Harzes war von jeher berühmt, an dem nötigen Brennmaterial war also kein Mangel.
Im 14. Jahrhundert war der Harzer Metallbergbau und damit auch das Eisengewerbe infolge der Pest fast ganz zum Erliegen ge- kommen. Im 15. Jahrhundert kam der Bergbau allmählich wieder in Gang. Um 1420 erbaute Heinrich Eschenbach aus dem Meiss- nischen im Rammelsberge ein grosses Pumpwerk, "die Wasserkunst mit dem krummen Zapfen", eine bis dahin noch unbekannte Vor- richtung, und brachte damit die Grube zu Sumpf. Um die Mitte des Jahrhunderts, also um dieselbe Zeit wie im Unterharz, begannen sich die Eisenwerke, die vordem auf den Höhen bei den Eisengruben gestanden hatten, in die Thäler an die Wasserläufe zu ziehen. Be- sonders war es die Sösse, an welcher schon frühe Zerennhütten er- baut wurden, namentlich bei Gittelde und Osterode. In einem Bibel- codex zu Wolfenbüttel befindet sich folgende Notiz 1): Explicit Deuteronomium per me Andream Soteflesch de casa ante piscinam ducis sita prope Gitthelde, in qua casa fratres mei fabrilia tractant negotia ex lapidibus ferrum cudentes. Anno Domini 1456 in die Agnetis virginis gloriosae. 1460 befanden sich im Sösethal oberhalb Osterode vier Eisenhütten im Betriebe. Gegen Ende des Jahrhunderts wurde Herzogin Elisabeth, die Gemahlin Wilhelms des Jüngeren von Braunschweig, die eigentliche Gründerin des Jahrhunderte hindurch blühenden Eisenhüttenwesens von Gittelde und Grund. Sie war eine geborene Gräfin Stolberg und hatte aus der Heimat die Liebe zum Bergbau mitgebracht. Nachdem daher ihr Gemahl im Jahre 1494 gestorben und ihr Schloss und Herrschaft Stauffenberg als Witwensitz und Leibgeding überwiesen war, wendete sie alsbald ihre Aufmerksam- keit den mineralischen Schätzen der Gegend, besonders am Iberge, zu. Sie nahm den alten Bergbau daselbst wieder auf. Da es ihr aber an erfahrenen Bergleuten fehlte, liess sie sich von ihren Brüdern, den Grafen Kaspar, Albrecht und Botho zu Stolberg, solche aus dem Stolbergischen und dem Elrich schicken. Ihr Eifer war von Erfolg gekrönt, sie erschloss ein ergiebiges Silberbergwerk und veranlasste die Eröffnung zahlreicher Eisensteingruben auf den reichen Erzgängen des Iberges. Um den Eisenstein zu verwerten, liess sie in Grund und zu Gittelde Hüttenwerke bauen. Ihr "liebes Grund", vordem nur als Forstbezeichnung bekannt, wuchs zu einer blühenden Bergstadt heran 2),
1) Siehe Wedding, a. a. O., S. 6, nach einer Mitteilung Dr. Heinemanns.
2) Siehe Jacobs, Zeitschrift des Harzvereins, Bd. III, S. 373.
Der Oberharz.
Harzes war von jeher berühmt, an dem nötigen Brennmaterial war also kein Mangel.
Im 14. Jahrhundert war der Harzer Metallbergbau und damit auch das Eisengewerbe infolge der Pest fast ganz zum Erliegen ge- kommen. Im 15. Jahrhundert kam der Bergbau allmählich wieder in Gang. Um 1420 erbaute Heinrich Eschenbach aus dem Meiſs- nischen im Rammelsberge ein groſses Pumpwerk, „die Wasserkunst mit dem krummen Zapfen“, eine bis dahin noch unbekannte Vor- richtung, und brachte damit die Grube zu Sumpf. Um die Mitte des Jahrhunderts, also um dieselbe Zeit wie im Unterharz, begannen sich die Eisenwerke, die vordem auf den Höhen bei den Eisengruben gestanden hatten, in die Thäler an die Wasserläufe zu ziehen. Be- sonders war es die Sösse, an welcher schon frühe Zerennhütten er- baut wurden, namentlich bei Gittelde und Osterode. In einem Bibel- codex zu Wolfenbüttel befindet sich folgende Notiz 1): Explicit Deuteronomium per me Andream Soteflesch de casa ante piscinam ducis sita prope Gitthelde, in qua casa fratres mei fabrilia tractant negotia ex lapidibus ferrum cudentes. Anno Domini 1456 in die Agnetis virginis gloriosae. 1460 befanden sich im Sösethal oberhalb Osterode vier Eisenhütten im Betriebe. Gegen Ende des Jahrhunderts wurde Herzogin Elisabeth, die Gemahlin Wilhelms des Jüngeren von Braunschweig, die eigentliche Gründerin des Jahrhunderte hindurch blühenden Eisenhüttenwesens von Gittelde und Grund. Sie war eine geborene Gräfin Stolberg und hatte aus der Heimat die Liebe zum Bergbau mitgebracht. Nachdem daher ihr Gemahl im Jahre 1494 gestorben und ihr Schloſs und Herrschaft Stauffenberg als Witwensitz und Leibgeding überwiesen war, wendete sie alsbald ihre Aufmerksam- keit den mineralischen Schätzen der Gegend, besonders am Iberge, zu. Sie nahm den alten Bergbau daselbst wieder auf. Da es ihr aber an erfahrenen Bergleuten fehlte, lieſs sie sich von ihren Brüdern, den Grafen Kaspar, Albrecht und Botho zu Stolberg, solche aus dem Stolbergischen und dem Elrich schicken. Ihr Eifer war von Erfolg gekrönt, sie erschloſs ein ergiebiges Silberbergwerk und veranlaſste die Eröffnung zahlreicher Eisensteingruben auf den reichen Erzgängen des Iberges. Um den Eisenstein zu verwerten, lieſs sie in Grund und zu Gittelde Hüttenwerke bauen. Ihr „liebes Grund“, vordem nur als Forstbezeichnung bekannt, wuchs zu einer blühenden Bergstadt heran 2),
1) Siehe Wedding, a. a. O., S. 6, nach einer Mitteilung Dr. Heinemanns.
