber solche Gewalt hatte die Theorie über die Geister, daſs man das Mittel, welches allein hierüber Aufschluſs geben konnte, die Wage, geflissentlich anzuwenden vermied, und die Gewichtszunahme, wenn man sie anerkennen muſste, als etwas Zufälliges hinzustellen versuchte. Als man dann die sich immer mehr häufenden Thatsachen, daſs bei der Verbrennung stets eine Gewichtszunahme, bei der Reduktion eine Gewichtsabnahme statt hatte, nicht länger übersehen konnte und sie anerkennen muſste, suchte man durch geschraubte Erklärungen von dem Wesen und der Natur des Brennbaren die Theorie zu retten, bis endlich der morsche Bau unter dem Druck des Belastungs- materials zusammenbrach. Die unhaltbare Phlogistontheorie gestürzt zu haben, ist das unbestreitbare Verdienst des französischen Chemikers Lavoisier, dessen Waffe die Wage war, und der aus seinen grundlegenden Beobachtungen und Entdeckungen auch gleich die richtigen weit- gehenden Schluſsfolgerungen zu ziehen vermochte. Die entscheidende Entdeckung des Sauerstoffs, die richtige Erklärung der Verbrennungsprozesse, der Sturz der Lehre vom Phlogiston bilden den wichtigsten Abschnitt in der Geschichte der Chemie und gehören

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/640
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 626. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/640>, abgerufen am 23.11.2024.