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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Die Erfindung des Gussstahls.
Hitzen zu dünnen Stäben aus. Erst einige Zeit danach führte
Crowley in Newcastle das Gärben des Cementstahls in England ein.
Der Cementstahl hatte häufig kleine Mängel, indem die Fehler der
Schmiedeeisenstäbe durch die Umwandlung nicht entfernt wurden,
sondern noch deutlicher zu Tage traten. Deutscher Stahl war besser,
namentlich lieferten die österreichischen Alpenhändler vortrefflichen
Werkzeugstahl. Aber auch dieser hatte häufig Flecken und ausser-
dem war im Handel viel Unredlichkeit; geringere Marken wurden
für beste verkauft, und auf dem damals weiten Wege von Steiermark
bis Doncaster ging das Stück Stahl, das der bescheidene Uhrmacher
von seinem Händler bezog, durch viele Hände, die alle ihren Nutzen
daran suchten. Die Unzuverlässigkeit der Ware, die Huntsman
als guten Stahl kaufte, war es, die ihn auf den Gedanken brachte,
ob es nicht ein Mittel gäbe, durch Reinigung ein gleichmässigeres
und besseres Produkt zu erzielen. Dieses durch Umschmelzen zu
versuchen, war ein Gedanke, der einem Laien im Eisengewerbe näher
lag, als einem Fachmann, weil er die grossen Schwierigkeiten der
Ausführung nicht kannte. Stahl zu schmelzen, erforderte eine so
hohe Temperatur, dass man dies damals für praktisch unausführbar
hielt. In Berührung mit Kohle war es unmöglich, weil Stahl sich
durch Aufnahme von Kohlenstoff in Gusseisen verwandelte, aber auch
bei dem Schmelzen in geschlossenen Gefässen war eine Einwirkung
kohlender Gase kaum ganz zu vermeiden und die geringste Menge
musste den Stahl verderben. Es muss deshalb Huntsman viele
Enttäuschungen und viele Misserfolge gehabt haben, bis er endlich
doch sein Ziel erreichte und es ihm gelang, guten brauchbaren Guss-
stahl herzustellen, und es ist ein Zeichen für den festen Glauben an
die Richtigkeit seiner Idee und für seine Beharrlichkeit in der Aus-
führung derselben, die beiden Grundbedingungen für jeden Erfinder,
dass er trotz allen Schwierigkeiten allein und aus eigener Kraft seine
Erfindung durchführte.

Huntsman begann mit seinen Stahlschmelzversuchen in Don-
caster; um dieselben aber besser ausführen zu können, siedelte er im
Jahre 1740 nach Handsworth bei Sheffield über. Hierzu veranlasste
ihn sowohl der bessere Bezug seiner Rohmaterialien, Steinkohlen oder
Koks und Brennstahl, als auch die Aussicht auf besseren Absatz
seines Produktes. Sheffield war bereits damals der Hauptsitz der
Stahlwarenmanufaktur. Die besten Messer und Werkzeuge wurden
in Sheffield fabriziert. Die Nachfrage nach gutem Stahl war deshalb
dort gross und Huntsman hoffte, dass er sein besseres Produkt dort

Beck, Geschichte des Eisens. 18

Die Erfindung des Guſsstahls.
Hitzen zu dünnen Stäben aus. Erst einige Zeit danach führte
Crowley in Newcastle das Gärben des Cementstahls in England ein.
Der Cementstahl hatte häufig kleine Mängel, indem die Fehler der
Schmiedeeisenstäbe durch die Umwandlung nicht entfernt wurden,
sondern noch deutlicher zu Tage traten. Deutscher Stahl war besser,
namentlich lieferten die österreichischen Alpenhändler vortrefflichen
Werkzeugstahl. Aber auch dieser hatte häufig Flecken und auſser-
dem war im Handel viel Unredlichkeit; geringere Marken wurden
für beste verkauft, und auf dem damals weiten Wege von Steiermark
bis Doncaster ging das Stück Stahl, das der bescheidene Uhrmacher
von seinem Händler bezog, durch viele Hände, die alle ihren Nutzen
daran suchten. Die Unzuverlässigkeit der Ware, die Huntsman
als guten Stahl kaufte, war es, die ihn auf den Gedanken brachte,
ob es nicht ein Mittel gäbe, durch Reinigung ein gleichmäſsigeres
und besseres Produkt zu erzielen. Dieses durch Umschmelzen zu
versuchen, war ein Gedanke, der einem Laien im Eisengewerbe näher
lag, als einem Fachmann, weil er die groſsen Schwierigkeiten der
Ausführung nicht kannte. Stahl zu schmelzen, erforderte eine so
hohe Temperatur, daſs man dies damals für praktisch unausführbar
hielt. In Berührung mit Kohle war es unmöglich, weil Stahl sich
durch Aufnahme von Kohlenstoff in Guſseisen verwandelte, aber auch
bei dem Schmelzen in geschlossenen Gefäſsen war eine Einwirkung
kohlender Gase kaum ganz zu vermeiden und die geringste Menge
muſste den Stahl verderben. Es muſs deshalb Huntsman viele
Enttäuschungen und viele Miſserfolge gehabt haben, bis er endlich
doch sein Ziel erreichte und es ihm gelang, guten brauchbaren Guſs-
stahl herzustellen, und es ist ein Zeichen für den festen Glauben an
die Richtigkeit seiner Idee und für seine Beharrlichkeit in der Aus-
führung derselben, die beiden Grundbedingungen für jeden Erfinder,
daſs er trotz allen Schwierigkeiten allein und aus eigener Kraft seine
Erfindung durchführte.

