Dass die Deutschen den Roggen hierfür benutzten, war Reaumur bekannt. Um 1710 hatte er eine Weissblechfabrik zu Beaumont- la-Ferriere in Nivernais besucht. Obgleich die deutschen Arbeiter, welche man dorthin berufen hatte, sehr geheimnisvoll thaten, so konnte er doch wahrnehmen, dass ihre Beize aus Korn hergestellt war. Auch war ihm bekannt, dass bei sehr hohen Kornpreisen die deutschen Fabriken zeitweilig ihren Betrieb einstellten. Man zog Roggen andern Getreidearten vor, weil er am leichtesten säuert. Versuche, welche man bei sehr hohen Kornpreisen mit Hafer gemacht hatte, waren erfolglos geblieben. Die Gärung und das Beizen der Bleche geschah in geschlossenen Gewölben, welche mit Holzkohlen erwärmt wurden. Durch die Hitze und den Dunst war die Arbeit eine sehr beschwerliche. Die Arbeiter gingen zweimal den Tag in die Gär- kammer, um die Bleche zu wenden und die verbrauchte Beize durch neue zu ersetzen; sie waren dabei wegen der fast unerträglichen Hitze nur mit einem Hemd bekleidet. Die Bleche mussten mindestens zwei Tage, meist aber länger in der Beize bleiben.
Wegen der Beschwerlichkeit der Arbeit bezweifelt Reaumur, ob dies Verfahren das beste sei und suchte nach einem besseren. Das übliche Verfahren hatte auch noch andere Mängel. So schien es ihm verkehrt, dass man die Bleche immer nur zur Hälfte ein- tauchte und nach einer gewissen Zeit wendete. Auch schien es Reaumur zweckmässiger, die Bleche erst zu entfetten. Überhaupt hielt er es für besser, das Beizen durch mehrere einfache Operationen zu ersetzen und dabei das Erwärmen ganz zu sparen. Er ging dabei mit Recht von der Betrachtung aus, dass es sich hauptsächlich darum handle, die dichte Haut, welche die schwarze Oberfläche der Bleche bilde, zu entfernen, und dass dies durch Rosten geschehen könne, indem der Rost, der ein grosses Volum einnehme und wie ein Schwamm sich auftreibe, die Haut vom Glühspan mechanisch absprengen und entfernen könne. Ein Eintauchen in Salmiaklösung gab nach seinen Versuchen das beste Ergebnis. Zur Entfernung des Rostes und zum vollständigen Beizen würde sich ein Eintauchen in Essig oder ver- dünntes Scheidewasser empfehlen, wenn dies nicht zu teuer wäre. Auch Vitriol empfehle sich nicht, weil es zu stark beize, obgleich es in Gegenden, wo Schwefelkies vorkomme, durch Verwittern und Aus- laugen desselben billig zu beschaffen wäre.
Er empfiehlt deshalb, eine Beize aus Essig und Salmiaklösung herzustellen, in dieser aber die Bleche nicht stehen zu lassen, sondern nur wiederholt einzutauchen und der Luft auszusetzen, wobei sie
Die Weiſsblechfabrikation.
Daſs die Deutschen den Roggen hierfür benutzten, war Reaumur bekannt. Um 1710 hatte er eine Weiſsblechfabrik zu Beaumont- la-Ferrière in Nivernais besucht. Obgleich die deutschen Arbeiter, welche man dorthin berufen hatte, sehr geheimnisvoll thaten, so konnte er doch wahrnehmen, daſs ihre Beize aus Korn hergestellt war. Auch war ihm bekannt, daſs bei sehr hohen Kornpreisen die deutschen Fabriken zeitweilig ihren Betrieb einstellten. Man zog Roggen andern Getreidearten vor, weil er am leichtesten säuert. Versuche, welche man bei sehr hohen Kornpreisen mit Hafer gemacht hatte, waren erfolglos geblieben. Die Gärung und das Beizen der Bleche geschah in geschlossenen Gewölben, welche mit Holzkohlen erwärmt wurden. Durch die Hitze und den Dunst war die Arbeit eine sehr beschwerliche. Die Arbeiter gingen zweimal den Tag in die Gär- kammer, um die Bleche zu wenden und die verbrauchte Beize durch neue zu ersetzen; sie waren dabei wegen der fast unerträglichen Hitze nur mit einem Hemd bekleidet. Die Bleche muſsten mindestens zwei Tage, meist aber länger in der Beize bleiben.
