Trotz seines Niederganges im 16. Jahrhundert war Deutschland zu Anfang des 17. Jahrhunderts immer noch die anerkannte Vormacht unter den Staaten Europas. Nach dem 30 jährigen Kriege war es nur noch ein geographischer Begriff, ein ohnmächtiges Konglomerat zahlloser Landesherrschaften, die der übermütige Nachbar, der "Sonnenkönig" Ludwig XIV., ungestraft demütigen und berauben durfte. Die politische Machtverteilung war eine ganz andere geworden. Die centralistischen Staaten Frankreich, England und Schweden ent- wickelten die grösste Kraftentfaltung, während die Föderativstaaten, Deutschland und Italien, obgleich im 16. Jahrhundert an Reichtum und Bildung überlegen, ihre politische Bedeutung verloren. Frank- reich vor allem, beherrscht von ehrgeizigen Königen, gelang es, indem es sich an dem unglücklichen Deutschland bereicherte und kräftigte, die Hegemonie auf dem Kontinent Europas zu erringen, die es bis zum Sturze des ersten Napoleon mit wechselndem Erfolge behauptet hat.
Dass diese politischen Ereignisse auch auf Handel und Industrie von grösstem Einfluss waren, ist selbstverständlich. Im 30 jährigen Kriege ging so ziemlich alles zu Grunde, was Deutschland noch Einfluss und Ansehen gegeben hatte. Der Hansabund verlor den Rest seiner Macht, die Freiheit und die Herrlichkeit der einst so stolzen Reichs- städte schwanden dahin, Handel und Gewerbe litten unsäglich. Auch die Eisenindustrie hatte schwer zu leiden. Wenn dies nicht in dem Masse der Fall war, wie bei anderen Industriezweigen, wenn einzelne Zweige der Eisenindustrie sich nicht nur erhielten, sondern sich sogar trotz des Krieges fortentwickelten, so hat dies seinen Grund in der Unentbehrlichkeit des Eisens, welches dem Kriege wie dem Frieden dient, und in Kriegszeiten fast noch mehr begehrt ist, als im Frieden.
Dennoch lasteten die Verhältnisse auch auf der Eisenindustrie schwer, und von einer fortschrittlichen Entwickelung derselben im 17. Jahrhundert kann kaum die Rede sein; wenigstens lässt sich das Wenige, was hierüber zu berichten ist, ziemlich kurz zusammenfassen.
Im allgemeinen arbeitete man in geistloser Weise nach dem Schema, welches das vorhergehende Jahrhundert aufgestellt hatte, weiter.
Dieser Mangel an neuen Ideen in der Eisenindustrie findet seinen entsprechenden Ausdruck auch in der Litteratur. Das 17. Jahrhundert ist ausserordentlich arm an hüttenmännischen Schriften und die wenigen, die erschienen sind, haben nur geringen Wert.
Einleitung in das 17. Jahrhundert.
Trotz seines Niederganges im 16. Jahrhundert war Deutschland zu Anfang des 17. Jahrhunderts immer noch die anerkannte Vormacht unter den Staaten Europas. Nach dem 30 jährigen Kriege war es nur noch ein geographischer Begriff, ein ohnmächtiges Konglomerat zahlloser Landesherrschaften, die der übermütige Nachbar, der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV., ungestraft demütigen und berauben durfte. Die politische Machtverteilung war eine ganz andere geworden. Die centralistischen Staaten Frankreich, England und Schweden ent- wickelten die gröſste Kraftentfaltung, während die Föderativstaaten, Deutschland und Italien, obgleich im 16. Jahrhundert an Reichtum und Bildung überlegen, ihre politische Bedeutung verloren. Frank- reich vor allem, beherrscht von ehrgeizigen Königen, gelang es, indem es sich an dem unglücklichen Deutschland bereicherte und kräftigte, die Hegemonie auf dem Kontinent Europas zu erringen, die es bis zum Sturze des ersten Napoleon mit wechselndem Erfolge behauptet hat.