2) Siehe Jacobs, Zeitschrift des Harzvereins, Bd. III, S. 373.
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Der Oberharz.
Harzes war von jeher berühmt, an dem nötigen Brennmaterial war
also kein Mangel.
Im 14. Jahrhundert war der Harzer Metallbergbau und damit
auch das Eisengewerbe infolge der Pest fast ganz zum Erliegen ge-
kommen. Im 15. Jahrhundert kam der Bergbau allmählich wieder in
Gang. Um 1420 erbaute Heinrich Eschenbach aus dem Meiſs-
nischen im Rammelsberge ein groſses Pumpwerk, „die Wasserkunst
mit dem krummen Zapfen“, eine bis dahin noch unbekannte Vor-
richtung, und brachte damit die Grube zu Sumpf. Um die Mitte
des Jahrhunderts, also um dieselbe Zeit wie im Unterharz, begannen
sich die Eisenwerke, die vordem auf den Höhen bei den Eisengruben
gestanden hatten, in die Thäler an die Wasserläufe zu ziehen. Be-
sonders war es die Sösse, an welcher schon frühe Zerennhütten er-
baut wurden, namentlich bei Gittelde und Osterode. In einem Bibel-
codex zu Wolfenbüttel befindet sich folgende Notiz 1): Explicit
Deuteronomium per me Andream Soteflesch de casa ante piscinam
ducis sita prope Gitthelde, in qua casa fratres mei fabrilia tractant
negotia ex lapidibus ferrum cudentes. Anno Domini 1456 in die
Agnetis virginis gloriosae. 1460 befanden sich im Sösethal oberhalb
Osterode vier Eisenhütten im Betriebe. Gegen Ende des Jahrhunderts
wurde Herzogin Elisabeth, die Gemahlin Wilhelms des Jüngeren von
Braunschweig, die eigentliche Gründerin des Jahrhunderte hindurch
blühenden Eisenhüttenwesens von Gittelde und Grund. Sie war eine
geborene Gräfin Stolberg und hatte aus der Heimat die Liebe zum
Bergbau mitgebracht. Nachdem daher ihr Gemahl im Jahre 1494
gestorben und ihr Schloſs und Herrschaft Stauffenberg als Witwensitz
und Leibgeding überwiesen war, wendete sie alsbald ihre Aufmerksam-
keit den mineralischen Schätzen der Gegend, besonders am Iberge,
zu. Sie nahm den alten Bergbau daselbst wieder auf. Da es ihr
aber an erfahrenen Bergleuten fehlte, lieſs sie sich von ihren Brüdern,
den Grafen Kaspar, Albrecht und Botho zu Stolberg, solche aus dem
Stolbergischen und dem Elrich schicken. Ihr Eifer war von Erfolg
gekrönt, sie erschloſs ein ergiebiges Silberbergwerk und veranlaſste
die Eröffnung zahlreicher Eisensteingruben auf den reichen Erzgängen
des Iberges. Um den Eisenstein zu verwerten, lieſs sie in Grund und
zu Gittelde Hüttenwerke bauen. Ihr „liebes Grund“, vordem nur als
Forstbezeichnung bekannt, wuchs zu einer blühenden Bergstadt heran 2),
1) Siehe Wedding, a. a. O., S. 6, nach einer Mitteilung Dr. Heinemanns.
2) Siehe Jacobs, Zeitschrift des Harzvereins, Bd. III, S. 373.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 774. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/794>, abgerufen am 22.11.2024.
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