Schicksal; dagegen gelangten Floss- und Hochöfen zu allgemeiner Anwendung und fortschreitender Entwickelung. Die Flossöfen waren hohe Schachtöfen mit geschlossener Brust, die Hochöfen solche mit offener Brust.
Beide Ofenarten stimmten darin überein, dass sie ein Arbeits- gewölbe und ein Formgewölbe hatten. Erst gegen Ende des Jahr- hunderts trat hierin eine Änderung ein, und zwar zuerst in England, nachdem man dort zu den Cylindergebläsen mit Regulatoren über- gegangen war. Die doppelten Düsen kamen dadurch in Wegfall, man blies den Wind durch eine einzige Röhre in den Ofen. Das Streben nach Steigerung der Produktion und die Erfahrung bei den Koks- öfen, dass dieselbe mit der Windmenge, die man in den Ofen blies, zunahm, führten endlich dazu, mit dem alten Vorurteil der einen Form zu brechen und den Wind durch mehrere Formen dem Ofen zuzuführen. Es bot das bei den starken Cylindergebläsen, den grossen Windregulatoren oder Kondensatoren, um so weniger Schwierigkeit,
[Abbildung]
Fig. 168.
weil man die Formgewölbe selbst viel kleiner wie früher, wo die- selben zugleich die Blasebälge beherbergen mussten, machen konnte. Diese Neuerung, die Einführung von zwei oder mehreren Formgewölben, welche nach und nach den Hochofenbau wesentlich veränderte, scheint in den 80 er Jahren aufgekommen zu sein. Direkte Nachrichten fehlen hierüber, es lässt sich dies aber aus einem bemerkenswerten Aufsatz schliessen, welcher 1790 in den chemischen Annalen von Crell anonym erschienen ist und den Titel führt: Über einige Hauptmängel verschiedener Eisenhütten in Deutschland. Der Verfasser, der frühere Berghauptmann von Klausthal, August Ferd. v. Veltheim, hatte durch eigene Anschauung das englische Eisenhüttenwesen kennen gelernt, war entzückt von allem, was er in England gesehen hat und möchte am liebsten sofort die ganze deutsche Eisenindustrie nach englischem Muster umgestalten. Wenn er in seinen Behauptungen oft über das Ziel hinausschiesst und in seinen Schilderungen mit grellen Farben malt, so enthält die Schrift doch viel Wahres, geradezu Prophetisches und fesselt durch ihre frische Unmittelbarkeit. Natürlich verlangt er für die Hochöfen stärkere Gebläse und grössere Dimensionen. Im Anschluss hieran schreibt er (§. 6): "Aus diesen und noch mehr Gründen würde ich einen Hochofen entweder mit zwei Formen oder bei noch grösseren
Werkzeugmaschinen. Öfen.
Schicksal; dagegen gelangten Floſs- und Hochöfen zu allgemeiner Anwendung und fortschreitender Entwickelung. Die Floſsöfen waren hohe Schachtöfen mit geschlossener Brust, die Hochöfen solche mit offener Brust.
Beide Ofenarten stimmten darin überein, daſs sie ein Arbeits- gewölbe und ein Formgewölbe hatten. Erst gegen Ende des Jahr- hunderts trat hierin eine Änderung ein, und zwar zuerst in England, nachdem man dort zu den Cylindergebläsen mit Regulatoren über- gegangen war. Die doppelten Düsen kamen dadurch in Wegfall, man blies den Wind durch eine einzige Röhre in den Ofen. Das Streben nach Steigerung der Produktion und die Erfahrung bei den Koks- öfen, daſs dieselbe mit der Windmenge, die man in den Ofen blies, zunahm, führten endlich dazu, mit dem alten Vorurteil der einen Form zu brechen und den Wind durch mehrere Formen dem Ofen zuzuführen. Es bot das bei den starken Cylindergebläsen, den groſsen Windregulatoren oder Kondensatoren, um so weniger Schwierigkeit,
[Abbildung]
Fig. 168.
