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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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James Watt und die Dampfmaschine.
von Charles Darwin, Joseph Pristley und -- last not least -- James
Watt. Boulton
war ein kühner Unternehmer, aber kein Enthusiast.
Es war ihm wohl bekannt, dass Smeaton, der damals als erste
Autorität im Maschinenwesen galt, Watts Maschine für zu kompliziert
und unpraktisch erklärt hatte, weil sich keine Arbeiter finden würden,
welche die schwierigen Teile richtig ausführen könnten. Boulton
hatte sein eigenes Urteil und teilte diese Bedenken nicht. Aber er
hatte andere Sorgen. Er fasste die ihm gestellte Aufgabe von vorn-
herein richtig und grossartig auf. Die Erfindung war Watts Sache
und ihm schenkte er volles Vertrauen. Die Fabrikation und der
Vertrieb aber waren seine Sachen und ihm schien das ganze Unter-
nehmen nur dann der Opfer und Mühe wert, wenn er die Maschinen
für die ganze Welt lieferte. Dazu gehörte aber viel, sehr viel! Es
musste eine ganz neue Fabrik geschaffen werden, wie noch keine
bestand, mit den besten, vollkommensten Hülfs- und Werkzeug-
maschinen. Es musste ein Stamm tüchtiger Arbeiter erst heran-
gezogen werden, welcher für die neue Maschine die sorgfältige Arbeit
(accurate workmanship) leisten konnte, welche er ebenso wie Watt
verlangte. Die neue Dampfmaschine musste erst eingeführt und der
Markt dafür erst geschaffen werden. Welche Korrespondenz, welche
technische und kaufmännische Arbeit, welche Geldsummen waren
hierfür erforderlich, viel grösser als Boulton besass. Er sah die
ganze Grösse des Unternehmens vor sich, aber er schreckte trotzdem
nicht davor zurück.

Einstweilen liess er Watt gewähren, dem er eine geräumige
Werkstatt eingeräumt hatte und der unbeschränkt nach seinem
Ermessen darauf los arbeitete. Boulton bezahlte alles, sowohl die
Kosten der Arbeit als die Kosten von Watts Lebensunterhalt.

Die Kinneilmaschine, die erste, welche Watt gebaut hatte, wurde
für den Betrieb in Soho und für Versuche fertig gestellt. Sie hatte
nur 7 Zoll Cylinderweite. Dank der darauf verwendeten Mühe und
Sorgfalt und der guten Arbeiter arbeitete die Maschine viel besser
wie früher. Watt war zum erstenmal befriedigt und fühlte sich
glücklich. Darüber waren aber wieder zwei Jahre verstrichen. Sechs
Jahre des Patentes waren bereits abgelaufen und noch kein Anfang
zur Ausbeutung der Erfindung gemacht. Boulton konnte das grosse
Unternehmen nicht eingehen auf die kurze Frist hin, die Watts
Patent noch zu laufen hatte. Er verlangte Sicherheit durch eine
Verlängerung der Patentfrist. Es lagen schon manche Anfragen,
namentlich von Cornwall, vor, wo die alten Newcomen-Maschinen

James Watt und die Dampfmaschine.
von Charles Darwin, Joseph Pristley und — last not least — James
Watt. Boulton
war ein kühner Unternehmer, aber kein Enthusiast.
Es war ihm wohl bekannt, daſs Smeaton, der damals als erste
Autorität im Maschinenwesen galt, Watts Maschine für zu kompliziert
und unpraktisch erklärt hatte, weil sich keine Arbeiter finden würden,
welche die schwierigen Teile richtig ausführen könnten. Boulton
hatte sein eigenes Urteil und teilte diese Bedenken nicht. Aber er
hatte andere Sorgen. Er faſste die ihm gestellte Aufgabe von vorn-
herein richtig und groſsartig auf. Die Erfindung war Watts Sache
und ihm schenkte er volles Vertrauen. Die Fabrikation und der
Vertrieb aber waren seine Sachen und ihm schien das ganze Unter-
nehmen nur dann der Opfer und Mühe wert, wenn er die Maschinen
für die ganze Welt lieferte. Dazu gehörte aber viel, sehr viel! Es
muſste eine ganz neue Fabrik geschaffen werden, wie noch keine
bestand, mit den besten, vollkommensten Hülfs- und Werkzeug-
maschinen. Es muſste ein Stamm tüchtiger Arbeiter erst heran-
gezogen werden, welcher für die neue Maschine die sorgfältige Arbeit
(accurate workmanship) leisten konnte, welche er ebenso wie Watt
verlangte. Die neue Dampfmaschine muſste erst eingeführt und der
Markt dafür erst geschaffen werden. Welche Korrespondenz, welche
technische und kaufmännische Arbeit, welche Geldsummen waren
hierfür erforderlich, viel gröſser als Boulton besaſs. Er sah die
ganze Gröſse des Unternehmens vor sich, aber er schreckte trotzdem
nicht davor zurück.

