Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Cementstahlfabrikation in England.
Cementstahl bei wiederholten Hitzen weit mehr von seiner Stahlnatur
verlor als der deutsche.

"Um diese Arbeit zu bewerkstelligen, werden 10 bis 12 Stäbe von
Blasenstahl, wie sie aus dem Ofen kommen, in ein Packet zusammen-
gelegt und im Steinkohlenfeuer erhitzt. Von Zeit zu Zeit bewirft
man dieses Packet mit trockenem, gepulvertem Thon, ebenso wie
sonst das Eisen behandelt wird, damit die Hitze mehr zusammen-
gehalten wird und die Stäbe besser schweissen. Die Erfahrung be-
weist, dass bei dem Schweissen des Stahls der Thon vorzuziehen ist,
während für das Schweissen des Eisens der Sand bessere Dienste thut.

Wenn nun ein solches Packet die hinlängliche Hitze hat, so
bringt man es unter den Hammer, unter dem es sodann zusammen-
geschweisst und in Stäbe von bestimmtem Mass ausgereckt wird.
Dieser Stahl wird meist nur auf ausländische oder auswärtige Be-
stellungen gemacht, und das Verfahren dabei ist dasselbe, wie in
Steiermark zur Bereitung des feinsten Stahls.

Einige Stahlschmiede in England pflegen zur Herstellung eines
superfeinen Stahls, von welchem das Pfund 20 Sols (1 kg = Mk. 1,60)
kostet, noch zwei Arbeiten mit demselben vorzunehmen. Zu dem
Ende brauchen sie bei der Anfertigung des deutschen Stahls aus
cementiertem Stahl Holzkohlen statt Steinkohlen und cementieren
alsdann diesen deutschen Stahl nochmals ebenso wie Eisen und
raffinieren ihn zum zweitenmal in der beschriebenen Weise mit
Holzkohle.

Der Versuch eines Fabrikanten bei Newcastle, den Stahl durch
Schmelzung zu reinigen, wie Huntsman, zu welchem Zweck er
zwei Meilen von der Stadt eine Fabrik erbaut hatte, war misslungen."

In Sheffield und Umgegend wurde ebenfalls eine grosse Menge
Cementstahl gemacht. Jars fand die besseren Öfen denen in New-
castle ähnlich, nur waren sie kleiner und weder in diesen noch in den
geringeren (wahrscheinlich älteren) Öfen wurde so viel Eisen auf ein-
mal eingesetzt, als in den oben beschriebenen. Die Öfen bestanden
aus einem Gewölbe von Backsteinen, etwa 12 Fuss lang, 6 Fuss breit
und in der Mitte 6 Fuss hoch. In denselben war nur eine Kiste.
Die Feuerung, welche der Länge nach durchlief, und welche von
beiden Seiten aus bedient wurde, befand sich in der Mitte unter
dem Boden der Kiste. Die Feuergase traten durch je sechs Öffnungen
auf beiden Seiten zwischen das Gewölbe und die Seitenwände der
Kiste und umspülten dieselbe. Sie entwichen durch den darüber ge-
bauten Schornstein. In diese Öfen wurden nur 4 bis 5 Tonnen auf

Die Cementstahlfabrikation in England.
Cementstahl bei wiederholten Hitzen weit mehr von seiner Stahlnatur
verlor als der deutsche.

„Um diese Arbeit zu bewerkstelligen, werden 10 bis 12 Stäbe von
Blasenstahl, wie sie aus dem Ofen kommen, in ein Packet zusammen-
gelegt und im Steinkohlenfeuer erhitzt. Von Zeit zu Zeit bewirft
man dieses Packet mit trockenem, gepulvertem Thon, ebenso wie
sonst das Eisen behandelt wird, damit die Hitze mehr zusammen-
gehalten wird und die Stäbe besser schweiſsen. Die Erfahrung be-
weist, daſs bei dem Schweiſsen des Stahls der Thon vorzuziehen ist,
während für das Schweiſsen des Eisens der Sand bessere Dienste thut.

Wenn nun ein solches Packet die hinlängliche Hitze hat, so
bringt man es unter den Hammer, unter dem es sodann zusammen-
geschweiſst und in Stäbe von bestimmtem Maſs ausgereckt wird.
Dieser Stahl wird meist nur auf ausländische oder auswärtige Be-
stellungen gemacht, und das Verfahren dabei ist dasselbe, wie in
Steiermark zur Bereitung des feinsten Stahls.