weil man die Formgewölbe selbst viel kleiner wie früher, wo die- selben zugleich die Blasebälge beherbergen muſsten, machen konnte. Diese Neuerung, die Einführung von zwei oder mehreren Formgewölben, welche nach und nach den Hochofenbau wesentlich veränderte, scheint in den 80 er Jahren aufgekommen zu sein. Direkte Nachrichten fehlen hierüber, es läſst sich dies aber aus einem bemerkenswerten Aufsatz schlieſsen, welcher 1790 in den chemischen Annalen von Crell anonym erschienen ist und den Titel führt: Über einige Hauptmängel verschiedener Eisenhütten in Deutschland. Der Verfasser, der frühere Berghauptmann von Klausthal, August Ferd. v. Veltheim, hatte durch eigene Anschauung das englische Eisenhüttenwesen kennen gelernt, war entzückt von allem, was er in England gesehen hat und möchte am liebsten sofort die ganze deutsche Eisenindustrie nach englischem Muster umgestalten. Wenn er in seinen Behauptungen oft über das Ziel hinausschieſst und in seinen Schilderungen mit grellen Farben malt, so enthält die Schrift doch viel Wahres, geradezu Prophetisches und fesselt durch ihre frische Unmittelbarkeit. Natürlich verlangt er für die Hochöfen stärkere Gebläse und gröſsere Dimensionen. Im Anschluſs hieran schreibt er (§. 6): „Aus diesen und noch mehr Gründen würde ich einen Hochofen entweder mit zwei Formen oder bei noch gröſseren
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0627"n="613"/><fwplace="top"type="header">Werkzeugmaschinen. Öfen.</fw><lb/>
Schicksal; dagegen gelangten Floſs- und Hochöfen zu allgemeiner<lb/>
Anwendung und fortschreitender Entwickelung. Die Floſsöfen waren<lb/>
hohe Schachtöfen mit geschlossener Brust, die Hochöfen solche mit<lb/>
offener Brust.</p><lb/><p>Beide Ofenarten stimmten darin überein, daſs sie ein Arbeits-<lb/>
gewölbe und ein Formgewölbe hatten. Erst gegen Ende des Jahr-<lb/>
hunderts trat hierin eine Änderung ein, und zwar zuerst in England,<lb/>
nachdem man dort zu den Cylindergebläsen mit Regulatoren über-<lb/>
gegangen war. Die doppelten Düsen kamen dadurch in Wegfall, man<lb/>
blies den Wind durch eine einzige Röhre in den Ofen. Das Streben<lb/>
nach Steigerung der Produktion und die Erfahrung bei den Koks-<lb/>
öfen, daſs dieselbe mit der Windmenge, die man in den Ofen blies,<lb/>
zunahm, führten endlich dazu, mit dem alten Vorurteil der einen<lb/>
Form zu brechen und den Wind durch mehrere Formen dem Ofen<lb/>
zuzuführen. Es bot das bei den starken Cylindergebläsen, den groſsen<lb/>
Windregulatoren oder Kondensatoren, um so weniger Schwierigkeit,<lb/><figure><head>Fig. 168.</head></figure><lb/>
weil man die Formgewölbe selbst<lb/>
viel kleiner wie früher, wo die-<lb/>
selben zugleich die Blasebälge<lb/>
beherbergen muſsten, machen<lb/>
konnte. Diese Neuerung, die<lb/>
Einführung von zwei oder<lb/>
mehreren Formgewölben, welche<lb/>
nach und nach den Hochofenbau wesentlich veränderte, scheint in<lb/>
den 80 er Jahren aufgekommen zu sein. Direkte Nachrichten fehlen<lb/>
hierüber, es läſst sich dies aber aus einem bemerkenswerten Aufsatz<lb/>
schlieſsen, welcher 1790 in den chemischen Annalen von <hirendition="#g">Crell</hi><lb/>
anonym erschienen ist und den Titel führt: Über einige Hauptmängel<lb/>
verschiedener Eisenhütten in Deutschland. Der Verfasser, der frühere<lb/>
Berghauptmann von Klausthal, <hirendition="#g">August Ferd. v. Veltheim</hi>, hatte durch<lb/>
eigene Anschauung das englische Eisenhüttenwesen kennen gelernt,<lb/>
war entzückt von allem, was er in England gesehen hat und möchte<lb/>
am liebsten sofort die ganze deutsche Eisenindustrie nach englischem<lb/>
Muster umgestalten. Wenn er in seinen Behauptungen oft über das<lb/>
Ziel hinausschieſst und in seinen Schilderungen mit grellen Farben<lb/>
malt, so enthält die Schrift doch viel Wahres, geradezu Prophetisches<lb/>
und fesselt durch ihre frische Unmittelbarkeit. Natürlich verlangt er für<lb/>
die Hochöfen stärkere Gebläse und gröſsere Dimensionen. Im Anschluſs<lb/>
hieran schreibt er (§. 6): „Aus diesen und noch mehr Gründen würde<lb/>
ich einen Hochofen entweder mit zwei Formen oder bei noch gröſseren<lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[613/0627]
Werkzeugmaschinen. Öfen.