Huntsman begann mit seinen Stahlschmelzversuchen in Don-
caster; um dieselben aber besser ausführen zu können, siedelte er im
Jahre 1740 nach Handsworth bei Sheffield über. Hierzu veranlaſste
ihn sowohl der bessere Bezug seiner Rohmaterialien, Steinkohlen oder
Koks und Brennstahl, als auch die Aussicht auf besseren Absatz
seines Produktes. Sheffield war bereits damals der Hauptsitz der
Stahlwarenmanufaktur. Die besten Messer und Werkzeuge wurden
in Sheffield fabriziert. Die Nachfrage nach gutem Stahl war deshalb
dort groſs und Huntsman hoffte, daſs er sein besseres Produkt dort

Beck, Geschichte des Eisens. 18
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[273/0287] Die Erfindung des Guſsstahls. Hitzen zu dünnen Stäben aus. Erst einige Zeit danach führte Crowley in Newcastle das Gärben des Cementstahls in England ein. Der Cementstahl hatte häufig kleine Mängel, indem die Fehler der Schmiedeeisenstäbe durch die Umwandlung nicht entfernt wurden, sondern noch deutlicher zu Tage traten. Deutscher Stahl war besser, namentlich lieferten die österreichischen Alpenhändler vortrefflichen Werkzeugstahl. Aber auch dieser hatte häufig Flecken und auſser- dem war im Handel viel Unredlichkeit; geringere Marken wurden für beste verkauft, und auf dem damals weiten Wege von Steiermark bis Doncaster ging das Stück Stahl, das der bescheidene Uhrmacher von seinem Händler bezog, durch viele Hände, die alle ihren Nutzen daran suchten. Die Unzuverlässigkeit der Ware, die Huntsman als guten Stahl kaufte, war es, die ihn auf den Gedanken brachte, ob es nicht ein Mittel gäbe, durch Reinigung ein gleichmäſsigeres und besseres Produkt zu erzielen. Dieses durch Umschmelzen zu versuchen, war ein Gedanke, der einem Laien im Eisengewerbe näher lag, als einem Fachmann, weil er die groſsen Schwierigkeiten der Ausführung nicht kannte. Stahl zu schmelzen, erforderte eine so hohe Temperatur, daſs man dies damals für praktisch unausführbar hielt. In Berührung mit Kohle war es unmöglich, weil Stahl sich durch Aufnahme von Kohlenstoff in Guſseisen verwandelte, aber auch bei dem Schmelzen in geschlossenen Gefäſsen war eine Einwirkung kohlender Gase kaum ganz zu vermeiden und die geringste Menge muſste den Stahl verderben. Es muſs deshalb Huntsman viele Enttäuschungen und viele Miſserfolge gehabt haben, bis er endlich doch sein Ziel erreichte und es ihm gelang, guten brauchbaren Guſs- stahl herzustellen, und es ist ein Zeichen für den festen Glauben an die Richtigkeit seiner Idee und für seine Beharrlichkeit in der Aus- führung derselben, die beiden Grundbedingungen für jeden Erfinder, daſs er trotz allen Schwierigkeiten allein und aus eigener Kraft seine Erfindung durchführte. Huntsman begann mit seinen Stahlschmelzversuchen in Don- caster; um dieselben aber besser ausführen zu können, siedelte er im Jahre 1740 nach Handsworth bei Sheffield über. Hierzu veranlaſste ihn sowohl der bessere Bezug seiner Rohmaterialien, Steinkohlen oder Koks und Brennstahl, als auch die Aussicht auf besseren Absatz seines Produktes. Sheffield war bereits damals der Hauptsitz der Stahlwarenmanufaktur. Die besten Messer und Werkzeuge wurden in Sheffield fabriziert. Die Nachfrage nach gutem Stahl war deshalb dort groſs und Huntsman hoffte, daſs er sein besseres Produkt dort Beck, Geschichte des Eisens. 18

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/287>, abgerufen am 23.11.2024.