Wegen der Beschwerlichkeit der Arbeit bezweifelt Reaumur, ob dies Verfahren das beste sei und suchte nach einem besseren. Das übliche Verfahren hatte auch noch andere Mängel. So schien es ihm verkehrt, daſs man die Bleche immer nur zur Hälfte ein- tauchte und nach einer gewissen Zeit wendete. Auch schien es Reaumur zweckmäſsiger, die Bleche erst zu entfetten. Überhaupt hielt er es für besser, das Beizen durch mehrere einfache Operationen zu ersetzen und dabei das Erwärmen ganz zu sparen. Er ging dabei mit Recht von der Betrachtung aus, daſs es sich hauptsächlich darum handle, die dichte Haut, welche die schwarze Oberfläche der Bleche bilde, zu entfernen, und daſs dies durch Rosten geschehen könne, indem der Rost, der ein groſses Volum einnehme und wie ein Schwamm sich auftreibe, die Haut vom Glühspan mechanisch absprengen und entfernen könne. Ein Eintauchen in Salmiaklösung gab nach seinen Versuchen das beste Ergebnis. Zur Entfernung des Rostes und zum vollständigen Beizen würde sich ein Eintauchen in Essig oder ver- dünntes Scheidewasser empfehlen, wenn dies nicht zu teuer wäre. Auch Vitriol empfehle sich nicht, weil es zu stark beize, obgleich es in Gegenden, wo Schwefelkies vorkomme, durch Verwittern und Aus- laugen desselben billig zu beschaffen wäre.
Er empfiehlt deshalb, eine Beize aus Essig und Salmiaklösung herzustellen, in dieser aber die Bleche nicht stehen zu lassen, sondern nur wiederholt einzutauchen und der Luft auszusetzen, wobei sie
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Die Weiſsblechfabrikation.
Daſs die Deutschen den Roggen hierfür benutzten, war Reaumur
bekannt. Um 1710 hatte er eine Weiſsblechfabrik zu Beaumont-
la-Ferrière in Nivernais besucht. Obgleich die deutschen Arbeiter,
welche man dorthin berufen hatte, sehr geheimnisvoll thaten, so konnte
er doch wahrnehmen, daſs ihre Beize aus Korn hergestellt war. Auch
war ihm bekannt, daſs bei sehr hohen Kornpreisen die deutschen
Fabriken zeitweilig ihren Betrieb einstellten. Man zog Roggen
andern Getreidearten vor, weil er am leichtesten säuert. Versuche,
welche man bei sehr hohen Kornpreisen mit Hafer gemacht hatte,
waren erfolglos geblieben. Die Gärung und das Beizen der Bleche
geschah in geschlossenen Gewölben, welche mit Holzkohlen erwärmt
wurden. Durch die Hitze und den Dunst war die Arbeit eine sehr
beschwerliche. Die Arbeiter gingen zweimal den Tag in die Gär-
kammer, um die Bleche zu wenden und die verbrauchte Beize durch
neue zu ersetzen; sie waren dabei wegen der fast unerträglichen Hitze
nur mit einem Hemd bekleidet. Die Bleche muſsten mindestens zwei
Tage, meist aber länger in der Beize bleiben.
Wegen der Beschwerlichkeit der Arbeit bezweifelt Reaumur,
ob dies Verfahren das beste sei und suchte nach einem besseren.
Das übliche Verfahren hatte auch noch andere Mängel. So schien
es ihm verkehrt, daſs man die Bleche immer nur zur Hälfte ein-
tauchte und nach einer gewissen Zeit wendete. Auch schien es
Reaumur zweckmäſsiger, die Bleche erst zu entfetten. Überhaupt
hielt er es für besser, das Beizen durch mehrere einfache Operationen
zu ersetzen und dabei das Erwärmen ganz zu sparen. Er ging dabei
mit Recht von der Betrachtung aus, daſs es sich hauptsächlich darum
handle, die dichte Haut, welche die schwarze Oberfläche der Bleche
bilde, zu entfernen, und daſs dies durch Rosten geschehen könne,
indem der Rost, der ein groſses Volum einnehme und wie ein Schwamm
sich auftreibe, die Haut vom Glühspan mechanisch absprengen und
entfernen könne. Ein Eintauchen in Salmiaklösung gab nach seinen
Versuchen das beste Ergebnis. Zur Entfernung des Rostes und zum
vollständigen Beizen würde sich ein Eintauchen in Essig oder ver-
dünntes Scheidewasser empfehlen, wenn dies nicht zu teuer wäre.
Auch Vitriol empfehle sich nicht, weil es zu stark beize, obgleich es
in Gegenden, wo Schwefelkies vorkomme, durch Verwittern und Aus-
laugen desselben billig zu beschaffen wäre.
Er empfiehlt deshalb, eine Beize aus Essig und Salmiaklösung
herzustellen, in dieser aber die Bleche nicht stehen zu lassen, sondern
nur wiederholt einzutauchen und der Luft auszusetzen, wobei sie
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/277>, abgerufen am 23.11.2024.
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