Schicksal; dagegen gelangten Floſs- und Hochöfen zu allgemeiner
Anwendung und fortschreitender Entwickelung. Die Floſsöfen waren
hohe Schachtöfen mit geschlossener Brust, die Hochöfen solche mit
offener Brust.
Beide Ofenarten stimmten darin überein, daſs sie ein Arbeits-
gewölbe und ein Formgewölbe hatten. Erst gegen Ende des Jahr-
hunderts trat hierin eine Änderung ein, und zwar zuerst in England,
nachdem man dort zu den Cylindergebläsen mit Regulatoren über-
gegangen war. Die doppelten Düsen kamen dadurch in Wegfall, man
blies den Wind durch eine einzige Röhre in den Ofen. Das Streben
nach Steigerung der Produktion und die Erfahrung bei den Koks-
öfen, daſs dieselbe mit der Windmenge, die man in den Ofen blies,
zunahm, führten endlich dazu, mit dem alten Vorurteil der einen
Form zu brechen und den Wind durch mehrere Formen dem Ofen
zuzuführen. Es bot das bei den starken Cylindergebläsen, den groſsen
Windregulatoren oder Kondensatoren, um so weniger Schwierigkeit,
[Abbildung Fig. 168.]
weil man die Formgewölbe selbst
viel kleiner wie früher, wo die-
selben zugleich die Blasebälge
beherbergen muſsten, machen
konnte. Diese Neuerung, die
Einführung von zwei oder
mehreren Formgewölben, welche
nach und nach den Hochofenbau wesentlich veränderte, scheint in
den 80 er Jahren aufgekommen zu sein. Direkte Nachrichten fehlen
hierüber, es läſst sich dies aber aus einem bemerkenswerten Aufsatz
schlieſsen, welcher 1790 in den chemischen Annalen von Crell
anonym erschienen ist und den Titel führt: Über einige Hauptmängel
verschiedener Eisenhütten in Deutschland. Der Verfasser, der frühere
Berghauptmann von Klausthal, August Ferd. v. Veltheim, hatte durch
eigene Anschauung das englische Eisenhüttenwesen kennen gelernt,
war entzückt von allem, was er in England gesehen hat und möchte
am liebsten sofort die ganze deutsche Eisenindustrie nach englischem
Muster umgestalten. Wenn er in seinen Behauptungen oft über das
Ziel hinausschieſst und in seinen Schilderungen mit grellen Farben
malt, so enthält die Schrift doch viel Wahres, geradezu Prophetisches
und fesselt durch ihre frische Unmittelbarkeit. Natürlich verlangt er für
die Hochöfen stärkere Gebläse und gröſsere Dimensionen. Im Anschluſs
hieran schreibt er (§. 6): „Aus diesen und noch mehr Gründen würde
ich einen Hochofen entweder mit zwei Formen oder bei noch gröſseren
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/627>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.