Peter der Grosse suchte das Gewerbewesen zu reformieren. Er wollte ein selbständiges Gewerbe und eine Grossindustrie schaffen. Aber Erfolge erzielte er nur in letzterer Hinsicht. Zur Förderung des Handwerks verordnete er 1721 für die Städte die Einrichtung von Magistraten und Zünften. Diesen letzteren sollten alle Gewerbe- treibenden in den Städten beitreten, nur Zunftmitglieder durften Lehrlinge und Arbeiter halten; ihre Waren mussten den Ältermännern zur Prüfung vorgelegt werden. Aber für die bäuerliche Bevölkerung auf dem Lande blieb die alte Gewerbefreiheit bestehen, und da, wie es nach der Darstellung von Thun1) erscheint, diese wie bis- her ihre Waren in den Städten absetzten und als Wanderarbeiter beschäftigt werden konnten, so übte jene Verordnung auf den Zustand ihres Gewerbebetriebs keinen Einfluss. Aber auch Zünfte entstanden nur da, wo viele ausländische Meister waren und in den beiden Haupt- städten. Ihre Wirksamkeit für das gewerbliche Leben war eine ver- schwindend geringe. Das Zunftwesen hat für Russland "so gut wie gar keine Bedeutung gehabt".
Um eine Grossindustrie ins Leben zu rufen, wurden merkanti- listische Massregeln ergriffen. Da den Privaten das Kapital fehlte, wurden Staatsfabriken gegründet und Privatkompanieen zum Betriebe übergeben, auch Privaten vom Staate zur Errichtung von Fabriken Geld gegeben. Beschränkungen in der Ausfuhr von Rohstoffen, sowie in der Einfuhr ausländischer Fabrikate und Monopolrechte erleich- terten den Betrieb, sicherten den Absatz. Ausländer wurden in der Gründung von Fabriken durch Befreiung von allen städtischen Abgaben und andere Privilegien unterstützt. Dem Arbeitermangel half man dadurch ab, dass durch die Verordnungen vom 18. Januar 1721 und 3. Dezember 1723 den Unternehmern gestattet wurde, leibeigene Arbeiter für ihre gewerblichen Anstalten zu kaufen. Das Gros der Fabrikarbeiter bestand seitdem aus Leibeigenen. Auch Gutsbesitzer errichteten neue Fabriken mit Leibeigenen. Das Monopolsystem wurde stärker ausgebildet, hatte aber in Russland kürzeren Bestand wie in anderen Ländern. Schon im Jahre 1775 erfolgte der Bruch mit demselben, die Monopole und Privilegien wurden aufgehoben und die Gewerbefreiheit eingeführt.
1) A. Thun, Landwirtschaft und Gewerbe in Mittelrussland, 1880.
Ruſsland.
Peter der Groſse suchte das Gewerbewesen zu reformieren. Er wollte ein selbständiges Gewerbe und eine Groſsindustrie schaffen. Aber Erfolge erzielte er nur in letzterer Hinsicht. Zur Förderung des Handwerks verordnete er 1721 für die Städte die Einrichtung von Magistraten und Zünften. Diesen letzteren sollten alle Gewerbe- treibenden in den Städten beitreten, nur Zunftmitglieder durften Lehrlinge und Arbeiter halten; ihre Waren muſsten den Ältermännern zur Prüfung vorgelegt werden. Aber für die bäuerliche Bevölkerung auf dem Lande blieb die alte Gewerbefreiheit bestehen, und da, wie es nach der Darstellung von Thun1) erscheint, diese wie bis- her ihre Waren in den Städten absetzten und als Wanderarbeiter beschäftigt werden konnten, so übte jene Verordnung auf den Zustand ihres Gewerbebetriebs keinen Einfluſs. Aber auch Zünfte entstanden nur da, wo viele ausländische Meister waren und in den beiden Haupt- städten. Ihre Wirksamkeit für das gewerbliche Leben war eine ver- schwindend geringe. Das Zunftwesen hat für Ruſsland „so gut wie gar keine Bedeutung gehabt“.
