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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
die Ecken, welche der Schlacken- und Aschenzacken mit dem Form-
zacken machen, ausgelegt waren. Die Tiefe des Feuers vom Boden
bis an den Wind betrug nur 5 Zoll. Man verarbeitete halbiertes
Roheisen aus Lindner und Storer Erzen. Dasselbe wurde in ziemlich
grossen Brocken auf den Gichtzacken eingesetzt und niedergeschmolzen.
Man gab 12 kg auf einmal ein, welche Menge in drei bis vier Stunden zu
einer Stahlluppe von 8 kg eingeschmolzen war, die dann ausgebrochen
und geschmiedet wurde. So fuhr man von zwei zu zwei Stunden fort,
doch konnte man in acht bis neun Stunden nur etwa 32 kg Stahl
machen, weil die übrige Zeit zum Abkühlen des Herdes erforderlich
war. Der Frischer musste acht geben, dass das Eisen nicht zum
Kochen kam. Rinman, der diesen Prozess beschrieben hat 1), erstaunt
sich, dass man mit so schwachem Gebläse soviel fertig bringe. Sicher-
lich war es aber überhaupt nur dem schwachen Gebläse zuzuschreiben,
dass auf diese Weise Stahl erzeugt werden konnte, indem bei stärkerem
Gebläse unzweifelhaft ein Kochfrischen eintreten musste.

Sven Rinman hat mit grossem Eifer Versuche über die Um-
wandlung von Roheisen in Stahl
durch blosses Glühen ange-
stellt. Dass dies überhaupt möglich sei, hatte Reaumur nachgewiesen.
Dieser legte aber ausschliesslich nur Wert darauf, Gusswaren durch
solches Glühfrischen in weiches Eisen, sogenannten schmiedbaren Guss,
zu verwandeln und erwähnte nur nebenher die Möglichkeit, auf diesem
Wege auch Stahl zu erhalten. Rinman glaubte umgekehrt, dass
sich dieses Verfahren vorteilhafter zur Stahlfabrikation als für schmied-
baren Guss verwerten liesse. Er verfuhr bei seinen Versuchen ganz
in derselben Weise wie Reaumur, indem er das Glühen in verklebten
Tiegeln oder Thonkisten meistens im Stahlbrennofen, zuweilen auch
in einem kleinen Windofen vornahm.

Beim Glühen im offenen Feuer bedeckte sich das Roheisen an
der Oberfläche mit einer Glühspanschicht, unter dieser folgte erst eine
weiche, schmiedeeisenartige, dann eine harte stahlartige Lage und
hierauf im Inneren unverändertes Roheisen. Bei zwölftägigem Glühen
im geschlossenen Tiegel ohne Zusatz war die Glühspanbildung sehr
gering, das Eisen sehr weich, aber nicht schmiedbar. Ebensowenig
wurde Roheisen, welches in Kohlenstaub geglüht wurde, geschmeidig.
Dagegen gaben die Versuche beim Glühen im verschlossenen Tiegel
in einer Ausfüllung von Knochenasche, welche schon Reaumur
besonders empfohlen hatte, günstige Resultate. Rinman stellte eine

1) l. c. Bd. II, S. 543.

Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
die Ecken, welche der Schlacken- und Aschenzacken mit dem Form-
zacken machen, ausgelegt waren. Die Tiefe des Feuers vom Boden
bis an den Wind betrug nur 5 Zoll. Man verarbeitete halbiertes
Roheisen aus Lindner und Storer Erzen. Dasselbe wurde in ziemlich
groſsen Brocken auf den Gichtzacken eingesetzt und niedergeschmolzen.
Man gab 12 kg auf einmal ein, welche Menge in drei bis vier Stunden zu
einer Stahlluppe von 8 kg eingeschmolzen war, die dann ausgebrochen
und geschmiedet wurde. So fuhr man von zwei zu zwei Stunden fort,
doch konnte man in acht bis neun Stunden nur etwa 32 kg Stahl
machen, weil die übrige Zeit zum Abkühlen des Herdes erforderlich
war. Der Frischer muſste acht geben, daſs das Eisen nicht zum
Kochen kam. Rinman, der diesen Prozeſs beschrieben hat 1), erstaunt
sich, daſs man mit so schwachem Gebläse soviel fertig bringe. Sicher-
lich war es aber überhaupt nur dem schwachen Gebläse zuzuschreiben,
daſs auf diese Weise Stahl erzeugt werden konnte, indem bei stärkerem
Gebläse unzweifelhaft ein Kochfrischen eintreten muſste.