Einige Stahlschmiede in England pflegen zur Herstellung eines
superfeinen Stahls, von welchem das Pfund 20 Sols (1 kg = Mk. 1,60)
kostet, noch zwei Arbeiten mit demselben vorzunehmen. Zu dem
Ende brauchen sie bei der Anfertigung des deutschen Stahls aus
cementiertem Stahl Holzkohlen statt Steinkohlen und cementieren
alsdann diesen deutschen Stahl nochmals ebenso wie Eisen und
raffinieren ihn zum zweitenmal in der beschriebenen Weise mit
Holzkohle.

Der Versuch eines Fabrikanten bei Newcastle, den Stahl durch
Schmelzung zu reinigen, wie Huntsman, zu welchem Zweck er
zwei Meilen von der Stadt eine Fabrik erbaut hatte, war miſslungen.“

In Sheffield und Umgegend wurde ebenfalls eine groſse Menge
Cementstahl gemacht. Jars fand die besseren Öfen denen in New-
castle ähnlich, nur waren sie kleiner und weder in diesen noch in den
geringeren (wahrscheinlich älteren) Öfen wurde so viel Eisen auf ein-
mal eingesetzt, als in den oben beschriebenen. Die Öfen bestanden
aus einem Gewölbe von Backsteinen, etwa 12 Fuſs lang, 6 Fuſs breit
und in der Mitte 6 Fuſs hoch. In denselben war nur eine Kiste.
Die Feuerung, welche der Länge nach durchlief, und welche von
beiden Seiten aus bedient wurde, befand sich in der Mitte unter
dem Boden der Kiste. Die Feuergase traten durch je sechs Öffnungen
auf beiden Seiten zwischen das Gewölbe und die Seitenwände der
Kiste und umspülten dieselbe. Sie entwichen durch den darüber ge-
bauten Schornstein. In diese Öfen wurden nur 4 bis 5 Tonnen auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0301" n="287"/><fw place="top" type="header">Die Cementstahlfabrikation in England.</fw><lb/>
Cementstahl bei wiederholten Hitzen weit mehr von seiner Stahlnatur<lb/>
verlor als der deutsche.</p><lb/>
              <p>&#x201E;Um diese Arbeit zu bewerkstelligen, werden 10 bis 12 Stäbe von<lb/>
Blasenstahl, wie sie aus dem Ofen kommen, in ein Packet zusammen-<lb/>
gelegt und im Steinkohlenfeuer erhitzt. Von Zeit zu Zeit bewirft<lb/>
man dieses Packet mit trockenem, gepulvertem Thon, ebenso wie<lb/>
sonst das Eisen behandelt wird, damit die Hitze mehr zusammen-<lb/>
gehalten wird und die Stäbe besser schwei&#x017F;sen. Die Erfahrung be-<lb/>
weist, da&#x017F;s bei dem Schwei&#x017F;sen des Stahls der Thon vorzuziehen ist,<lb/>
während für das Schwei&#x017F;sen des Eisens der Sand bessere Dienste thut.</p><lb/>
              <p>Wenn nun ein solches Packet die hinlängliche Hitze hat, so<lb/>
bringt man es unter den Hammer, unter dem es sodann zusammen-<lb/>
geschwei&#x017F;st und in Stäbe von bestimmtem Ma&#x017F;s ausgereckt wird.<lb/>
Dieser Stahl wird meist nur auf ausländische oder auswärtige Be-<lb/>
stellungen gemacht, und das Verfahren dabei ist dasselbe, wie in<lb/>
Steiermark zur Bereitung des feinsten Stahls.</p><lb/>
              <p>Einige Stahlschmiede in England pflegen zur Herstellung eines<lb/>
superfeinen Stahls, von welchem das Pfund 20 Sols (1 kg = Mk. 1,60)<lb/>
kostet, noch zwei Arbeiten mit demselben vorzunehmen. Zu dem<lb/>
Ende brauchen sie bei der Anfertigung des deutschen Stahls aus<lb/>
cementiertem Stahl Holzkohlen statt Steinkohlen und cementieren<lb/>
alsdann diesen deutschen Stahl nochmals ebenso wie Eisen und<lb/>
raffinieren ihn zum zweitenmal in der beschriebenen Weise mit<lb/>
Holzkohle.</p><lb/>
              <p>Der Versuch eines Fabrikanten bei Newcastle, den Stahl durch<lb/>
Schmelzung zu reinigen, wie <hi rendition="#g">Huntsman</hi>, zu welchem Zweck er<lb/>
zwei Meilen von der Stadt eine Fabrik erbaut hatte, war mi&#x017F;slungen.&#x201C;</p><lb/>
              <p>In <hi rendition="#g">Sheffield</hi> und Umgegend wurde ebenfalls eine gro&#x017F;se Menge<lb/>