Einstweilen lieſs er Watt gewähren, dem er eine geräumige
Werkstatt eingeräumt hatte und der unbeschränkt nach seinem
Ermessen darauf los arbeitete. Boulton bezahlte alles, sowohl die
Kosten der Arbeit als die Kosten von Watts Lebensunterhalt.

Die Kinneilmaschine, die erste, welche Watt gebaut hatte, wurde
für den Betrieb in Soho und für Versuche fertig gestellt. Sie hatte
nur 7 Zoll Cylinderweite. Dank der darauf verwendeten Mühe und
Sorgfalt und der guten Arbeiter arbeitete die Maschine viel besser
wie früher. Watt war zum erstenmal befriedigt und fühlte sich
glücklich. Darüber waren aber wieder zwei Jahre verstrichen. Sechs
Jahre des Patentes waren bereits abgelaufen und noch kein Anfang
zur Ausbeutung der Erfindung gemacht. Boulton konnte das groſse
Unternehmen nicht eingehen auf die kurze Frist hin, die Watts
Patent noch zu laufen hatte. Er verlangte Sicherheit durch eine
Verlängerung der Patentfrist. Es lagen schon manche Anfragen,
namentlich von Cornwall, vor, wo die alten Newcomen-Maschinen

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[519/0533] James Watt und die Dampfmaschine. von Charles Darwin, Joseph Pristley und — last not least — James Watt. Boulton war ein kühner Unternehmer, aber kein Enthusiast. Es war ihm wohl bekannt, daſs Smeaton, der damals als erste Autorität im Maschinenwesen galt, Watts Maschine für zu kompliziert und unpraktisch erklärt hatte, weil sich keine Arbeiter finden würden, welche die schwierigen Teile richtig ausführen könnten. Boulton hatte sein eigenes Urteil und teilte diese Bedenken nicht. Aber er hatte andere Sorgen. Er faſste die ihm gestellte Aufgabe von vorn- herein richtig und groſsartig auf. Die Erfindung war Watts Sache und ihm schenkte er volles Vertrauen. Die Fabrikation und der Vertrieb aber waren seine Sachen und ihm schien das ganze Unter- nehmen nur dann der Opfer und Mühe wert, wenn er die Maschinen für die ganze Welt lieferte. Dazu gehörte aber viel, sehr viel! Es muſste eine ganz neue Fabrik geschaffen werden, wie noch keine bestand, mit den besten, vollkommensten Hülfs- und Werkzeug- maschinen. Es muſste ein Stamm tüchtiger Arbeiter erst heran- gezogen werden, welcher für die neue Maschine die sorgfältige Arbeit (accurate workmanship) leisten konnte, welche er ebenso wie Watt verlangte. Die neue Dampfmaschine muſste erst eingeführt und der Markt dafür erst geschaffen werden. Welche Korrespondenz, welche technische und kaufmännische Arbeit, welche Geldsummen waren hierfür erforderlich, viel gröſser als Boulton besaſs. Er sah die ganze Gröſse des Unternehmens vor sich, aber er schreckte trotzdem nicht davor zurück. Einstweilen lieſs er Watt gewähren, dem er eine geräumige Werkstatt eingeräumt hatte und der unbeschränkt nach seinem Ermessen darauf los arbeitete. Boulton bezahlte alles, sowohl die Kosten der Arbeit als die Kosten von Watts Lebensunterhalt. Die Kinneilmaschine, die erste, welche Watt gebaut hatte, wurde für den Betrieb in Soho und für Versuche fertig gestellt. Sie hatte nur 7 Zoll Cylinderweite. Dank der darauf verwendeten Mühe und Sorgfalt und der guten Arbeiter arbeitete die Maschine viel besser wie früher. Watt war zum erstenmal befriedigt und fühlte sich glücklich. Darüber waren aber wieder zwei Jahre verstrichen. Sechs Jahre des Patentes waren bereits abgelaufen und noch kein Anfang zur Ausbeutung der Erfindung gemacht. Boulton konnte das groſse Unternehmen nicht eingehen auf die kurze Frist hin, die Watts Patent noch zu laufen hatte. Er verlangte Sicherheit durch eine Verlängerung der Patentfrist. Es lagen schon manche Anfragen, namentlich von Cornwall, vor, wo die alten Newcomen-Maschinen

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/533>, abgerufen am 23.11.2024.