Sven Rinman hat mit groſsem Eifer Versuche über die Um-
wandlung von Roheisen in Stahl
durch bloſses Glühen ange-
stellt. Daſs dies überhaupt möglich sei, hatte Reaumur nachgewiesen.
Dieser legte aber ausschlieſslich nur Wert darauf, Guſswaren durch
solches Glühfrischen in weiches Eisen, sogenannten schmiedbaren Guſs,
zu verwandeln und erwähnte nur nebenher die Möglichkeit, auf diesem
Wege auch Stahl zu erhalten. Rinman glaubte umgekehrt, daſs
sich dieses Verfahren vorteilhafter zur Stahlfabrikation als für schmied-
baren Guſs verwerten lieſse. Er verfuhr bei seinen Versuchen ganz
in derselben Weise wie Reaumur, indem er das Glühen in verklebten
Tiegeln oder Thonkisten meistens im Stahlbrennofen, zuweilen auch
in einem kleinen Windofen vornahm.

Beim Glühen im offenen Feuer bedeckte sich das Roheisen an
der Oberfläche mit einer Glühspanschicht, unter dieser folgte erst eine
weiche, schmiedeeisenartige, dann eine harte stahlartige Lage und
hierauf im Inneren unverändertes Roheisen. Bei zwölftägigem Glühen
im geschlossenen Tiegel ohne Zusatz war die Glühspanbildung sehr
gering, das Eisen sehr weich, aber nicht schmiedbar. Ebensowenig
wurde Roheisen, welches in Kohlenstaub geglüht wurde, geschmeidig.
Dagegen gaben die Versuche beim Glühen im verschlossenen Tiegel
in einer Ausfüllung von Knochenasche, welche schon Reaumur
besonders empfohlen hatte, günstige Resultate. Rinman stellte eine

1) l. c. Bd. II, S. 543.
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[430/0444] Stahlfrischen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. die Ecken, welche der Schlacken- und Aschenzacken mit dem Form- zacken machen, ausgelegt waren. Die Tiefe des Feuers vom Boden bis an den Wind betrug nur 5 Zoll. Man verarbeitete halbiertes Roheisen aus Lindner und Storer Erzen. Dasselbe wurde in ziemlich groſsen Brocken auf den Gichtzacken eingesetzt und niedergeschmolzen. Man gab 12 kg auf einmal ein, welche Menge in drei bis vier Stunden zu einer Stahlluppe von 8 kg eingeschmolzen war, die dann ausgebrochen und geschmiedet wurde. So fuhr man von zwei zu zwei Stunden fort, doch konnte man in acht bis neun Stunden nur etwa 32 kg Stahl machen, weil die übrige Zeit zum Abkühlen des Herdes erforderlich war. Der Frischer muſste acht geben, daſs das Eisen nicht zum Kochen kam. Rinman, der diesen Prozeſs beschrieben hat 1), erstaunt sich, daſs man mit so schwachem Gebläse soviel fertig bringe. Sicher- lich war es aber überhaupt nur dem schwachen Gebläse zuzuschreiben, daſs auf diese Weise Stahl erzeugt werden konnte, indem bei stärkerem Gebläse unzweifelhaft ein Kochfrischen eintreten muſste. Sven Rinman hat mit groſsem Eifer Versuche über die Um- wandlung von Roheisen in Stahl durch bloſses Glühen ange- stellt. Daſs dies überhaupt möglich sei, hatte Reaumur nachgewiesen. Dieser legte aber ausschlieſslich nur Wert darauf, Guſswaren durch solches Glühfrischen in weiches Eisen, sogenannten schmiedbaren Guſs, zu verwandeln und erwähnte nur nebenher die Möglichkeit, auf diesem Wege auch Stahl zu erhalten. Rinman glaubte umgekehrt, daſs sich dieses Verfahren vorteilhafter zur Stahlfabrikation als für schmied- baren Guſs verwerten lieſse. Er verfuhr bei seinen Versuchen ganz in derselben Weise wie Reaumur, indem er das Glühen in verklebten Tiegeln oder Thonkisten meistens im Stahlbrennofen, zuweilen auch in einem kleinen Windofen vornahm. Beim Glühen im offenen Feuer bedeckte sich das Roheisen an der Oberfläche mit einer Glühspanschicht, unter dieser folgte erst eine weiche, schmiedeeisenartige, dann eine harte stahlartige Lage und hierauf im Inneren unverändertes Roheisen. Bei zwölftägigem Glühen im geschlossenen Tiegel ohne Zusatz war die Glühspanbildung sehr gering, das Eisen sehr weich, aber nicht schmiedbar. Ebensowenig wurde Roheisen, welches in Kohlenstaub geglüht wurde, geschmeidig. Dagegen gaben die Versuche beim Glühen im verschlossenen Tiegel in einer Ausfüllung von Knochenasche, welche schon Reaumur besonders empfohlen hatte, günstige Resultate. Rinman stellte eine 1) l. c. Bd. II, S. 543.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/444>, abgerufen am 23.11.2024.