Daſs diese politischen Ereignisse auch auf Handel und Industrie von gröſstem Einfluſs waren, ist selbstverständlich. Im 30 jährigen Kriege ging so ziemlich alles zu Grunde, was Deutschland noch Einfluſs und Ansehen gegeben hatte. Der Hansabund verlor den Rest seiner Macht, die Freiheit und die Herrlichkeit der einst so stolzen Reichs- städte schwanden dahin, Handel und Gewerbe litten unsäglich. Auch die Eisenindustrie hatte schwer zu leiden. Wenn dies nicht in dem Maſse der Fall war, wie bei anderen Industriezweigen, wenn einzelne Zweige der Eisenindustrie sich nicht nur erhielten, sondern sich sogar trotz des Krieges fortentwickelten, so hat dies seinen Grund in der Unentbehrlichkeit des Eisens, welches dem Kriege wie dem Frieden dient, und in Kriegszeiten fast noch mehr begehrt ist, als im Frieden.
Dennoch lasteten die Verhältnisse auch auf der Eisenindustrie schwer, und von einer fortschrittlichen Entwickelung derselben im 17. Jahrhundert kann kaum die Rede sein; wenigstens läſst sich das Wenige, was hierüber zu berichten ist, ziemlich kurz zusammenfassen.
Im allgemeinen arbeitete man in geistloser Weise nach dem Schema, welches das vorhergehende Jahrhundert aufgestellt hatte, weiter.
Dieser Mangel an neuen Ideen in der Eisenindustrie findet seinen entsprechenden Ausdruck auch in der Litteratur. Das 17. Jahrhundert ist auſserordentlich arm an hüttenmännischen Schriften und die wenigen, die erschienen sind, haben nur geringen Wert.
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Einleitung in das 17. Jahrhundert.
Trotz seines Niederganges im 16. Jahrhundert war Deutschland zu
Anfang des 17. Jahrhunderts immer noch die anerkannte Vormacht
unter den Staaten Europas. Nach dem 30 jährigen Kriege war es
nur noch ein geographischer Begriff, ein ohnmächtiges Konglomerat
zahlloser Landesherrschaften, die der übermütige Nachbar, der
„Sonnenkönig“ Ludwig XIV., ungestraft demütigen und berauben durfte.
Die politische Machtverteilung war eine ganz andere geworden. Die
centralistischen Staaten Frankreich, England und Schweden ent-
wickelten die gröſste Kraftentfaltung, während die Föderativstaaten,
Deutschland und Italien, obgleich im 16. Jahrhundert an Reichtum
und Bildung überlegen, ihre politische Bedeutung verloren. Frank-
reich vor allem, beherrscht von ehrgeizigen Königen, gelang es, indem
es sich an dem unglücklichen Deutschland bereicherte und kräftigte,
die Hegemonie auf dem Kontinent Europas zu erringen, die es bis
zum Sturze des ersten Napoleon mit wechselndem Erfolge behauptet hat.
Daſs diese politischen Ereignisse auch auf Handel und Industrie
von gröſstem Einfluſs waren, ist selbstverständlich. Im 30 jährigen
Kriege ging so ziemlich alles zu Grunde, was Deutschland noch Einfluſs
und Ansehen gegeben hatte. Der Hansabund verlor den Rest seiner
Macht, die Freiheit und die Herrlichkeit der einst so stolzen Reichs-
städte schwanden dahin, Handel und Gewerbe litten unsäglich. Auch
die Eisenindustrie hatte schwer zu leiden. Wenn dies nicht in
dem Maſse der Fall war, wie bei anderen Industriezweigen, wenn
einzelne Zweige der Eisenindustrie sich nicht nur erhielten, sondern
sich sogar trotz des Krieges fortentwickelten, so hat dies seinen
Grund in der Unentbehrlichkeit des Eisens, welches dem Kriege wie
dem Frieden dient, und in Kriegszeiten fast noch mehr begehrt ist,
als im Frieden.
Dennoch lasteten die Verhältnisse auch auf der Eisenindustrie
schwer, und von einer fortschrittlichen Entwickelung derselben im
17. Jahrhundert kann kaum die Rede sein; wenigstens läſst sich das
Wenige, was hierüber zu berichten ist, ziemlich kurz zusammenfassen.
Im allgemeinen arbeitete man in geistloser Weise nach dem
Schema, welches das vorhergehende Jahrhundert aufgestellt hatte,
weiter.
Dieser Mangel an neuen Ideen in der Eisenindustrie findet seinen
entsprechenden Ausdruck auch in der Litteratur. Das 17. Jahrhundert
ist auſserordentlich arm an hüttenmännischen Schriften und die
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 910. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/932>, abgerufen am 23.11.2024.
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