Um eine Groſsindustrie ins Leben zu rufen, wurden merkanti- listische Maſsregeln ergriffen. Da den Privaten das Kapital fehlte, wurden Staatsfabriken gegründet und Privatkompanieen zum Betriebe übergeben, auch Privaten vom Staate zur Errichtung von Fabriken Geld gegeben. Beschränkungen in der Ausfuhr von Rohstoffen, sowie in der Einfuhr ausländischer Fabrikate und Monopolrechte erleich- terten den Betrieb, sicherten den Absatz. Ausländer wurden in der Gründung von Fabriken durch Befreiung von allen städtischen Abgaben und andere Privilegien unterstützt. Dem Arbeitermangel half man dadurch ab, daſs durch die Verordnungen vom 18. Januar 1721 und 3. Dezember 1723 den Unternehmern gestattet wurde, leibeigene Arbeiter für ihre gewerblichen Anstalten zu kaufen. Das Gros der Fabrikarbeiter bestand seitdem aus Leibeigenen. Auch Gutsbesitzer errichteten neue Fabriken mit Leibeigenen. Das Monopolsystem wurde stärker ausgebildet, hatte aber in Ruſsland kürzeren Bestand wie in anderen Ländern. Schon im Jahre 1775 erfolgte der Bruch mit demselben, die Monopole und Privilegien wurden aufgehoben und die Gewerbefreiheit eingeführt.
1) A. Thun, Landwirtschaft und Gewerbe in Mittelruſsland, 1880.
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Ruſsland.
Peter der Groſse suchte das Gewerbewesen zu reformieren. Er
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Aber Erfolge erzielte er nur in letzterer Hinsicht. Zur Förderung
des Handwerks verordnete er 1721 für die Städte die Einrichtung
von Magistraten und Zünften. Diesen letzteren sollten alle Gewerbe-
treibenden in den Städten beitreten, nur Zunftmitglieder durften
Lehrlinge und Arbeiter halten; ihre Waren muſsten den Ältermännern
zur Prüfung vorgelegt werden. Aber für die bäuerliche Bevölkerung
auf dem Lande blieb die alte Gewerbefreiheit bestehen, und da,
wie es nach der Darstellung von Thun 1) erscheint, diese wie bis-
her ihre Waren in den Städten absetzten und als Wanderarbeiter
beschäftigt werden konnten, so übte jene Verordnung auf den Zustand
ihres Gewerbebetriebs keinen Einfluſs. Aber auch Zünfte entstanden
nur da, wo viele ausländische Meister waren und in den beiden Haupt-
städten. Ihre Wirksamkeit für das gewerbliche Leben war eine ver-
schwindend geringe. Das Zunftwesen hat für Ruſsland „so gut wie
gar keine Bedeutung gehabt“.
Um eine Groſsindustrie ins Leben zu rufen, wurden merkanti-
listische Maſsregeln ergriffen. Da den Privaten das Kapital fehlte,
wurden Staatsfabriken gegründet und Privatkompanieen zum Betriebe
übergeben, auch Privaten vom Staate zur Errichtung von Fabriken
Geld gegeben. Beschränkungen in der Ausfuhr von Rohstoffen, sowie
in der Einfuhr ausländischer Fabrikate und Monopolrechte erleich-
terten den Betrieb, sicherten den Absatz. Ausländer wurden in der
Gründung von Fabriken durch Befreiung von allen städtischen Abgaben
und andere Privilegien unterstützt. Dem Arbeitermangel half man
dadurch ab, daſs durch die Verordnungen vom 18. Januar 1721 und
3. Dezember 1723 den Unternehmern gestattet wurde, leibeigene
Arbeiter für ihre gewerblichen Anstalten zu kaufen. Das Gros der
Fabrikarbeiter bestand seitdem aus Leibeigenen. Auch Gutsbesitzer
errichteten neue Fabriken mit Leibeigenen. Das Monopolsystem
wurde stärker ausgebildet, hatte aber in Ruſsland kürzeren Bestand
wie in anderen Ländern. Schon im Jahre 1775 erfolgte der Bruch
mit demselben, die Monopole und Privilegien wurden aufgehoben und
die Gewerbefreiheit eingeführt.
1) A. Thun, Landwirtschaft und Gewerbe in Mittelruſsland, 1880.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 1151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/1165>, abgerufen am 25.11.2024.
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