Cementstahl gemacht. <hi rendition="#g">Jars</hi> fand die besseren Öfen denen in New-<lb/>
castle ähnlich, nur waren sie kleiner und weder in diesen noch in den<lb/>
geringeren (wahrscheinlich älteren) Öfen wurde so viel Eisen auf ein-<lb/>
mal eingesetzt, als in den oben beschriebenen. Die Öfen bestanden<lb/>
aus einem Gewölbe von Backsteinen, etwa 12 Fu&#x017F;s lang, 6 Fu&#x017F;s breit<lb/>
und in der Mitte 6 Fu&#x017F;s hoch. In denselben war <hi rendition="#g">nur eine Kiste</hi>.<lb/>
Die Feuerung, welche der Länge nach durchlief, und welche von<lb/>
beiden Seiten aus bedient wurde, befand sich in der Mitte unter<lb/>
dem Boden der Kiste. Die Feuergase traten durch je sechs Öffnungen<lb/>
auf beiden Seiten zwischen das Gewölbe und die Seitenwände der<lb/>
Kiste und umspülten dieselbe. Sie entwichen durch den darüber ge-<lb/>
bauten Schornstein. In diese Öfen wurden nur 4 bis 5 Tonnen auf<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0301] Die Cementstahlfabrikation in England. Cementstahl bei wiederholten Hitzen weit mehr von seiner Stahlnatur verlor als der deutsche. „Um diese Arbeit zu bewerkstelligen, werden 10 bis 12 Stäbe von Blasenstahl, wie sie aus dem Ofen kommen, in ein Packet zusammen- gelegt und im Steinkohlenfeuer erhitzt. Von Zeit zu Zeit bewirft man dieses Packet mit trockenem, gepulvertem Thon, ebenso wie sonst das Eisen behandelt wird, damit die Hitze mehr zusammen- gehalten wird und die Stäbe besser schweiſsen. Die Erfahrung be- weist, daſs bei dem Schweiſsen des Stahls der Thon vorzuziehen ist, während für das Schweiſsen des Eisens der Sand bessere Dienste thut. Wenn nun ein solches Packet die hinlängliche Hitze hat, so bringt man es unter den Hammer, unter dem es sodann zusammen- geschweiſst und in Stäbe von bestimmtem Maſs ausgereckt wird. Dieser Stahl wird meist nur auf ausländische oder auswärtige Be- stellungen gemacht, und das Verfahren dabei ist dasselbe, wie in Steiermark zur Bereitung des feinsten Stahls. Einige Stahlschmiede in England pflegen zur Herstellung eines superfeinen Stahls, von welchem das Pfund 20 Sols (1 kg = Mk. 1,60) kostet, noch zwei Arbeiten mit demselben vorzunehmen. Zu dem Ende brauchen sie bei der Anfertigung des deutschen Stahls aus cementiertem Stahl Holzkohlen statt Steinkohlen und cementieren alsdann diesen deutschen Stahl nochmals ebenso wie Eisen und raffinieren ihn zum zweitenmal in der beschriebenen Weise mit Holzkohle. Der Versuch eines Fabrikanten bei Newcastle, den Stahl durch Schmelzung zu reinigen, wie Huntsman, zu welchem Zweck er zwei Meilen von der Stadt eine Fabrik erbaut hatte, war miſslungen.“ In Sheffield und Umgegend wurde ebenfalls eine groſse Menge Cementstahl gemacht. Jars fand die besseren Öfen denen in New- castle ähnlich, nur waren sie kleiner und weder in diesen noch in den geringeren (wahrscheinlich älteren) Öfen wurde so viel Eisen auf ein- mal eingesetzt, als in den oben beschriebenen. Die Öfen bestanden aus einem Gewölbe von Backsteinen, etwa 12 Fuſs lang, 6 Fuſs breit und in der Mitte 6 Fuſs hoch. In denselben war nur eine Kiste. Die Feuerung, welche der Länge nach durchlief, und welche von beiden Seiten aus bedient wurde, befand sich in der Mitte unter dem Boden der Kiste. Die Feuergase traten durch je sechs Öffnungen auf beiden Seiten zwischen das Gewölbe und die Seitenwände der Kiste und umspülten dieselbe. Sie entwichen durch den darüber ge- bauten Schornstein. In diese Öfen wurden nur 4 bis 5 Tonnen auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/301
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/301>, abgerufen am 23.11.2024.